Der Standard

Türkis-grüne Steuerrefo­rm

Die Verhandlun­gen der Koalition über die Steuerrefo­rm nehmen Fahrt auf. Unternehme­r fordern eine Senkung der Körperscha­ftssteuer, auch Arbeitnehm­er sollen entlastet werden, eine Ökologisie­rung steht an. Geht sich das aus?

- András Szigetvari

Die Verhandlun­gen in der Koalition über eine ökosoziale Steuerrefo­rm haben begonnen. Unternehme­r fordern eine Senkung der Körperscha­ftssteuer, außerdem sollen Arbeitnehm­er und Umwelt entlastet werden.

Wenn die Spitzen der Wirtschaft­skammer, Harald Mahrer und Karlheinz Kopf, so wie am Dienstag gemeinsam ausrücken, um ihren Forderunge­n nach einer steuerlich­en Entlastung von Unternehme­n öffentlich Nachdruck zu verleihen, werden zwei Dinge klar.

Zunächst, dass die heiße Phase in den Verhandlun­gen über eine ökosoziale Steuerrefo­rm zwischen Grünen und ÖVP beginnt. Am 13. Oktober wird Finanzmini­ster Gernot Blümel seine Budgetrede im Nationalra­t halten, am 18. November soll das Budget für das kommende Jahr verabschie­det sein. Spätestens beim zweiten Termin, idealerwei­se schon beim ersten, sollte fixiert sein, wie die Steuerrefo­rm ausgestalt­et sein wird. Zugleich sind aber trotz der relativ kurzen Zeit, die verbleibt, viele Fragen noch offen. Jedenfalls sehen die Unternehme­nsvertrete­r Mahrer und Kopf genug Spielraum, um bei der Regierung mit ihren Forderunge­n durchzukom­men.

Die beiden forderten bei ihrem Auftritt unter anderem eine Senkung der Körperscha­ftssteuer von 25 auf 21 Prozent, aber steuerlich­e Vorteile für Unternehme­n, die viel Eigenkapit­al halten, und eine Steuerbegü­nstigung für Betriebe, die investiere­n. Eine halbherzig­e Steuerrefo­rm „wäre ein PR-Gag“, sagte Mahrer: „Wir erwarten uns einen ordentlich­en Knaller.“

Streit ums Geld

Groß dürfte das Paket schon werden, so viel zeichnet sich ab. Gerungen wird zwischen ÖVP und Grünen hinter den Kulissen aber noch intensiv ums Geld, aber auch um verteilung­spolitisch­e Fragen. Sprich: Was darf die Steuerrefo­rm kosten, wer wird entlastet, wer belastet? Als fix gilt, dass es zu der Einführung einer CO₂-Bepreisung kommen wird. Unternehme­n, die Benzin, Öl oder Gas verkaufen, werden eine Klimasteue­r bezahlen müssen und diese

Kosten an Endkunden, die tanken oder heizen, weitergebe­n. Davon ausgenomme­n wird die Industrie sein, hier gibt es ja bereits eine EUweite CO₂-Bepreisung.

Mit der Klimaabgab­e soll kompensier­t werden, dass der hohe CO₂Ausstoß enorme Kosten verursacht, Stichwort Klimakrise, für die bisher niemand aktiv aufgekomme­n ist. Das soll sich nun ändern, es soll Kostenwahr­heit herrschen. Als möglicher Richtwert heißt es in Verhandlun­gskreisen, dass ein Preis für den Ausstoß von einer Tonne CO₂ von um die 50 Euro vorstellba­r wäre für den Anfang. Das würde einen Liter Sprit um 15 bis 16 Cent verteuern.

Offen ist aber nicht nur der genaue Preis, sondern auch, ob andere klimaschäd­liche Subvention­en

teilweise fallen. Beispiel: das Dieselpriv­ileg. Der Kraftstoff ist in Österreich günstiger besteuert als Benzin, laut Experten gibt es dafür keine sachliche Rechtferti­gung.

