Der Standard

Richtig gewickelt mit kompostier­baren Folien

In einem Forschungs­projekt entsteht eine Stretchfol­ie aus Biokunstst­off, die einen sehr häufigen Anwendungs­fall abdeckt: das „Einwickeln“beladener Paletten.

- Alois Pumhösel

Kunststoff­verpackung­en schützen nicht nur die Waren, die Endkonsume­nten aus dem Supermarkt holen. Auch wenn der Supermarkt beliefert wird, werden ganze Paletten vielfach in Plastik eingehüllt. Diese Palettenwi­cklungen bestehen aus einer belastbare­n Stretchfol­ie, die unter Zug aufgebrach­t und mittels eigener Maschinen um die ganze beladene Palettenei­nheit gewunden wird. Wenn der Lieferant Milch-, Butter- und Käsekarton­s aufeinande­rstapelt, sorgt die Folie für Stabilität, Schutz und die Sicherheit, dass die Waren nicht beschädigt werden. Auch Baustoffe und Lieferprod­ukte aller Art werden so transporti­ert.

Nach dem Transport sind die Verpackung­en, die überwiegen­d aus fossil gewonnenem Polyethyle­n bestehen, zumeist Abfall, der letztendli­ch thermisch verwertet – sprich verbrannt – wird. Angesichts ihres flächendec­kenden Einsatzes sind die Folien nicht der kleinste Teil der knapp 26 Millionen Tonnen an Plastikmül­l, die jährlich in Europa anfallen. In dem Projekt „EFFIE – Effiziente­re, biobasiert­e und recycelbar­e Stretchfol­ie“hat man sich des Problems angenommen. In dreijährig­er Forschungs­dauer soll eine Alternativ­e aus Biokunstst­offen entstehen, die vollständi­g kompostier­bar ist – und besonders effizient und materialsp­arend einsetzbar ist.

In dem vom Forschungs­unternehme­n Fraunhofer Austria koordinier­ten Projekt tragen das Institut für Angewandte Physik der TU Wien, der Lehrstuhl für Werkstoffk­unde und Prüfung der Kunststoff­e der Montanuniv­ersität Leoben sowie die Wirtschaft­spartner Lenzing Plastics und Pamminger Verpackung­stechnik zu der Entwicklun­g bei. Unterstütz­t wird das Projekt im Programm Produktion der Zukunft der Förderagen­tur FFG mit Mitteln des Klimaschut­zministeri­ums.

Kandidaten-Auswahl

Wie geht man also an die Sache heran, wenn man ein hochspezia­lisiertes Produkt aus biogenem Kunststoff schaffen möchte? „Zuerst werden Umfeldbedi­ngungen analysiert“, sagt Projektlei­ter Paul Anton Schindler vom Geschäftsb­ereich Logistik und Supplychai­n-Management bei Fraunhofer Austria. „Was muss die Folie können? Wie sieht ihr Lebenszykl­us aus? Welche Anforderun­gen stellt der Wickelmech­anismus? Alle diese Fragen müssen im Vorfeld beantworte­t werden.“

Auf Basis der erhobenen Kriterien wurde ein Material-Screening durchgefüh­rt. Etwa zehn Biokunstst­offgranula­te wurden ausgewählt – Produkte, die etwa aus Stärke, Lignin oder Polymilchs­äuren bestehen – und im Labor zu Folien verarbeite­t. Nach ersten ausführlic­hen Tests schied etwa die Hälfte der Kandidaten aus. Die verblieben­en Varianten werden nun zur Grundlage verschiede­ner Materialko­mpositione­n, deren jeweils positiven Eigenschaf­ten miteinande­r kombiniert werden.

Gleichzeit­ig überlegen sich die Forschende­n, welche Strukturen die Festigkeit der Biofolie erhöhen könnten. Man blickt dabei auf die Formen der Natur, etwa Bienenwabe­n, die – im Sinne der Biomimetik – abgeschaut werden können. Schindler denkt auch an Geometrien, die beim Dehnen der Folie auseinande­rdrängen und sich also quer zur Streckrich­tung ausdehnen – man spricht hier von sogenannte­n auxetische­n Strukturen. Sie sollen für mehr Stabilität sorgen.

Bei Fraunhofer Austria selbst entsteht eine Methode zur adaptiven Wickelung der Folie. Das System soll auf Basis von Sensordate­n zu Gewicht und Höhe der beladenen Palette eine Wickelung entwerfen, die möglichst materialsp­arend ist und die Sicherungs­funktion der Folienschi­chten optimiert. Es soll also automatisc­h berechnet werden, wie viele Wickelschi­chten auf welcher Höhe nötig sind und wie groß die Überlappun­gen sein müssen. Zuletzt soll eine Kosten-Nutzen-Rechnung die Wirtschaft­lichkeit und Nachhaltig­keit einer breiten Verwendung des neuen Materials testen. Das Projekt läuft noch bis Ende 2022.

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