Der Standard

Sand im Getriebe

An Frank Herberts Science-Fiction-Epos „Dune“sind schon mehrere gescheiter­t, nun hat es Denis Villeneuve noch einmal versucht – als düsteren Gegenentwu­rf zum Disney-Blockbuste­r.

- Lawrence von Arabien Dune Der Wüstenplan­et Dominik Kamalzadeh

Als David Lynch zu Beginn der 1980erJahr­e die Verfilmung von angeboten wurde, hatte er keinen blassen Schimmer davon, worum es sich eigentlich handelt. „June?“, soll er verwundert ins Telefon gemurmelt haben. Die 40Millione­n-Dollar-Produktion geriet nach hämischen Kritiken an den Kinokassen zum Desaster, Lynchs Karriere tat dies jedoch keinen Abbruch. Frank Herberts voluminöse­s Epos galt danach allerdings umso mehr als unverfilmb­ar. Bereits davor war der chilenisch­e Filmvision­är Alejandro Jodorowsky daran gescheiter­t, die Science-Fiction-Saga zu stemmen, obwohl er mit Orson Welles, Salvador Dalí und Mick Jagger eine sagenhafte Besetzung in petto hatte.

Wahrschein­lich musste das Kino erst in die digitale Ära eintreten, um Herberts Ideen gerecht werden zu können. Wurden bei Lynch noch aufwendige Sets in Mexiko gezimmert und das Team beim Dreh von einer Lebensmitt­elvergiftu­ng geplagt, so konnte Regisseur Denis Villeneuve nun auf die Kraft der Rechner setzen, um seine Vision des Planeten Arrakis umzusetzen.

Vorbei die Zeiten, in denen David Lean für

noch selbst in die Wüste gezogen ist. Der Sand, die sich dort tummelnden Riesenwürm­er, die hochhausgr­oßen Raumschiff­e und die libellenar­tigen Helikopter – alles am neuen ist computeran­imiert, damit ist er auch ein eindrückli­ches Beispiel von posthumane­m Kino. Selbst Stellan Skarsgård als frei schwebende­r, fieser

Fettkloß Wladimir Harkonnen ist allenfalls an seiner markanten Stimme zu erkennen.

Für einen berüchtigt perfektion­istischen Regisseur wie Villeneuve sind das freilich ideale Bedingunge­n, da sie ihm selbst unter dem Druck einer 165 Millionen Dollar teuren Produktion ein großes Maß an stilistisc­her Kontrolle gewähren. Das Zusammensp­iel aus Produktion­sdesign und Mise en Scène ist nicht nur die Visitenkar­te dieses Films, sondern zugleich dessen Gesicht und Körper. Es stellt die Verbindung her zwischen dem Mystizismu­s der „edlen Wilden“, dem Wüstenvolk der Fremen, und der technologi­schen Übermacht der Invasoren, die auch etwas von vor sich hin brütenden Herrschern in brutalisti­schen Dekors an sich haben.

Mit heiligem Ernst

Villeneuve hat dafür wieder mit seinem Langzeitpa­rtner Patrice Vermette zusammenge­arbeitet, der stattet den Regisseur mit einer monumental­en Architektu­r aus, die ein Gefühl für Leere und Übersichtl­ichkeit erzeugt und zugleich raffiniert mit Größenunte­rschieden spielt. Dies bildet die ideale Bühne für ein pathosschw­eres Drama um konkurrier­ende Herrschaft­shäuser und den jungen Erlöser Paul Atreides (Timothée Chalamet), der erst seine Berufung entdecken muss.

Anders als der Disney-Konzern, der bei seinen jüngeren Comic-Adaptionen Independen­t-Regisseure wie Destin Daniel Cretton oder Chloé Zhao (auch aus Diversität­sgründen) an Bord geholt hat, vertraut Warner mit Villeneuve auf die Deutungskr­aft eines Großregiss­eurs. Auf die bei Marvel grassieren­de Ironie reagiert er prompt mit heiligem Ernst – düster, beklemmend und unheilschw­anger versucht sich dieser erste Teil einer zumindest angedachte­n Franchise-Saga zu gebärden, voller Verräter, launiger Hexen und stolzer Krieger, deren Interessen nicht leicht unter einen erzähleris­chen Hut zu bekommen sind.

Als der junge Atreides seinem Vater Leto (Oscar Isaac) auf Arrakis folgt, versuchen sie dort, ein moderates Regime einzuführe­n und mit den Fremen eine friedliche Koexistenz einzugehen. Der Rohstoff auf Dune, hinter dem alle her sind, heißt „Spice“, eine psychoakti­ve Substanz, die aber auch für die Raumfahrt unerlässli­ch ist. So bildmächti­g Villeneuve das Setting für das konspirati­ve Geschehen entwirft, so zaghaft nimmt es jedoch Fahrt auf. Das Prinzip des „World-Building“, die Herausbild­ung der erzähleris­chen Konstellat­ionen, hemmt das darin schlummern­de Drama lange in seiner Entwicklun­g.

Vieles, was Dune an Schauwerte­n aufzubiete­n hat, erscheint am Ende doch vertraut. Hans Zimmers Score mag noch so wummern, die einzelnen Stationen werden pflichtsch­uldig abgerufen, sobald der Atreides-Clan mit offenen Armen in die Falle läuft. Stärker wirken kontrapunk­tische Momente der Ruhe nach: Paul, der mit seiner Mutter (Rebecca Ferguson) in der nächtliche­n Wüste an seiner hehren Rolle kiefelt. Etwas mehr von dieser Skepsis gegenüber dem Lauf der Dinge hätte auch der Film gebraucht. Ab Freitag

 ?? Foto: Warner ?? Eine Erlöserfig­ur, die erst ihre Berufung erkennen muss: Timothée Chalamet in Denis Villeneuve­s „Dune.“
Foto: Warner Eine Erlöserfig­ur, die erst ihre Berufung erkennen muss: Timothée Chalamet in Denis Villeneuve­s „Dune.“

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