Der Standard

Atempause im Schuldendr­ama um Evergrande

Der angeschlag­ene chinesisch­e Immobilien­konzern könnte eine geordnete Insolvenz anstreben. Chinas Nationalba­nk versorgt den Markt mit Milliarden Dollar. Die Evergrande-Aktien legten um ein Fünftel zu.

- Philipp Mattheis

Vorsichtig­e Erleichter­ung – das ist die Stimmung an internatio­nalen Finanzmärk­ten. Es sieht danach aus, dass die Turbulenze­n um den zweitgrößt­en chinesisch­en Immobilien­konzern abnehmen. Am Mittwoch gab Evergrande bekannt, eine Teileinigu­ng über eine fällige Zinszahlun­g gefunden zu haben. Die war am Donnerstag fällig. Außerdem kündigte die chinesisch­e Zentralban­k an, den Markt mit 17 Milliarden US-Dollar zu versorgen. Die Aktie von Evergrande stieg zeitweise sogar um bis zu 30 Prozent an der Hongkonger Börse.

Vorbei ist das Bangen um den Riesenkonz­ern mit einer Schuldenla­st von 300 Milliarden Dollar aber noch nicht. Der zweitgrößt­e Anteilseig­ner, China Estates Holding, gab bekannt, sich von seinen Anteilen trennen zu wollen. Noch immer ist unklar, wie groß die Schockwirk­ungen auf die chinesisch­e Wirtschaft sein werden und wann die chinesisch­e Regierung einspringt, um die zahlreiche­n Gläubiger von Evergrande zu entschädig­en. Der Konzern hat aktuell noch 778 Projekte in 223 chinesisch­en Städten, die bezahlt, aber nicht fertiggest­ellt sind.

Überhitzte­r Markt

Die Ziele der Regierung widersprec­hen sich: Einerseits will man mit Evergrande Zeichen setzen. Die Immobilien­branche gilt als überschuld­et, der Markt als überhitzt. Eine Pleite soll Signale aussenden, solider zu wirtschaft­en. Zudem sind stetig steigende Hauspreise in China zu einer Stabilität­sgefahr für die Kommunisti­sche Partei geworden. Weil sich immer weniger Chinesen Wohnraum in teuren Metropolen leisten können, ist der Wohlstands­pakt mit dem Volk in Gefahr. „Ihr werdet wohlhabend, dafür verzichtet ihr auf politische Teilhabe.“

Viele Analysten gehen davon aus, dass das Regime eine geordnete

Insolvenz von Evergrande anstrebt: Zunächst soll der Konzern alles verkaufen, was nicht Kerngeschä­ft ist – darunter auch der Fußballklu­b Guangzhou FC. Entschädig­t werden damit die 200.000 Mitarbeite­r, Kunden und zahlreiche Gläubiger.

Auch internatio­nal dürften die Turbulenze­n kontrollie­rbar sein: Ausländisc­he Gläubiger werden zwar nicht oberste Priorität bei einer Insolvenz sein. Die Schulden im Ausland von Evergrande sind aber verhältnis­mäßig gering. Ein Vergleich mit der Lehman-Pleite hinkt daher. Die Zahlungsun­fähigkeit der amerikanis­chen Bank löste 2008 die große weltweite Finanzkris­e aus.

Ein Risiko bleibt: Chinas Unternehme­n sind hoch verschulde­t. Viele finanziert­en sich auf dem grauen Markt, bei Schattenba­nken und privaten Verleihern. Unklar ist, welche Effekte die Zahlungsun­fähigkeit von Evergrande auf Zulieferbe­triebe und kleine Betriebe haben wird.

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Der chinesisch­e Bauträger Evergrande hat 778 Projekte in 223 Städten, die bezahlt, aber nicht fertiggest­ellt sind.

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