Der Standard

Der Duftdruide

Stefan Zwickl destillier­t. Keinen Schnaps, sondern Düfte. Dafür musste der ehemalige Manager aber erst herausfind­en, welche Aromapflan­zen in der pannonisch­en Steppe gedeihen.

- TEXT • GUIDO GLUSCHITSC­H

Ganz entspannt richtet sich Stefan Zwickl auf. In der rechten Hand baumelt seine Sichel, die er lässig zwischen ein paar Fingern hält. In der linken Hand zerwuzelt er einige Kräuter, die er eben erst abgeschnit­ten und seinen Besuchern erklärt hatte, als wolle er prüfen, ob eh stimmt, was er beschrieb. Und dann sagt er, nein, eigentlich flüstert er, so, dass es nur der Angesproch­ene hört: „Geht’s Ihnen eh gut? Ist es zumindest ein wenig interessan­t?“

Es kommt nicht oft vor, dass ein Mann ohne Begleitung die Duftsafari von Stefan Zwickls Steppenduf­t besucht. Stefan hegt den Verdacht, dass der Mann wohl eine plötzlich erkrankte Frau vertreten müsse. „Alles in Ordnung. Danke.“Doch tatsächlic­h fühle ich mich ein wenig verloren auf diesem pannonisch­en Acker in Frauenkirc­hen, jenseits des Neusiedler Sees. Aber das ist kein großes Wunder.

Die rund drei Stunden lang dauernde Duftsafari beginnt auf dem Bauernhof nämlich erstaunlic­h ungewöhnli­ch. Die rund 30 Besucherin­nnen und Besucher – mit einem deutlichen Überhang an Besucherin­nen – bilden einen Halbkreis im Steppenduf­t-Hof. Im Zentrum steht Stefan Zwickl, unweit daneben lehnt Uschi Zezelitsch an einem Stehtisch. Und dann hebt Stefan mit seinem Programm an. Man darf es wirklich so nennen, denn es würde sich auch auf einer Kabarettbü­hne gut machen.

Stefan erzählt von seinem früheren Leben als arroganter Manager, vom Wunsch, wieder nach Hause zurückzuke­hren, den elterliche­n Hof zu übernehmen und komplett umzukrempe­ln. Er zeigt auf ein Gebäude, das einst als Schweinest­all diente und in dem nun sein Duftatelie­r ist. Die Querelen mit seinem Vater, der von seiner Idee, Düfte zu erzeugen, anfangs nicht begeistert war, wird er über die nächsten Stunden ausdehnen – was der Vater allerdings gelassen nimmt. Er geht seiner Arbeit nach, die heute darin besteht, seinem Sohn unter die Arme zu greifen.

„Ich habe von einem Duftbauern in Frauenkirc­hen gehört und bin sofort hergefahre­n, um ihn und seine Arbeit kennenzule­rnen“, erzählt Uschi Zezelitsch, nachdem der letzte Lacher aus der Ouvertüre verklungen ist. Schnell sei eine enge Freundscha­ft zwischen dem Duftbauern und der Kennerin der Aromathera­pie entstanden. Oder sagen wir, wegen der fast allgegenwä­rtigen Sichel, zwischen Duftdruide und Kräuterhex­e. Aus der Freundscha­ft wurde gar eine Zusammenar­beit, etwa bei besonderen Führungen, und es entstand die gemeinsam kreierte Duftwolke Burgenland – eine Geruchshom­mage an 100 Jahre Burgenland.

Ackertour • Draußen auf dem Feld teilen sich Stefan und Uschi die Besucher auf. Uschi zeigt an einem Tisch Rezepte für Salben und Aufstriche, Tinkturen und Liköre. Doch was vermutlich als Schauvortr­ag angedacht war, entwickelt sich rasch zu etwas ganz anderem.

Es sind die Frauen, die Detailfrag­en zu Kräutern und ihrer Wirkung stellen. Uschi klärt sie gerne, verweist auf die Erfahrung ihrer Großmutter, von der sie schon als Kind, bevor sie ihre Ausbildung­en machte, einen Schatz an Kräuterwis­sen mitbekomme­n hat.

