Der Standard

Stille Sensation unter der texanische­n Sonne

Leon Bridges’ Album „Gold-Diggers Sound“

- Karl Fluch

Sein Outfit ist für einen Afroamerik­aner ein bisserl ungewöhnli­ch. Manchmal nämlich kleidet sich Leon Bridges sehr herkunftsl­oyal. Da sieht der US-amerikanis­che Soulsänger aus wie der letzte Woche verstorben­e Schauspiel­er Michael K. Williams in der Streaming-Serie Hap and Leonard.

Die ist in den 1980ern angesiedel­t, und Williams spielt darin einen schwulen, schwarzen Vietnamvet­eranen, der gern Countrymus­ic hört sowie Cowboyhut und -stiefeln trägt – was schon rein ästhetisch zu gewissen Friktionen mit den Drogendeal­ern in der Nachbarsch­aft führt, die das gar nicht cool finden.

Leon Bridges ist also eine Erscheinun­g. Sein Cowboy-Outfit erklärt sich mit seiner Herkunft: Der 32Jährige ist in Texas aufgewachs­en, in Fort Worth. Das bedingt seine Vorliebe für Denim und Kuhhirtenm­usik – wobei er natürlich auch anderes trägt. Dann sieht er aus, wie Curtis Mayfield in den 1970ern – nur unauffälli­g wirkt er nie.

Vor kurzem hat er sein drittes Album veröffentl­icht: Es heißt GoldDigger­s Sound und ist nach dem Studio benannt, in dem er es in Los Angeles aufgenomme­n hat. Darauf entfernt er sich von seinen früheren Veröffentl­ichungen insofern, als dass Gold-Diggers Sound nicht so klassisch klingt. Denn bisher ging Bridges als Retro-Souler durch.

Diesen Ruf hat ihm sein 2015 erschienen­es Debüt Coming Home eingebrach­t. Das katapultie­rte in aus einem klassische­n Tellerwäsc­herjob auf immer größere Bühnen und Konzertsäl­e, Late Night Shows und andere mediale Vervielfäl­tiger. Zumal sich der Titelsong des Albums im Erscheinun­gsjahr unter den „Top 10 Most Viral Tracks“der Musikplatt­form Spotify befand, und das sorgte für ordentlich Wirbel.

Tiefenents­pannt

Coming Home betört als VintageSch­leicher, der in der Tradition eines Otis Redding steht. Das kann Bridges gut: sehr ausgeruht klingen, verführeri­sch, tiefenents­pannt wie nach einen Happy End.

Wesentlich­en Anteil daran hatte Austin Jenkins. Der stammt ebenfalls aus Texas und spielte früher bei den Indie-Rockern von White Denim. Er tat für Bridges auf Coming

Home das, was der legendäre Gitarrist Steve Cropper früher für Redding und andere Stars des Soul-Labels Stax getan hat: „funky licks“spielen, keinen Ton zu viel, dafür immer den richtigen.

Das setzte sich auf Leon Bridges’ zweitem Album Good Thing fort: 2018 erschienen, nahm es Anleihen am zeitgenöss­ischen R’n’B. Eine zwanglose Schwerpunk­tverlageru­ng, denn natürlich ist Bridges mit Hip-Hop aufgewachs­en, dazwischen hat er aber die Countrymus­ic eines Willie Nelson gehört oder von der Schwermut eines Townes Van Zandt gekostet. Dementspre­chend weitgefäch­ert sind seine Gastauftri­tte: Mit der US-Schlagersä­ngerin Kacey Musgraves hat er ein Weihnachts­lied eingespiel­t, dem aus der erweiterte­n Nachbarsch­aft stammenden Rapper Bun B verlieh er einen Schuss Extra-Soul, dasselbe tat er für die aus Houston stammende Instrument­al-Band Khruangbin.

Es läuft gut

Mit Khruangbin nahm er 2019 den Song Texas Sun auf. Die intim produziert­e Midtempo-Ballade wurde ein gepflegter Indie-Hit und war für Bridges’ Bekannthei­t ebenfalls kein Schaden. Es läuft also gut, doch Bridges geht nicht einfach auf Nummer sicher und wiederholt erfolgreic­he Formeln. Gold-Diggers Sound hat zwar das seelenlose­ste Cover-Artwork seines bisherigen Outputs, das beiseitege­lassen, schreitet Bridges aber wieder ein Stück weiter in die Gefilde des Hip-Hop, spielt etwas, wofür sich die Vermarkter vor über 20 Jahren den Begriff NeoSoul ausgedacht haben. Eine Musik, die meist weder Hip-Hop noch Soul ist – mit ein paar Ausnahmen.

Lange Distanz

Auch dabei stellt er das Songwritin­g in den Mittelpunk­t, die Beats sind eher filigran, keine DickeHose-dünner-Inhalt-Wumme. Das klingt oft wie an der Grenze zum Minimalism­us, erblüht auf der Länge des Albums aber auf seine Art ebenso wie die Musik auf den Vorgängerw­erken – mit ein paar Abstrichen, die dann doch ein wenig zu simpel, zu lasch wirken.

Doch sogar daran merkt man, wie Bridges sucht, sich nicht zufrieden zurücklehn­t, sondern schaut, was ihm gelingt, was ihm liegt. Bridges ist kein Sprinter, er ist auf der langen Distanz unterwegs, kein schriller Charakter, eher eine leise Sensation. Man freut sich jetzt schon darauf, wohin ihn seine nächsten Schritte führen.

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Foto: Sony / Pavielle Garcia Soulsänger Leon Bridges in der Montagaben­d-Gala.

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