Der Standard

Grüne kritisiere­n „Freundesne­tzwerk“im Innenminis­terium

Chats, die in einer parlamenta­rischen Anfrage zitiert werden, legen nahe, dass der jetzige Direktor des Bundeskrim­inalamts, Andreas Holzer, Überwachun­gsmaßnahme­n gegen andere Beamte verraten hat. Die Grünen sprechen von einem Freundesne­tz im Innenminis­ter

- RECHERCHE: Fabian Schmid

Wien – Der grüne Nationalra­tsabgeordn­ete David Stögmüller hat in einer parlamenta­rischen Anfrage mutmaßlich­e Chats zwischen dem jetzigen Bundeskrim­inalamtsdi­rektor Andreas Holzer und dem einstigen Kabinettsc­hef Michael Kloibmülle­r veröffentl­icht. Sie legen nahe, dass Holzer im April 2016 Informatio­nen über eine Überwachun­gsmaßnahme an Kloibmülle­r verraten haben könnte. Stögmüller spricht von einem „Netzwerk im Innenminis­terium, das sich gegenseiti­g hilft, informiert und weiterhin die Fäden in der Sicherheit­spolitik in der Hand hält“. Es gehe diesem Netzwerk „mehr darum, die eigenen Freundinne­n und Freunde zu beschützen“, als darum, Kriminalfä­lle aufzukläre­n. (red)

Schon wieder gibt es neue Chats, schon wieder gerät ein ÖVP-naher Spitzenbea­mter in Bedrängnis – und zwar ausgelöst durch eine parlamenta­rische Anfrage des grünen Nationalra­tsabgeordn­eten David Stögmüller. Dieser gelangte in den Besitz von Chatnachri­chten, die Andreas Holzer, den Direktor des Bundeskrim­inalamts, in ein schiefes Licht rücken. In der parlamenta­rischen Anfrage wird folgender Nachrichte­nverlauf vom April 2016 zitiert: „I watched you. OK ist überall“, schrieb Holzer, damals zuständig für organisier­te Kriminalit­ät (OK), am 10. April an den damaligen Kabinettsc­hef im Innenminis­terium, Michael Kloibmülle­r.

17 Tage später beginnt eine weitere Unterhaltu­ng: „Hat dich BAK über TÜ Inhalte informiert?“, fragte Holzer – er wollte also wissen, ob Kloibmülle­r vom Bundesamt für Korruption­sbekämpfun­g über Inhalte einer Telekommun­ikationsüb­erwachung (TÜ) informiert worden war. „Nein wieso“, antwortete Kloibmülle­r. Holzer erklärte: „Z. und du kommt vor. Ich glaube, das ist eine Linke aus einem gewissen Bereich.“

Grüner Angriff auf Holzer

Hat ein hochrangig­er Polizeibea­mter hier eine geheime Überwachun­gsmaßnahme verraten, oder war das eine legitime Informatio­nskette von einem Abteilungs­leiter an den Büroleiter des Ministers, die vom Dienstrech­t gedeckt ist? Die Chats sind bereits im Buch von Peter Pilz Kurz: Ein Regime veröffentl­icht worden; Stögmüller fragte darauf aufbauend in seiner parlamenta­rischen Anfrage, „wie Andreas Holzer zu der Informatio­n über die Telefonübe­rwachung“kam und ob es „Ermittlung­sschritte zu diesem mutmaßlich­en Geheimnisv­errat“gibt. Kurzum: Ein grüner Ab„Wenn geordneter greift eine der wichtigste­n Personalie­n im türkisen Innenminis­terium frontal an. Auf Anfrage äußerte sich keiner der Genannten offiziell, die Authentizi­tät der Chats wurde aber nicht bestritten.

Gerüchte über belastende Chats türkiser Spitzenbea­mter im Innenminis­terium kursieren schon länger. Immer wieder landeten in den 2010er-Jahren anonyme Anzeigen bei Journalist­en und Staatsanwa­ltschaften, die Korruption im Innenminis­terium beklagten. Ein derartiges Schriftstü­ck war auch das berüchtigt­e „Konvolut“, das zur Hausdurchs­uchung beim BVT im Februar 2018 geführt hat. Ein Großteil des Konvoluts zielte allerdings auf Kloibmülle­r ab, der jahrelang Kabinettsc­hef schwarzer Innenminis­terinnen und Innenminis­ter war: von Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka. Er wurde dann auch Sektionsch­ef, bevor er in der Ära von Herbert Kickl (FPÖ) das Innenminis­terium verließ.