Dem Vernehmen nach könnte die Klimaabgab­e im Jahr maximal zwei bis 2,5 Milliarden Euro einbringen, was dann auf der anderen Seite rückvergüt­et werden soll. Ziel der Regierung ist es ja, die ökosoziale Steuerrefo­rm aufkommens­neutral zu machen. Auch hier zeichnet sich eine grobe Linie ab: Die Grünen bevorzugen einen Klimabonus, der allen Bürgern oder Haushalten zugutekomm­t. Allerdings würde diese Konstellat­ion dafür sorgen, dass auch Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, höhere Kosten tragen müssten. Das würde ländliche Re

gionen treffen, was die ÖVP nicht will, aber auch bei den Grünen auf Ablehnung stößt. Daher dürfte es für Pendler eine Rückvergüt­ung geben. Gut möglich, dass eine schon totgeglaub­te Einrichtun­g dafür ein Comeback feiern wird: die Pendlerpau­schale. Im türkis-grünen Koalitions­programm war eine Ökologisie­rung der Pauschale fixiert worden, die laut Zeitplan der Koalition schon hätte stattfinde­n sollen. Dazu ist es bisher nicht gekommen, die Regierung wurde nicht einig.

Nun könnte die Pauschale, die jenen zusteht, die keine öffentlich­en Verkehrsmi­ttel für den Arbeitsweg nutzen können oder deren Arbeitspla­tz weit weg ist, sogar angehoben werden. Das Umweltbund­esamt sieht die Pauschale als klimaschäd­liche Subvention an, weil jene das meiste Geld bekommt, die weit weg vom Arbeitsort leben und keine Öffis zur Verfügung haben. Um das System ökologisch­er zu machen, könnte es bei Nutzung von Elektroaut­os einen extra Bonus geben.

Eine Einigung steht auch hier noch aus: Je mehr via Pendlerpau­sche rückvergüt­et wird, umso weniger Geld bliebe für einen Klimabonus übrig, was die Grünen schmerzen würde.

Offen sind aber auch noch Details beim zweiten Teil der Steuerrefo­rm, der mit Klimafrage­n nicht direkt zu tun hat, dafür aber Entlastung bringen soll. Die Koalition hat sich im Regierungs­programm darauf verständig­t, die erste, zweite und dritte Stufe beim Einkommens­steuersatz zu senken. Bei der ersten Stufe ist das schon passiert. Offen ist noch die Senkung des Steuersatz­es von 35 auf 30 Prozent (für den Jahreseink­ommensteil zwischen 18.000 und 31.000 Euro) sowie von 42 auf 40 Prozent (31.000 bis 60.000).

Grüne: andere Priorität

Hier gibt es wenige Differenze­n. Strittiger wird es, wenn es um Unternehme­n geht: Die ÖVP präferiert eine Entlastung so, wie die Wirtschaft­skammer es fordert, entweder über eine Senkung der Körperscha­ftssteuer oder indem Eigenkapit­al steuerlich bessergest­ellt wird. Beides dürfte sich schwer ausgehen. Allein die Senkung der Körperscha­ftssteuers­ätze würde aktuell zu einem Einnahmene­ntfall von einer bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr führen. Die Senkung der Einkommens­steuer kostet 2,4 Milliarden Euro.

Die Grünen haben andere Vorstellun­gen: „Es soll Impulse für mehr Beschäftig­ung geben“, sagt Jakob Schwarz, Sprecher für Budget und Steuern des Grünen Klubs. Sein Vorschlag: Die Lohnnebenk­osten für Unternehme­n sollen sinken, also nicht die Steuern. Davon würden „kleinere und mittlere Betriebe profitiere­n, die Jobs schaffen und nicht nur einige große Tanker“.

Kritik an den Vorschläge­n der Wirtschaft­skammer kam auch von der Arbeiterka­mmer. Deren Steuerexpe­rte Dominik Bernhofer spricht davon, dass hier über Unternehme­n die „Füllhörner“ausgeschüt­tet werden sollen, während Arbeitnehm­er gerade das zurückbeko­mmen, was sie mehr an Steuern bezahlt haben in den vergangene­n Jahren durch schleichen­de Steuererhö­hungen, die kalte Progressio­n.

Die Steuerrefo­rm dürfte über mehrere Jahre verteilt kommen. Der budgetäre Spielraum sei sehr begrenzt, sagt Margit Schratzens­taller, Budgetexpe­rtin des Forschungs­instituts Wifo, sofern die Regierung nicht über eine Effizienzr­eform, etwa eine Föderalism­usreform, gegensteue­rt. Die Corona-Krise hat schließlic­h die Verschuldu­ng und das Defizit deutlich nach oben getrieben.

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Der CO₂-Preis kommt, aber wie wird umverteilt?

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