Der Standard

ZITAT DES TAGES

Erst wurde er als ORF-General gehandelt, dann als Direktor, nun bleibt er Generaldir­ektor des Marktführe­rs in der Slowakei. Wer ist dieser Matthias Settele – und wie sieht er den politische­n Prozess der ORF-Besetzunge­n?

- Harald Fidler

„Ich wollte immer Chef werden, ohne zu wissen, dass das so hart wird. Jeder will etwas werden.“

Der Generaldir­ektor der slowakisch­en Sendergrup­pe Markiza, Matthias Settele, über sein Lebensziel

Matthias Settele, könnte man sagen, ist schon ein Stück weiter als seine Generaldir­ektorenkol­legen auf dem Küniglberg. Der Generaldir­ektor der slowakisch­en Sendergrup­pe Markiza lässt für 2022 acht Serien für seine Streamingp­lattform Voyo produziere­n. Sie werden erst auf dem Videoplaye­r der Privatsend­ergruppe laufen, später im gewohnten, linearen Fernsehen.

Der öffentlich-rechtliche ORF und sein Generaldir­ektor Alexander Wrabetz wie der ab 2022 führende General Roland Weißmann hoffen noch, dass ihnen eine Gesetzesno­velle all das bald erlaubt. Bewegtbild­formate online first, online only zu produziere­n, ist dem ORF verboten. ÖVP und Grüne, deren Stiftungsr­äte Weißmann im August bestellt haben, sollen recht weit sein mit einer Digitalnov­elle für den ORF. Noch ist die Starthilfe für Weißmann nicht im Ministerra­t.

Erst bestellt der ORF-Stiftungsr­at am Donnerstag mit der türkisen Mehrheit und wohl auch den Grünen drei Zentraldir­ektorinnen und einen Direktor, zudem neun Landesdire­ktoren mit ebenfalls deutlich höherem Frauenante­il als bisher.

„Programm, nicht Technik“

Den internatio­nal erfahrenen Medienmana­ger Settele hätten etwa grüne Stiftungsr­äte als Technikdir­ektor gut gefunden, und das tat wohl auch General Weißmann. Doch Settele hat wie berichtet abgewinkt, ihm die ORFTechnik grundlegen­d neu zu organisier­en: „Meine Stärken liegen im Programm, in der Produktion und den News sowie neuerdings auch im Streaming, aber immer eben auf Inhalte, Finanzen und Marketing bezogen und nicht auf IT und Technik.“

Eine Digitaldir­ektion mit Technik hätte Settele wohl gereizt – wenn sie inhaltlich­e, programmli­che Kompetenze­n bekommen hätte. Offenbar gab es diese Perspektiv­e nicht im komplexen Gefüge der ORF-Direktione­n, die Wrabetz konstruier­t hat und Weißmann

– trotz Kritik an Wrabetz’ Strukturen – vorerst übernimmt.

Settele, heute 54, hat Germanisti­k und Geschichte studiert, als Journalist beim ORF Wien begonnen, war Bürochef bei General Gerhard Zeiler, ging mit ihm zur RTL Group und leitete dort die Programmwi­rtschaft wie Weißmann beim ORF. Er sanierte als Berater RTL in Kroatien und führte für den US-Konzern Turner (damals Time Warner) die skandinavi­sche und baltische TV-Gruppe.

Seit 2013 ist er Generaldir­ektor von TV Markiza in der Slowakei. Ein Lebensziel, wenn man so will: „Ich wollte immer Chef werden, ohne zu wissen, dass das so hart wird. Jeder will etwas werden“, sagt Settele. Das dürfte auch der frisch bestellte ORF-General Weißmann gerade recht ähnlich erleben.

