Norwegen entscheidet sich für links
Jonas Gahr Støre wird neuer Premierminister und löst damit Erna Solberg nach acht Jahren ab
Oslo – Es war ein klarer Sieg für die linke Politik in Norwegen: Jonas Gahr Støre konnte mit 26,4 Prozent der Stimmen seine Arbeiterpartei (AP) zur stärksten Kraft im Land machen. Auch seine bereits im Wahlkampf festgelegte Traumkoalition mit der Zentrumspartei (SP) und der Sozialistischen Linken (SV) geht sich aus. So weit, so gut.
Doch könnte das Basteln einer Koalition für den 61-jährigen Støre komplizierter werden als erhofft. Denn SP-Spitzenkandidat Trygve Slagsvold Vedum hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er am liebsten Teil eines Zweierbündnisses mit Støre wäre, denn die SV-Politik steht ihm nicht sehr zu Gesicht. Vor allem in Sachen Klima gehen die Meinungen zwischen den beiden Parteien auseinander. Die Zentrumspartei steht vor allem dafür, dass die Regionen mehr Kompetenz erhalten – und somit etwa auch für den Ausbau des Straßennetzes. Und die Sozialistische Linke setzt klar auf einen größeren Fokus auf den öffentlichen Verkehr. Ebenso wollen sie aufhören, Öl und Gas zu fördern. AP und SP wollen weitermachen.
Auf jeden Fall will Wahlsieger Støre mit beiden Parteivertretern sprechen und sich mit ihnen an einen Verhandlungstisch setzen. Für die Bildung einer neuen Regierung will sich der designierte Premier Zeit lassen – notfalls auch über den üblichen Monat hinaus. In Norwegen wird normalerweise Mitte Oktober das neue Kabinett präsentiert.
König informiert
Die große Wahlverliererin des Abends war Amtsinhaberin Erna Solberg. Die Parteichefin der konservativen Høyre wurde nach acht Jahren als Premierministerin abgewählt. Und das deutlich, denn mit nur 20,5 Prozent der Stimmen und somit einem Verlust von 4,6 Prozent im Gegensatz zur letzten Wahl verlor ihre Partei am meisten.
In einer Pressekonferenz am Dienstag sagte Solberg, dass sie bereits König Harald V. über den Machtwechsel informiert habe und ihren Rücktritt einreichen werde, sobald eine neue Regierung arbeitsfähig ist. Bis dahin werde ihr Kabinett weiterregieren, aber keine
Entscheidungen über „kontroverse Themen“treffen, wie sie sagt.
Das dominierende Thema in der letzten Runde des Wahlkampfs war der UN-Klimabericht und wie die Parteien dem Klimawandel begegnen. Eigentlich hätten vor allem die Grünen (MDG) profitieren sollen. Doch am Wahlabend zeigte sich, dass sie ihr Potenzial nicht ausschöpfen konnten. Obwohl es in den Umfragen besser ausgesehen hatte, kreuzelten nur 3,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler sie an. Damit fehlen ihnen rund 5000 Stimmen auf die in Norwegen so wichtige Vier-Prozent-Hürde. Schafft es eine Partei darüber, nimmt sie am Kampf um 19 Ausgleichsmandate teil. Jeweils eines wird dann pro Wahlkreis in einem komplizierten Verfahren einer Partei zugeteilt.
Vor allem im ländlichen Raum schafften es die Grünen nicht, zu überzeugen. Mehr als 40 Prozent ihrer Stimmen erhielten sie aus den drei größten Städten Oslo, Bergen und Trondheim. Besonders die Forderung, dass Norwegen sofort aufhört, nach neuen Öl- und Gasfeldern zu suchen, und bis 2035 überhaupt aus dem Geschäft aussteigen soll, hat laut Analysten verschreckt.
Große Verlierer sind auch die Christdemokraten (KrF). Die ehemaligen Koalitionspartner Solbergs erreichen mit 3,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit Ende des Zweiten Weltkriegs. (bbl)