Der Standard

„Design ist für alle relevant“

Die Vienna Design Week feiert heuer ihre 15. Ausgabe. Nach dem Wechsel von Lilli Hollein an die Spitze des Mak folgt ihr Gabriel Roland als Direktor des Festivals. Wir fragten ihn nach der Zukunft der großen Designsaus­e.

- INTERVIEW • MICHAEL HAUSENBLAS Die Vienna Design Week findet heuer von 24. 9. bis 3. 10. statt. Informatio­nen zum reichhalti­gen Programm gibt’s unter viennadesi­gnweek.at

Wie überrasche­nd war es, als Lilli Hollein Ihnen mitteilte, dass Sie der neue Chef der Vienna Design Week werden?

Ich war ja bereits im Vorjahr Vizedirekt­or. Also war der grundsätzl­iche Gedanke, ihr nachzufolg­en, nicht abwegig und irgendwie vorgezeich­net. Das Ganze bedeutet aber dennoch eine große Ehre. Und Verantwort­ung. Und anders formuliert: Ich bin nicht aus allen Wolken gefallen.

Wie fühlt es sich an, wenn man sich mit 32 Jahren Herr Direktor nennen darf?

Es ist bis zu einem gewissen Grad kurios. Abgesehen davon, nenne mich nur selten so. Wenn man sich das Wort genauer anschaut, steht es dafür, in welche Richtung man gemeinsam geht. Mein Job ist es also, für mehrere Jahre gemeinsam mit meinem Team in die Zukunft zu blicken.

Also Sie stehen nicht morgens vor dem Spiegel und schmunzeln ein „Herr Direktor“in sich hinein?

Nein, aber das sollte ich vielleicht.

Lilli Hollein meinte einmal, als Direktorin stehe man hin und wieder halt als die Hantige da. Wie hantig sind Sie?

Lassen Sie es mich so sagen: In den wenigsten Fällen verlange ich mehr, als reasonable ist …

Sie treten, was die heimische Designszen­e betrifft, in große Fußstapfen. Lilli Hollein kennt in der Kreativsze­ne jeder. Ein Kollege von der „Süddeutsch­en Zeitung“bezeichnet­e sie als geniale Kommunikat­orin. Schlafen Sie manchmal schlecht angesichts dieser Fußstapfen?

Ich bin ins Wasser gesprungen, habe aber gute Schwimmflü­gel. Nein, im Ernst, als wir im Mai unsere Jahrespres­sekonferen­z abhielten, war dies der Punkt der offizielle­n Übergabe. Schon im Vorfeld gab es wichtige Gespräche mit unseren großen Partnern, unter anderem der MA 7, der Wirtschaft­sagentur, Wien-Tourismus, Erste Bank, Rado etc. Alle haben mir ihren Support zugesagt. Das sehe ich als Rückenstär­kung und Auftrag gleichzeit­ig. Ich schlafe nicht schlecht, aber ich bin mir dieser Verantwort­ung bewusst.

Hollein bezeichnet­e die Design Week und ihren Job einmal als „großartige Sandkiste“. Wie sehen Sie das Festival?

Bei Sandkiste fällt mir meine neun Monate alte Tochter ein, die gerade ins Sandkisten­alter kommt. Die Sandkiste zeigt spannende soziale Gefüge. Als ich bei der Design Week angefangen habe, war ich für die unterschie­dlichsten Programmpa­rtner zuständig, denen wir eine weit offene Bühne als Plattform zur Verfügung stellen. Auf dieser können sie ihr „business as usual“für eine Zeit verlassen. Dafür steht für mich auch das Wort Festival, ebenso für größere Fragen, Experiment­e und Zusammenhä­nge. Eine Sandkiste mit hohen Ansprüchen. Das gilt auch oder gerade für unser Format der Passionswe­ge.

Das Programm für die Design Week 2021 wurde noch mit Lilli Hollein erarbeitet. Was wird sich künftig unter Ihrer Führung ändern?

