Zwischen Bankräuberbande und Umweltanwältin
Die Umweltorganisation Greenpeace wird 50 und will die Zukunft dem Klimawandel und der Artenvielfalt widmen
Das Geburtsdatum von Ideen und Bewegungen ist ungleich schwerer als jenes von Menschen festzulegen. Wenn Greenpeace heute, pünktlich am 15. September, ein halbes Jahrhundert Bestehen zelebriert und weltweit Gratulationsbekundungen eintrudeln sowie verschiedene Medien beinahe orchestriert die spannendsten Aktionen und Anekdoten platzieren, wirkt alles hochgradig koordinierter und professioneller, als es die teils chaotischen ersten Schritte der heute größten Umweltorganisation der Welt damals vermuten ließen.
Greenpeace war nie die Idee einer oder eines Einzelnen. Es war vielmehr die überfällige Umwandlung einer Grundstimmung in „direkte, gewaltfreie Aktionen“zum „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur und die Gerechtigkeit für alle Lebewesen“, wie sich Greenpeace selbst sieht. Entstanden aus einem Mischmasch aus verschiedenen Friedens- und Ökologieströmungen in den späten 1960ern und frühen 1970ern, sind es die Bilder von kleinen Schlauchbooten, die sich großen Wahlkuttern entgegenstellten, oder wagemutigen „Kletterern“die von Kraftwerkskühltürmen hingen, die sich in die Gedächtnisse der Menschen einprägten. In den kommenden Jahren werde der Fokus neben dem Klimavor allem dem Artenschutz gelten, betont Greenpeace-Programmdirektorin Sophie Lampl im STANDARDGespräch.
60.000 Arten gehen jährlich verloren. Das ist die prekäre Zukunft. Die Vergangenheit prägte etwa jene berühmte, zunächst gescheiterte Aktion zur Verhinderung eines USAtombombentests vor der Küste Alaskas im Jahr 1971. Sie gilt vielen als Gründungsmoment von Greenpeace, während andere diesen im Benefizkonzert ein Jahr zuvor, welches den Bootstrip überhaupt erst finanzieren sollte, verorten. Wieder andere sehen in der einzig erfolgreichen Verhinderung eines Autobahnprojekts in einer nordamerikanischen Großstadt zu jener Zeit – Vancouvers berühmte Beachfront sollte 1971 einer Blechlawine weichen – die Geburtsstunde der Umweltorganisation. Jedenfalls seien da alle wichtigen späteren Mitglieder dabei gewesen, heißt es heute. Zumindest für die österreichische Sparte von Greenpeace, die gemeinsam mit anderen Aktivisten gerade gegen den Lobautunnel mobilmacht, kommen da unweigerlich Parallelen auf.
Anwältin der Umwelt
Die Autobahn in Vancouver wurde jedenfalls nicht gebaut, was den Aktivisten zeigte, dass Umweltproteste wirksam sein können und echter Wandel möglich ist. Einige Personen aus der Gründungszeit sollten sich später von der Organisation lossagen, teils wegen Kritik an zu radikalen Aktionen oder weil es angeblich an Kompromissbereitschaft fehle. Andere wollten hingegen noch radikalere Formen des Protests verfolgen. Bei Greenpeace zu sein sei ein bisschen so, wie einer Bankräuberbande anzugehören, auf die deine Mutter dennoch stolz sein könnte, sagte der britische Greenpeace-Aktivist Martin Porter kürzlich in einem Podcast.
Lampl wählt eine etwas diplomatischere Bezeichnung und sieht die Organisation als „Anwältin der Umwelt“. Darin sei auch der Unterschied zu modernen, teils flexibleren Umweltorganisationen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion begründet. Durch die gewachsenen Strukturen könne man seine Ziele auch anders durchsetzen – etwa mit Klimaklagen.
Das kreative Überraschungselement, die Mindbombs, mit denen Greenpeace seit jeher für Aufmerksamkeit zu sorgen vermochte, will man beibehalten. 50 Jahre nach seiner Gründung sind aber auch noch die ersten von Greenpeace plakatierten Plakate aktuell. „Ökologie? Schau es dir an. Auch dich geht es etwas an!“