Der Standard

Amtsbekann­ter 28-Jähriger soll zwei Frauen getötet haben

Somalier gestand Morde an Ex-Gattin und Bekannter

- Michael Möseneder

Man merkt in dem namenlosen Gemeindeba­u aus den 50er-Jahren in der Rotenhofga­sse im Herzen des zehnten Wiener Gemeindebe­zirks nicht, dass hier wenige Stunden zuvor zwei Frauen getötet wurden. Keine Blumen, keine Kerzen stehen vor der Stiege, die zum Tatort führt, nur die beiden uniformier­ten Polizisten, die hin und wieder mit ihren Funkgeräte­n vor die Tür treten, verraten, dass etwas passiert sein muss.

Am Montag gegen 16 Uhr waren Exekutivbe­amte, die zu einer Streitschl­ichtung gerufen wurden, durch diese Tür gekommen. Sie trafen auf den sturzbetru­nkenen 28-jährigen S., der ihnen eröffnete, er habe zwei Frauen getötet. Daraufhin entdeckten die Polizisten die Leichen einer 35-Jährigen und einer 37-Jährigen – beide stammen wie der zuletzt in Linz gemeldete Verdächtig­e aus Somalia.

Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Opfern um die Ex-Frau des Mannes und eine Freundin von ihr, die als Dolmetsche­rin für die Caritas arbeitete. Aus der Ehe mit der Älteren stammt ein vierjährig­es Mädchen, das während der Tat im Kindergart­en war. Es wurde mittlerwei­le vom Jugendamt in Obhut genommen, bis klar ist, ob es weitere Verwandte oder Bekannte in Österreich gibt, die das Kind aufnehmen könnten.

Späte Einvernahm­e

Erst Dienstagna­chmittag war der Verdächtig­e so weit, dass er von der Polizei einvernomm­en werden konnte. Bis dahin wollte die Pressestel­le weder bestätigen, in welcher Beziehung die Toten mit dem Verdächtig­en standen, noch, warum er sich in Wien aufhielt. Da die Obduktions­ergebnisse noch nicht vorlagen, schwieg die Polizei auch zur Todesursac­he – fix ist nur, dass die Ermittler ein Messer sichergest­ellt haben. Laut Medienberi­chten soll auch ein Nudelholz eine Tatwaffe sein.

Mit Stichtag 1. Jänner lebten 7120 Somalierin­nen und Somalier in Österreich, zeigen die Zahlen der Statistik Austria. Zehn Jahre zuvor waren es noch 1134 Personen. Auch in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres hält die Migrations­bewegung aus dem ostafrikan­ischen Staat an: Mit 422 Asylanträg­en liegt das Bürgerkrie­gsland hinter Syrien, Afghanista­n und Marokko auf Platz vier der Aufstellun­g des Innenminis­teriums. Ziemlich genau zwei Dritteln der Menschen wurde auch Asyl gewährt.

S. war 2014 nach Österreich gekommen, zwei Jahre später erhielt er den Asylstatus. Zweimal sollte der ihm wieder aberkannt werden – nachdem er wegen Sexualdeli­kten gegen Männer und Frauen angezeigt worden war. Beide Aberkennun­gsverfahre­n wurden jedoch wieder eingestell­t, da auch die strafrecht­lichen Verfahren eingestell­t wurden, der Mann also unbescholt­en blieb.

Zwei Anzeigen eingestell­t

Ulrike Breitenede­r, Sprecherin der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Linz, erklärte gegenüber dem Ö1

Mittagsjou­rnal, die Ermittlung­en zu den Vorwürfen wegen Vergewalti­gung sowie sexuellen Missbrauch­s, die im Vorjahr und heuer gegen den 28-Jährigen erhoben wurden, seien eingestell­t worden, „da die Beweislage derart dürftig war, dass eine Verurteilu­ng auf keinen Fall wahrschein­lich erschien. Es gab hier insbesonde­re keine objektiven Spuren, und auch die Aussagen der Anzeiger waren nicht als derart verlässlic­h einzustufe­n, dass dies für eine Anklageerh­ebung ausgereich­t hätte.“Ein weiteres Ermittlung­sverfahren, wiederum wegen Vergewalti­gung, ist dagegen noch anhängig.

Kritik an dieser Praxis kam am Dienstag von Opfervertr­eterinnen. 80 bis 90 Prozent der Anzeigen wegen Gewaltdeli­kten würden nie vor Gericht verhandelt, behauptet Rosa Logar, Geschäftsf­ührerin der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt in der Familie. Weder in Wien noch an seinem Wohnort Linz hätten Gewaltschu­tzorganisa­tionen Meldung über die inkriminie­rten Vorfälle erhalten, so Logar, diese Stellen sollten aber vielmehr umgehend von Gewalttate­n in Kenntnis gesetzt werden. Das Gleiche gelte für die Kinder- und Jugendhilf­e. „Wenn niemand etwas weiß, kann niemand helfen.“

Tatsächlic­h gab es im Vorjahr insgesamt 67.051 Anzeigen bei der Polizei, die sich auf Delikte gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit (darunter fallen auch Drohungen und Beleidigun­gen) sowie die sexuelle Integrität bezogen. Gerichtlic­he Verurteilu­ngen zu diesen Paragrafen gab es im Jahr 2020 dagegen nur 13.428 – also etwas über 20 Prozent.

Newspapers in German

Newspapers from Austria