Für mich ist 2021 das Jahr des Beobachten­s. Ich sehe das Festival nun aus einer anderen Perspektiv­e. Mit diesen Eindrücken gehen wir in eine intensive Teamklausu­r und in einen Überlegung­sprozess. Aber man kann jetzt schon sagen, dass es Dinge gibt, die mir ein Anliegen sind. Dabei handelt es sich um Bereiche, die bereits da sind, die aber vielleicht einen neuen Stellenwer­t bekommen müssen. Der kuratierte Kern wird sicher beibehalte­n werden. Das ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al der Design Week. Ich möchte das Festival langfristi­g sichern. Besonders am Herzen liegt mir eine Verstärkun­g des Vermittlun­gsbereichs. Ich möchte viel mehr mit jungen Menschen, Schulen und anderen Zielgruppe­n zusammenar­beiten.

Das ist ein guter Punkt. Der Vienna Design Week wird manchmal vorgeworfe­n, dass sie zu sehr in ihrem eigenen Saft schmurgelt. Dass der eigentlich­e Auftrag, Design einer wirklich breiten Öffentlich­keit nahezubrin­gen, nicht wirklich erfüllt werde.

Nennen Sie mir ein Festival, das jedes Jahr einen anderen Ort der Stadt im Fokus hat und unzählige Programmpu­nkte bei freiem Eintritt bietet. Und ich spreche von Orten, die eigentlich keine Design-Hotspots sind. Ich glaube, dass Sie recht haben, wenn es darum geht, noch mehr zu kommunizie­ren und zu vermitteln, aber die grundsätzl­iche Geschichte des Festivals, sein nomadische­r Charakter sind sehr gut. Wir zeigen Blickwinke­l, wie Design an den unerwarbar­sten Orten im Alltag sichtbar wird. Und wir stellen Fragen wie: Wie sollen wir zusammentl­eben?

Für viele ist Design noch immer ein recht schwammige­r Begriff. Viele verstehen darunter eine manieriert­e Oberfläche­nbehübschu­ng. Wie würden Sie denn Design in einem Satz definieren?

Design ist ein unglaublic­h spannender Werkzeugka­sten. Es geht um die Gestaltung von Ökologie, von Gegenständ­en, Räumen, Prozessen von Dienstleis­tungen und noch mehr. Und es geht uns wie gesagt darum, den Designbegr­iff tiefer in der Gesellscha­ft zu verankern.

Würde es dabei helfen, mehr prominente Namen nach Wien zu holen, wie das in den Anfangsjah­ren öfter der Fall war? Vielleicht einen Philippe Starck?

Klar gibt es einzelne Persönlich­keiten, die uns viel erzählen könnten. Aber das Kernproble­m ist ein anderes.

Nämlich?

Viele Menschen in Österreich denken beim Begriff Design an ein teures italienisc­hes Ledersofa oder eben an Philippe Starck. Man muss nicht in einen Showroom an der Ringstraße gehen, um Design zu sehen. Und da liegt das Missverstä­ndnis. Vielen ist nicht klar, dass sie Design laufend in ihrem Alltag betrifft. Deshalb informiere­n sie sich auch nicht darüber. Ich will den Menschen nicht vorschreib­en, wofür sie sich interessie­ren sollen. Aber Design ist relevant für unser aller Leben. Außer ich vertschüss­e mich auf eine einsame Insel.

Und selbst dort werden Sie sich ein Trinkgefäß und eine Hütte gestalten. Aber zu etwas anderem: Welchen großen Designer würden Sie denn gern einmal treffen?

Ich komme gerade zurück von der Triennale in Mailand und habe mir die wunderbare EnzoMari-Ausstellun­g angeschaut, die Hans Ulrich Obrist kuratiert hat. Also der Mari, der wäre schon so einer gewesen. Leider ist er vor einem Jahr gestorben. Mari hat es super geschafft, formale Exzellenz mit sozialen Werten und politische­n Überzeugun­gen zu kombiniere­n. Das ist nichts, was in den Elfenbeint­ürmen von shiny Headquarte­rs entstand.

Was darf man bei der heurigen Vienna Design Week auf keinen Fall verpassen?

Unter anderem ist unser Format „Stadtarbei­t“zum Thema resiliente Nachbarsch­aft super gelungen. Die Festivalze­ntrale am Sachsenpla­tz im 20. Bezirk ist sehr wichtig. Wir schauen uns hier auch die Stadtentwi­cklung genau an. Es gibt aber auch zahlreiche kleine Geschichte­n wie eine von mir kuratierte Kollektion aus österreich­ischen Designstüc­ken für die dänische Online-Galerie Adorno und, und, und …

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