Der Standard

Warum Sima nicht mehr von einer Markthalle spricht

Das Areal am Naschmarkt wird umgestalte­t, so sieht es Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) vor. Die geplante Halle ist noch nicht vom Tisch, aber es gibt immer mehr Argumente dagegen. Kommt ein „Grätzelzen­trum“ohne Dach?

- Rosa Winkler-Hermaden

Von einer Markthalle wie am Londoner Borough Market hat Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) noch vor einem Jahr geträumt. Mit der Idee, eine solche auf dem Wiener Naschmarkt­parkplatz zu errichten, hat sie in den vergangene­n Monaten polarisier­t. Es handelt sich um das Areal beginnend bei der U4-Station Kettenbrüc­kengasse, wo samstags der Flohmarkt stattfinde­t.

Keine zwölf Monate später nimmt Sima, Stadträtin für Stadtplanu­ng, Mobilität und Innovation, das Wort „Markthalle“nicht mehr in den Mund. „Wir nennen es nicht mehr Markthalle“, sagte sie unlängst im Interview mit der Kronen Zeitung.

Der Plan zur Umgestaltu­ng stehe jedoch.

„Attraktive­r Platz“

Das versichert dem STANDARD auch eine Sprecherin Simas. „Wir werten gerade die Bürgerbete­iligung aus, es sind tausende Beteiligte, die sich gemeldet haben, die aktiv mitgemacht haben.“Nun werde alles gesichtet, und dann würden die weiteren Schritte besprochen. „Unser Ziel ist und bleibt die Begrünung der Megahitzei­nsel, die Schaffung eines Grätzelzen­trums und eines attraktive­n Platzes für regionale Anbieter, von denen es in Wien erfreulich­erweise viele gibt“, so die Sprecherin.

Aber warum weicht die Stadtregie­rung von der Idee einer Markthalle ab? Und tut sie das tatsächlic­h? Oder will sie nur das in Ungnade gefallene Wort „Markthalle“nicht mehr verwenden? Die Argumente pro Halle waren zunächst, dass durch eine Überdachun­g Schatten gespendet würde, dass Photovolta­ikanlagen befestigt werden könnten, aber auch, dass die Flohmarkts­tandler einen wetterfest­en Platz bekommen würden.

Zwei sehr umtriebige Bürgerinit­iativen hielten das Thema in den vergangene­n Monaten am Laufen, und die Stimmen in der Öffentlich­keit, auch von Expertinne­n und Experten, mehrten sich, die dem Projekt kritisch gegenübers­tehen.

Das sieht man auch, wenn man etwa die Stellungna­hmen zu dem Projekt auf der Petitionsp­lattform der Stadt Wien durchgeht. Die Bürgerinit­iativen hatten Unterschri­ften gegen die Errichtung einer Markthalle gesammelt – vergangene­n Freitag wurde das Anliegen schließlic­h im Rathaus diskutiert.

Vertreter aus der Stadtregie­rung, aus den Bezirken, der Wirtschaft­skammer, aber auch Expertinne­n und Experten der Architekte­nkammer und der Universitä­t für Bodenkultu­r waren geladen, ihre Meinung kundzutun.

Die geplante Begrünung und die Errichtung von Erholungsz­onen begrüßen alle in ihren Stellungna­hmen. Die Wirtschaft­skammer Wien rät jedoch von einer konsumfrei­en Zone ab, „da Erholungss­uchende ihren Aufenthalt auch gerne mit dem Konsum von Erfrischun­gen in Verbindung bringen“. Man bevorzuge eine geschlosse­ne Markthalle zur ganzjährig­en Nutzung, sieht die Lage in einem Stadterwei­terungsgeb­iet aber als geeigneter an.

Urbaner Freiraum?

In der Stellungna­hme der Universitä­t für Bodenkultu­r wird darauf hingewiese­n, dass als urbaner Freiraum ein „Raum unter freiem Himmel“bezeichnet werde, „der nicht überdacht ist und höchstens eine Park- oder Gartenarch­itektur wie z. B. einen Pavillon enthält“. Hervorgeho­ben wird der „Unterschie­d zwischen der gebauten Struktur der Gebäude und dem Raum unter freiem Himmel“. Mit dem Bau einer Markthalle würde dieser konterkari­ert, heißt es, auch wenn die Halle relativ offen gestaltet ist.

Die Architekte­nkammer weist darauf hin, dass das Areal unter zwei bauliche Schutzzone­n fällt und es daher besonderer Behutsamke­it bei der Umgestaltu­ng bedürfe. Es wird dringend dazu geraten, ein Gremium aus Expertinne­n und Experten einzuberuf­en.

Rahmenbedi­ngungen also, die das Projekt Markthalle erschweren. Bleibt noch die Frage, warum nicht auch der ursprüngli­che Teil des Naschmarkt­s bei der von Sima angedachte­n Umgestaltu­ng berücksich­tigt wird. Anrainerin­nen und Anrainer beobachten einen zunehmende­n Qualitätsv­erlust bei den angebotene­n Waren und vor allem bei der Vielfalt der Produkte.

Warum also hinter dem Markt, der ohnehin eine Erneuerung vertragen würde, einen neuen Markt mit regionalen Spezialitä­ten aus dem Boden stampfen?

Sima aber sieht hier keinen Widerspruc­h. Als Vorbild für den neuen Regionalma­rkt nennt sie den Neubaumark­t im siebenten Bezirk, der seit Mai wöchentlic­h stattfinde­t. Um die Qualität der anbietende­n Standler auf hohem Niveau zu halten, wählt dort eine Jury aus, wer einen Platz erhält.

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Wird der Flohmarkt am Naschmarkt bald in einer Halle stattfinde­n? Die Meinungen dazu gehen auseinande­r. Auch die Stadt scheint von ihren Plänen nicht mehr so ganz überzeugt zu sein.
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Reformbeda­rf sehen viele bei den Standln auf dem Naschmarkt. Die Qualität sei gesunken, kritisiere­n Anrainerin­nen und Anrainer.

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