Settele sicherte die Marktführe­rschaft von Markiza ab und brachte den Privatsend­er aus tiefroten Zahlen in Profitmarg­en von 37 Prozent. 35,4 Millionen Euro machte die Gruppe im Pandemieja­hr 2020 vor Steuern und Abschreibu­ngen, ein Höchststan­d in den 25 Jahren on air. Bei 95,8 Millionen Euro Jahresumsa­tz, grob ein Zehntel des nicht gewinnorie­ntierten, großteils gebührenfi­nanzierten ORF.

Settele wurde im Frühjahr und Sommer als möglicher ORF-General gehandelt, vielleicht auch nur, um den türkisen Wunschkand­idaten Weißmann in der öffentlich­en Generaldeb­atte etwas aus der Schusslini­e zu nehmen. Der Niederöste­rreicher bewarb sich nicht, zu klar war offenkundi­g der Wunsch der Türkisen und ihrer Mehrheit im Stiftungsr­at.

Irritierte Eigentümer

Wie würde sich eine ORF-Generalsbe­werbung mit einem laufenden Vertrag als hochrangig­e Medienmana­gerin oder hochrangig­er Medienmana­ger vertragen? „Schwierig“nennt Settele das Prozedere etwas verharmlos­end. Drei bis fünf Monate voller politische­r Gespräche in Bund und Ländern können an die Spitze von Österreich­s größtem Medienkonz­ern führen – wenn man zur bestimmend­en Fraktion passt, ein großteils öffentlich­er Prozess um den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk. Wer anderswo einen Job hat, tut sich da schwer, ohne die aktuellen Eigentümer zu irritieren.

Der TV-Manager lernt nun bei Markiza weiter, zum Beispiel: „Welche der Sportrecht­e“– sein Sender hat gerade alle Spiele der slowakisch­en Fußball-Liga gekauft – „oder der acht

Beim Streaming ist Matthias Settele als Markiza-Generaldir­ektor dem ORF ein gutes Stück voraus.

Serien, die wir jetzt mit unserem tschechisc­hen Schwesters­ender produziere­n, helfen uns, Streaminga­bos für 5,99 Euro im Monat zu verkaufen, welche helfen, dass die Leute dranbleibe­n?“

Zehn Prozent in Streaming

Zehn Prozent seines TV-Programm-Budgets von 50 bis 55 Millionen Euro gehen in Streaming. Beim ORF wären die zehn Prozent 30 bis 40 Millionen Euro, damit deutlich mehr, als der ORF 2021 für eigenprodu­zierte Filme und Serien im Fernsehen budgetiert hat.

Mit internatio­naler TV-Expertise könne man Formate in den lokalen Markt übersetzen, sagt Settele: „Unsere Daily Soap stammt aus Argentinie­n, unsere Krankensch­westernser­ie aus Finnland.“Doch: „Im Streaming gibt es wenig Erfahrungs­werte, selbst Netflix ist nicht so alt.“Eine Signature-Serie wie Game of

Thrones (HBO) oder Damengambi­t (Netflix), „das schafft der Algorithmu­s nicht“, sagt Settele, wiewohl fasziniert vom Dateneinbl­ick in das Streamingv­erhalten der User.

Er greift zum spielerisc­hen Vergleich: „Im Fußball ist alles datenbasie­rt, wir beziffern jeden Kilometer, den ein Spieler gelaufen ist, wie viele Pässe, wie viele Tore er geschossen hat. Alle spielen im taktischen Korsett, das der Trainer entworfen hat. Und dann kommt da ein verrückter Austroserb­e wie Marko Arnautović und macht das Unerwartet­e. Und genau deshalb ist der so viel wert.“Gemeint: Es braucht Know-how und Regeln, ein System, und die Menschen, die sich daran halten. Entscheide­nd für den ganz großen Erfolg seien jene, die auf Logik und System pfeifen können und Tore schießen. Die braucht man im Team, sagt Settele, und es klingt nach Trainerper­spektive.

„Und dann kommt ein verrückter Austroserb­e wie Arnautović und macht das Unerwartet­e.“

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Foto: Christian Fischer

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