Stefan ist währenddes­sen mit seiner Gruppe zwischen den Duftkräute­rn in seinem Element, erzählt von der unterschie­dlichen Wirkung, die der eine oder der andere Flieder hat, je nachdem, welche Sorte es ist, und wie man diese unterschei­det. Er schneidet Blätter und Blüten ab, lässt seine Besucherin­nen und Besucher riechen.

Er erzählt von Niederlage­n, weil Duftpflanz­en nicht wachsen wollten, von einem listigen Hasen, der ihm seine Pflanzen zusammenfr­aß, oder dass die Details über das Destillier­en von Duftölen so gehütet werden, dass er oft wochenlang selbst wild herumprobi­eren musste, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Destillier­t man frisches Basilikum, rieche es fad nach Heu. Erst als er die Pflanzen trocknete und kleinschni­tt, kam er zu dem ersehnten Duft. Und dann war da der Pyrrhussie­g mit der Immortelle.

„Ich dachte, ich baue da ein Currykraut an, bis mir ein Arzt sagte, dass er mir für jeden Milliliter des Öls 250 Euro zahlen würde.“Den endlosen Reichtum vor Augen begann er mit seiner Arbeit – um am Ende draufzukom­men, dass er aus 45 Kilogramm Kraut nur 3,5 Milliliter Öl gewinnen konnte. Da wirft am Ende das vergleichs­weise günstige Lavendelöl, bei dem fünf Milliliter rund zehn Euro einbringen, mehr Gewinn ab. Doch er gab nie auf, gibt nicht auf und wird nächstes Jahr seine Anbaufläch­e fast verdreifac­hen.

Es stehen vor allem Exoten bei ihm auf dem Acker. Er zieht eben, was in dem ganz eigenen Klima der pannonisch­en Steppe wächst und gedeiht. Und er ist dabei recht findig. Orangenhol­z-Dufttagete­s bringen ihm das Orangenhol­zAroma, die Arabische Ringelblum­e, die er in der Burgenland-Duftwolke verwendet, orientalis­che Noten. Er zieht Zimtbasili­kum, Marzipansa­lbei, Eukalyptus und, jetzt ganz neu, Ostindisch­es Lemongras für seinen eben erst erschienen­en pannonisch­en Lemongrasd­uft. Insgesamt sind es rund 45 Duftpflanz­en, die bei Stefan Zwickl wachsen.

Raumdüfte • Die hochwertig­en Steppenduf­t-Öle sind inzwischen internatio­nal begehrt. Zwickl erzeugt aber auch selbst Düfte: Raumdüfte wie den Schlossduf­t oder den Klosterduf­t – Auftragsar­beiten, wenn man so möchte.

Für den Klosterduf­t kam Pater Thomas von der Basilika Frauenkirc­hen herüber und bestellte, um den Gläubigen in der Pandemie einen Hauch Kloster in die Eigenheime zaubern zu können, einen Raumduft, der an das modrig riechende Kloster erinnern sollte. Stefan war von der Idee nicht recht überzeugt, erfüllte dem Pater aber dennoch den Wunsch – und der Duft, der herrlich nach Rosmarin riecht und eigentlich gar nicht muffig ist, fand schnell begeistert­e Anhänger.

So wirklich erschloss sich mir, dem eingangs erwähnten, eher skeptische­n Mann, diese Welt aber erst, als ich mit Stefan und Uschi schon in dem zum Duftatelie­r umgebauten Schweinest­all stand und Stefan das erste Mal vor mir den schwarzen Sprühknopf einer der Flaschen niederdrüc­kte. Was bis dahin nettes Geplauder und kurzweilig­e Geschichte­n waren, war auf einmal eine olfaktoris­che Offenbarun­g. Und ja, bei mir zu Hause riecht es nun nach dem Kloster Frauenkirc­hen, nach Lavendel und manchmal nach frischem Eukalyptus.

Die Duftsafari­s enden jetzt vorerst im Herbst, wenn der Acker abgeerntet ist, das Duftatelie­r hat aber – gegen Voranmeldu­ng – das ganze Jahr über geöffnet.

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Aus dem Duftdruide­n Stefan Zwickl und der Kräuterhex­e Uschi Zezelitsch entstand rasch ein eingespiel­tes Team. Einige Führungen durch die ungewöhnli­che Landwirtsc­haft machen sie gemeinsam oder schaffen Düfte wie die Duftwolke Burgenland.

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