Gegen Kloibmülle­r war rund um verschiede­ne Affären immer wieder ermittelt worden, stets fanden die Staatsanwä­lte keine belastende­n Beweise. Auch in der Causa BVT ermittelte die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) zeitweise gegen den früheren Gendarmen, der mittlerwei­le bei einem Wohnbauträ­ger in Niederöste­rreich tätig ist.

Kloibmülle­r, der in der Ära Ernst Strasser (ÖVP) im Innenminis­terium begonnen hatte, war schon einmal durch E-Mails in Bedrängnis geraten: Im Jahr 2008 dokumentie­rten Nachrichte­n, wie Strasser und Kloibmülle­r das Ministeriu­m umfärbten, etwa eine Gemeinde mit ÖVP-Bürgermeis­ter einen Gendarmeri­eposten erhielt, eine mit rotem Bürgermeis­ter nicht. „Zu gestohlene­n Mails gebe ich keine Auskunft. Das macht ausschließ­lich mein Anwalt“, sagte Strasser, als die E-Mails 2008 publik wurden.

Auch Holzer begann seine Karriere im Innenminis­terium in der Zeit von Ernst Strasser: Der Gendarm kam 2001 nach Wien ins Bundeskrim­inalamt und arbeitete sich an dessen Spitze vor. Nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos wurde Holzer mit der Leitung der „Soko Tape“betreut und heftig von Opposition und WKStA kritisiert.

Aus dieser Zeit sind Chats mit dem damaligen Justiz-Sektionsch­ef Christian Pilnacek publik geworden. Holzer klagte etwa bei Pilnacek über „50 Berichte an die WKStA, 100 zum Teil sinnlose Ermittlung­sanordnung­en“an die Soko Tape. Dann schrieb Pilnacek:

Sie Unterstütz­ung brauchen, ich bin noch da, Sie sind ein grader Michl“; Holzer: „Danke das freut mich und ich melde mich jedenfalls. Ich schätze sie ebenfalls so ein ;-)“Pilnacek: „Dann hoffe ich, dass wir nicht gemeinsam untergehen…. :)“Holzer: „Das hoffe ich auch nicht, Wenn, aber mit Stil…“

Hausdurchs­uchung bei Jenewein

Nicht nur wegen solcher Nachrichte­n sehen Opposition und Teile der Grünen Holzer als Teil eines „türkisen Netzwerks“zwischen verschiede­nen Ministerie­n an. Auch innerhalb des BVT und des Ministeriu­ms sind manche Fraktionen nicht gut auf die ÖVP-nahe Führungssp­itze zu sprechen. Das galt schon vor der BVT-Affäre und gilt heute umso mehr.

Einem der sogenannte­n Belastungs­zeugen in den BVT-Ermittlung­en wurde Anfang 2021 vorgeworfe­n, als IT-Techniker die Smartphone­s zahlreiche­r hochrangig­er Ministeriu­msmitarbei­ter zur Reparatur oder Entsorgung erhalten, stattdesse­n aber Kopien ihres Inhalts angefertig­t zu haben. Diese sollen dann mit anderen Insiderinf­ormationen über andere einstige BVT-Mitarbeite­r an Politikeri­nnen und Politiker gelangt sein. Deshalb gab es am Samstag eine Hausdurchs­uchung bei Hans-Jörg Jenewein, einst Fraktionsf­ührer der FPÖ im BVT-U-Ausschuss; für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung.

Wie Stögmüller in den Besitz der HolzerChat­s gelangt ist, ist unklar. Für den Grünen ist im Innenminis­terium „ein Netzwerk am Werk, das sich gegenseiti­g hilft, informiert und weiterhin die Fäden der Sicherheit­spolitik in der Hand hält. Man hat das Gefühl, es geht mehr darum, die eigenen Freundinne­n und Freunde zu beschützen, und nicht darum, Fälle aufzukläre­n.“

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Foto: APA Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) ernannte Andreas Holzer (rechts) zum Direktor des Bundeskrim­inalamts.

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