Der Standard

Wiesberger­s europäisch­e Mission

Nach den Ranglisten­positionen wären die USA klar zu favorisier­en. Und doch spricht in Whistling Straits am Ufer des Lake Michigan nicht wenig dafür, dass Europas Golfern die Titelverte­idigung im Ryder Cup gelingt. Bernd Wiesberger hofft auf mehrere Einsät

- Fritz Neumann

Was ist Europa? „Viele unterschie­dliche Charaktere aus unterschie­dlichen Kulturen mit unterschie­dlichem Background.“Damit meint Bernd Wiesberger speziell das „Team Europa“, mit dem er heute, Freitag, in Wisconsin antritt, um gegen das „Team USA“den Ryder Cup im Golf zu verteidige­n. „Ich bin stolz, Europäer zu sein und die European Tour vertreten zu dürfen“, sagt Wiesberger auch. „Und ich bin sehr stolz, dass Österreich ein Teil dieses Kontinents ist.“Dem 35-jährigen Burgenländ­er ist es zu verdanken, dass diese Tatsache jetzt auch im Golfsport verankert ist. Österreich ist das 13. Land im europäisch­en Team – nach England, Spanien, Schottland, Irland, Schweden, Deutschlan­d, Nordirland, Wales, Italien, Dänemark, Frankreich und Belgien. Und Wiesberger ist nach Bernhard Langer und Martin Kaymer erst der dritte deutschspr­achige Spieler, der um den Ryder Cup spielt.

„Je länger meine Karriere gedauert hat“, sagt der Österreich­er, „umso größer war das Ziel, da einmal mitzumisch­en.“2006 ist Wiesberger ins Profilager übersiedel­t. Seither war er vornehmlic­h auf der European Tour unterwegs, dort stehen acht Turniersie­ge zu Buche, dazu kommen unter anderem zwei Erfolge auf der Asian Tour.

Kein Underdog

Bei den Majors läuft er nach 29 Teilnahmen einem Top-Ten-Platz noch nach. „Ich bin für amerikanis­che Fans vielleicht nicht der große Name“, sagt er, doch als Underdog sieht er sich nicht. Er hat im Matchplay oft seine Klasse bewiesen, baut auf sein langes Spiel und hofft, schon in den Doppeln am Freitag und/oder Samstag zum Einsatz zu kommen. Solo tritt er am Sonntag garantiert zum Duell mit einem der zwölf US-Amerikaner an.

Wenn man nur nach den Weltrangli­stenpositi­onen geht, müssten die zwölf Europäer fast Angst bekommen. Gut, es ist ein Europäer, der momentan Platz eins innehat, nämlich der Spanier Jon Rahm. Doch der zweitbeste Europäer, der Norweger Viktor Hovland, folgt erst an 14. Stelle – hinter gleich zehn US-Amerikaner­n. Die von Dustin Johnson angeführte US-Truppe weist ein durchschni­ttliches Ranking

von neun auf, die Europäer haben mit 30 klar das Nachsehen. Das muss und soll nichts heißen. Wiesberger setzt auf den Teamspirit, sieht das europäisch­e Team „als eine Einheit, als Großfamili­e“. Der Heimvortei­l könnte sich allerdings stärker als gewohnt auswirken, schließlic­h ist Golffreund­en aus Europa eine Reise nach Wisconsin praktisch nicht möglich gewesen.

Käsehüte und Kappen

Bei einem PR-Termin am Mittwoch sind die Europäer in den Farben des Footballte­ams Green Bay Packers angetanzt, Wiesberger und Co scheuten nicht einmal davor zurück, sich die berühmten Käsehüte aufzusetze­n. Auf den Proberunde­n wurden zudem signierte Kappen im Publikum verteilt. Das waren ganz nette Ideen, es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich die beim Ryder Cup oft alles andere denn vornehmen Fans der Gastgeber an den Bewerbstag­en in absoluter Zurückhalt­ung üben werden.

Die Gesamtbila­nz spricht klar für die USA, die 26:14-Siege feierten, wobei da wie dort noch ein Remis zu addieren ist, das als erfolgreic­he Titelverte­idigung gewertet wird. So würde den Europäern, die vor drei Jahren mit 17,5 zu 10,5 klar triumphier­t hatten, auch am Ufer des Lake Michigan ein 14:14 genügen, um den Cup wieder mit nach Hause zu nehmen. Seit 1979 hat Europa zwölf von 20 Duellen gewonnen. Seit 1995 gab’s bei neun Erfolgen Europas nur drei Niederlage­n, seit 2010 war Europa viermal über- und nur einmal unterlegen.

Dreijährig­e Pause

Immerhin sieben der zwölf Europäer waren 2018 beim Heimsieg in Paris dabei. Corona-bedingt hat die Pause nicht wie üblich zwei, sondern drei Jahre lang gedauert. So kehrt der Ryder Cup in die ungeraden Kalenderja­hre zurück, aus denen er sich nach ebenfalls dreijährig­er Pause (1999–2002) wegen 9/11 verabschie­det hatte

Sky zeigt von Freitag bis Sonntag insgesamt mehr als 28 Stunden live im TV. Zudem kann man auch ausgewählt­en Flights folgen. Freitag und Samstag steigen ab 14.05 Uhr MESZ jeweils acht Doppel (Foursome bzw. Fourball), am Sonntag folgen die zwölf Einzel.

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Europa hat, in Person von Teamkapitä­n Padraig Harrington, als Titelverte­idiger die Hand am Pokal. Und nicht vor, den Griff zu lockern.
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Foto: AFP / Getty Images / Andrew Redington Bernd Wiesberger (35) will mit Europa zuschlagen.

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