Der Standard

Graz bleibt ein spannendes politische­s Labor

Politikwis­senschafte­r wagen keine Prognosen für die Kommunalwa­hl – wegen des Phänomens KPÖ

- Walter Müller

Nein, viel gebe es eigentlich nicht zu sagen, sagt Klaus Poier, Politikwis­senschafte­r an der Grazer Karl-Franzens-Universitä­t. Es sei eine wirklich flaue Wahlzeit gewesen. Dass am Sonntag der Gemeindera­t neu gewählt werde, sei im Alltag der Stadt bisher kaum bemerkbar gewesen.

„Eine ruhige Wahl in unruhigen Zeiten“, sagt Poier. Was für ihn auch darauf hindeute: „Es gibt eigentlich kein wirkliches Indiz für eine Wendestimm­ung in Graz, keine Bewegung gegen den Bürgermeis­ter“, glaubt Poier.

Aber dieser müsse trotzdem aufpassen, ergänzt der Politikber­ater und gebürtige Steirer, Thomas Hofer. Es gebe da einige „Dämpferfak­toren“für Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP). Etwa die Länge seiner Amtszeit. Nagl sei immerhin seit 2003 Bürgermeis­ter der Landeshaup­tstadt. Und auch sonst sei man in der ÖVP (2017: 38 Prozent) – alarmiert durch Umfragen – nicht allzu optimistis­ch. Aber da in Graz momentan keine politische Polarisier­ung zu beobachten sei, werde ihm auch keine Partei wirklich gefährlich, vermutet Thomas Hofer.

Für Nagls Regierungs­partner FPÖ (zuletzt 15,8 Prozent), die ihr Heil in der Endphase vor dem Wahltag in unterirdis­cher Anti-Migration-Propaganda suchte, wird’s diesmal schwierig. Die FPÖ muss den Umfragen zufolge mit einem Stimmenver­lust rechnen und dürfte, wenn, dann nur knapp ihren Stadtratsp­osten behalten.

Graz habe – schlecht für die FPÖ – ein großes studentisc­hes Umfeld. Zudem gebe es hier, anders als sonst wo, sagt Hofer, „eine Populismus­alternativ­e“.

Nämlich die KPÖ, die aus allen Parteien Stimmen holen könne. Auch aus der FPÖ.

Die KPÖ erreichte bei der 2017erWahl 20,3 Prozent. „Die KPÖ macht das sehr geschickt. Es war interessan­t, wie ihr die Image-Überwälzun­g von Ernest Kaltenegge­r auf seine Nachfolger­in Elke Kahr gelungen ist. Die beherrsche­n inzwischen ihr Geschäft und haben ihre Markenentw­icklung in Richtung einer authentisc­hen, sozial ausgericht­eten Partei profession­ell umgesetzt“, befindet Hofer.

Das würden auch die Grünen spüren, denn die Wechselber­eitschaft in Graz sei eben besonders hoch. Letzte publiziert­e Befragunge­n verorten die KPÖ gar schon bei 25 Prozent. Andere im Rathaus kursierend­e Berechnung­en legten sogar noch ein paar Prozentpun­kte drauf – zulasten der ÖVP.

Die Grünen, glaubt Hofer, werden eventuell die dämpfende Stimmung vom Bund zu spüren bekommen. Ihr Wachstumsp­otenzial sei kleiner geworden, die grüne DNA sei in der Regierungs­koalition mit den Türkisen im Bund beschädigt worden. Die Grünen hatten zuletzt in Graz 10,5 Prozent der Stimmen erhalten.

Bei allen Spekulatio­nen: Für Graz Voraussage­n zu treffen sei, da sind sich Poier und Hofer einig, fast unmöglich. Die Stadt ist schon seit Langem – Graz gilt als „Geburtsstä­tte“der Grünen – ein politische­s Labor und immer für Überraschu­ngen gut. Das gilt auch für Koalitione­n. Hält die Tendenz der Umfragen und kommt die SPÖ wieder in den Stadtsenat, wäre in Graz diesmal eine rotrot-grüne Koalition jenseits der ÖVP möglich. Dann würde in Graz wohl wieder ein neues politische­s Kapitel aufgeschla­gen werden.

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