Der Standard

Störenfrie­d im grünen Bullerbü

Es gehe nicht um seine Karriere, versichert FDP-Chef Christian Lindner im Wahlkampf. Vielmehr solle man FDP wählen, um drohende Verbote durch die Grünen zu verhindern und die Linke aus der nächsten Regierung zu sperren.

- REPORTAGE: Birgit Baumann aus Hamburg

Die Elbe in Hamburg hat an diesem sonnigen Frühherbst­tag ein bisschen Ähnlichkei­t mit der FDP. Ruhig umspült das Wasser die Hafencity. An der Spitze der Elbphilhar­monie glitzert es – zumindest mit dem richtigen Blickwinke­l – fast golden. Aber man weiß natürlich nie, wann der nächste heftige Sturm kommt.

Auch Christian Lindner, den die Wahlkampft­our in die Hansestadt führte, ist die Ruhe selbst. „Für viele Menschen ist er persönlich der Grund, warum sie in der FDP sind“– so hat ihn sein Vorredner angekündig­t.

„Das ist echt eine Motivation“, freut sich Lindner über die vielen Menschen, die wie in einem Amphitheat­er auf den Stufen sitzen, obwohl es ein Werktag und mitten am Nachmittag ist. Der Parteichef und Spitzenkan­didat leitet daraus ab: „Auch am 26. September ist mit der FDP zu rechnen.“

Kurz schwärmt er über die prächtige Kulisse, die Elbe mit Schiffen und Kranen. Es gibt schlechter­e Termine, räumt Lindner ein. Etwa wenn die FDP in ein Hotel lädt. Und dann kommt – wie bestellt – auch noch ein lautes Signal von einem Schiff, just als Lindner die hohen Steuern und Sozialabga­ben in Deutschlan­d kritisiert, die jene hemmten, „die es noch zu etwas bringen wollen“. Lindner lacht und ruft: „Das war der richtige Tusch!“

Zehn Tage vor der Wahl läuft es nicht schlecht für ihn – einerseits. 10,7 Prozent hat die FDP 2017 beim Wiedereinz­ug in den Bundestag geschafft. Derzeit sehen die Umfragen höhere Werte für die Partei, bei jüngsten Befragunge­n kommt sie auf 13 Prozent.

Und während einige von Lindners politische­n Gegnern im Wahlkampf schwer zu kämpfen haben, lief es bei ihm lange Zeit vergleichs­weise reibungslo­s.

Doch anderersei­ts: Lindner muss um seinen bevorzugte­n Koalitions­partner bangen. Am liebsten würde er den Juniorpart­ner für Armin Laschet und die Union machen. Und wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, dann muss man eben die Grünen ins Boot holen.

Er sei sich sicher, dass Laschet Kanzler werde, hat Lindner noch bis vor einigen Wochen überzeugt verkündet. Jetzt ist er vorsichtig geworden. Denn es ist äußerst fraglich, ob Laschet nach dem 26. September imstande sein werde, ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen

und FDP zu schmieden. Er habe nach wie vor „solide Koalitions­optionen“, so heißt das jetzt bei Lindner, wenn er vom Unionskanz­lerkandida­ten spricht.

Doch das tut er gar nicht oft. Lieber knöpft er sich die Grünen vor. Mit deren Chef, Robert Habeck, gibt es nicht nur einen politische­n Wettbewerb. Oft geht es auch darum: Wer ist smarter, charismati­scher, schlagfert­iger?

Am Elbufer ist es Lindner. Die dunkle schwarze Bühne hat er gar nicht betreten, er steht lieber mitten auf dem Platz, die Ärmel seines weißen Hemds sind hochgekrem­pelt. So flüssig und frei er sonst spricht, seine Stimme wird plötzlich stockend und ein bisschen weinerlich. Das ist gewollt, denn er ahmt Habeck nach.

Robert Habeck wird verspottet

Der sage nämlich, das Wort „Schuldenbr­emse“sei ein Problem, weil da „das Wort Schuld drinnenste­ckt und man sich dann moralisch schlecht fühlt“, ätzt Lindner und höhnt: „Als Begriffskl­empner ist mir Robert Habeck weit überlegen.“Er, Lindner, aber wisse im Gegensatz zu Habeck: „Wer dauerhaft rote Zahlen schreibt, wird nie auf einen grünen Zweig kommen.“

Das Publikum lacht und kommt auch gern mit nach Bullerbü, das kleine schwedisch­e Musterdorf von Astrid Lindgren. Das wollten die Grünen als „Leitbild, wo man im Einklang mit der Natur lebt“, versichert Lindner und erinnert daran, dass die Grünen eine Subvention für Lastenräde­r fordern. „Ich kann mich nicht erinnern, wovon die in Bullerbü eigentlich leben“, ätzt er und nimmt sich nun Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock vor.

Genüsslich beschreibt er, wie diese als grüne Kanzlerin in aller Welt Verzicht predigen würde, in China, in Indien, in Afrika. Und dann würde man ihr in Afrika antworten: „Auf welchen Wohlstand sollen wir verzichten, wir haben ja keinen.“

Es ist Lindner deutlich anzumerken, für wie naiv er die Grünen hält. Niemand werde ihnen folgen, Deutschlan­d dürfe der Welt nicht „Bullerbü“predigen, sondern müsse sich als „Technologi­e-Weltmeiste­r mit Klimaschut­z“empfehlen. Mit Verboten zu drohen, wie beim Verbrennun­gsmotor und den Inlandsflü­gen sei der falsche Weg.

Auch wenn sich vieles ändern müsse und ändern werde, das Ziel jeder demokratis­chen Politik müsse immer Würde und Freiheit des einzelnen Menschen bleiben, meint Linder und setzt noch dezidiert nach: „Das wollen wir dem grünen Milieu sagen.“

Allerdings endet die Freiheit des Einzelnen bei der Linksparte­i, findet Lindner, formuliert das aber ein bisschen anders. Die Linke wolle Enteignung­en, einen 75-prozentige­n Steuersatz für Vermögende und schaffe es nicht „einmütig und klar, die DDR einen Unrechtsst­aat“zu nennen.

Für Lindner ist klar: „Sie darf nie die Macht in unserem Staat haben.“Weil SPD und Grüne mit der Linken flirten würden, zudem „das Land nach links führen wollen“und die Union so schwächle, bleibe also nichts anderes übrig, als FDP zu wählen.

„Es geht um Ihr Land, es geht nicht um die Karriere von Christian Lindner“, sagt Christian Lindner zum Schluss. Dass die Wählerinne­n und Wähler damit auch eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP bekommen könnten, spricht er allerdings lieber nicht an.

 ??  ?? FDP-Chef Christian Lindner wollte 2017 noch nicht mitregiere­n und ließ die Jamaika-Verhandlun­gen mit Union und Grünen platzen. Jetzt ist er bereit, in eine Koalition zu gehen. Allerdings muss er sich Sorgen um seinen Lieblingsp­artner Armin Laschet machen.
FDP-Chef Christian Lindner wollte 2017 noch nicht mitregiere­n und ließ die Jamaika-Verhandlun­gen mit Union und Grünen platzen. Jetzt ist er bereit, in eine Koalition zu gehen. Allerdings muss er sich Sorgen um seinen Lieblingsp­artner Armin Laschet machen.
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Auch auf Wahlplakat­en macht die FDP deutlich, dass sie regieren will.

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