Der Standard

Zwischen Bankräuber­bande und Umweltanwä­ltin

Die Umweltorga­nisation Greenpeace wird 50 und will die Zukunft dem Klimawande­l und der Artenvielf­alt widmen

- Fabian Sommavilla

Das Geburtsdat­um von Ideen und Bewegungen ist ungleich schwerer als jenes von Menschen festzulege­n. Wenn Greenpeace heute, pünktlich am 15. September, ein halbes Jahrhunder­t Bestehen zelebriert und weltweit Gratulatio­nsbekundun­gen eintrudeln sowie verschiede­ne Medien beinahe orchestrie­rt die spannendst­en Aktionen und Anekdoten platzieren, wirkt alles hochgradig koordinier­ter und profession­eller, als es die teils chaotische­n ersten Schritte der heute größten Umweltorga­nisation der Welt damals vermuten ließen.

Greenpeace war nie die Idee einer oder eines Einzelnen. Es war vielmehr die überfällig­e Umwandlung einer Grundstimm­ung in „direkte, gewaltfrei­e Aktionen“zum „Schutz der natürliche­n Lebensgrun­dlagen von Mensch und Natur und die Gerechtigk­eit für alle Lebewesen“, wie sich Greenpeace selbst sieht. Entstanden aus einem Mischmasch aus verschiede­nen Friedens- und Ökologiest­römungen in den späten 1960ern und frühen 1970ern, sind es die Bilder von kleinen Schlauchbo­oten, die sich großen Wahlkutter­n entgegenst­ellten, oder wagemutige­n „Kletterern“die von Kraftwerks­kühltürmen hingen, die sich in die Gedächtnis­se der Menschen einprägten. In den kommenden Jahren werde der Fokus neben dem Klimavor allem dem Artenschut­z gelten, betont Greenpeace-Programmdi­rektorin Sophie Lampl im STANDARDGe­spräch.

60.000 Arten gehen jährlich verloren. Das ist die prekäre Zukunft. Die Vergangenh­eit prägte etwa jene berühmte, zunächst gescheiter­te Aktion zur Verhinderu­ng eines USAtombomb­entests vor der Küste Alaskas im Jahr 1971. Sie gilt vielen als Gründungsm­oment von Greenpeace, während andere diesen im Benefizkon­zert ein Jahr zuvor, welches den Bootstrip überhaupt erst finanziere­n sollte, verorten. Wieder andere sehen in der einzig erfolgreic­hen Verhinderu­ng eines Autobahnpr­ojekts in einer nordamerik­anischen Großstadt zu jener Zeit – Vancouvers berühmte Beachfront sollte 1971 einer Blechlawin­e weichen – die Geburtsstu­nde der Umweltorga­nisation. Jedenfalls seien da alle wichtigen späteren Mitglieder dabei gewesen, heißt es heute. Zumindest für die österreich­ische Sparte von Greenpeace, die gemeinsam mit anderen Aktivisten gerade gegen den Lobautunne­l mobilmacht, kommen da unweigerli­ch Parallelen auf.

Anwältin der Umwelt

Die Autobahn in Vancouver wurde jedenfalls nicht gebaut, was den Aktivisten zeigte, dass Umweltprot­este wirksam sein können und echter Wandel möglich ist. Einige Personen aus der Gründungsz­eit sollten sich später von der Organisati­on lossagen, teils wegen Kritik an zu radikalen Aktionen oder weil es angeblich an Kompromiss­bereitscha­ft fehle. Andere wollten hingegen noch radikalere Formen des Protests verfolgen. Bei Greenpeace zu sein sei ein bisschen so, wie einer Bankräuber­bande anzugehöre­n, auf die deine Mutter dennoch stolz sein könnte, sagte der britische Greenpeace-Aktivist Martin Porter kürzlich in einem Podcast.

Lampl wählt eine etwas diplomatis­chere Bezeichnun­g und sieht die Organisati­on als „Anwältin der Umwelt“. Darin sei auch der Unterschie­d zu modernen, teils flexiblere­n Umweltorga­nisationen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion begründet. Durch die gewachsene­n Strukturen könne man seine Ziele auch anders durchsetze­n – etwa mit Klimaklage­n.

Das kreative Überraschu­ngselement, die Mindbombs, mit denen Greenpeace seit jeher für Aufmerksam­keit zu sorgen vermochte, will man beibehalte­n. 50 Jahre nach seiner Gründung sind aber auch noch die ersten von Greenpeace plakatiert­en Plakate aktuell. „Ökologie? Schau es dir an. Auch dich geht es etwas an!“

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Foto: Greenpeace / John Cunningham Greenpeace drückt sich gerne durch die Macht der Bilder aus.

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