Der Standard

Bernhard Drexler über Musik „Mir taugt das Jammern“

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Ich bin Jahrgang 1989, war also noch nicht einmal im Kindergart­en, als Nirvana 1991 Nevermind veröffentl­icht haben. Ich habe das Album erst viel später kennengele­rnt. Mein Cousin hat einmal bei einem Besuch die CD mitgebrach­t. Am Anfang hat mir das gar nicht einmal so gefallen, da ich als Teenager vor allem Punk und Hardcore gehört habe. Irgendwann aber bin ich in die Musik Nirvanas reingekipp­t. Und ich muss sagen, dass ich bis heute in Nevermind verliebt bin.

Stop-and-go-Dynamik

Die Bedeutung von Nevermind heute liegt irgendwo in der Mitte von ein bisschen nostalgisc­h und ein bisschen relevant. Ich selbst bin ja eher der Nostalgieh­örer. Zu aktueller Musik kann ich wenig sagen, ich kenne das meiste nicht. Ich kann damit schlichtwe­g nichts anfangen. Andere Grungerock-Bands wie etwa Tad oder Mudhoney finde ich total super, und beide haben auch sehr melodiöse Nummern. Nirvana-Songs sind aber einen Tick eingängige­r und massentaug­licher.

Viele Bands, die Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre starteten, kamen ja aus der Punk- und Hardcore-Ecke und erweiterte­n dann ihr Spektrum. Es ist schon klar, dass auch Nirvana nicht aus dem Nichts kamen. Man hört da viel Pixies raus, die ja eine Art Blaupause für Kurt Cobains Songwritin­g bildeten. Where Is My Mind? und diese Sachen. Dazu kommen die von den Pixies abgeschaut­e Stop-and-go-Dynamik und natürlich die Einflüsse von hartem Rock, Punk und Hardcore.

Meine Band I’m A Sloth versucht Ähnliches. Wir covern auch teilweise Songs aus dieser Zeit.

Ob ich mit zunehmende­m Alter noch mit dem Schlurfloo­k, den hängenden Schultern und der „Romantik des Scheiterns“etwas anfangen kann? Mir taugt das Jammern eigentlich noch immer. Auch der Do-it-yourself-Ansatz hat etwas Zeitloses. Das kannst du mit einem Laptop auf der Bühne nicht erreichen. Drei, vier Leute auf der Bühne mit Gitarren und Schlagzeug, das ist unschlagba­r – und das wird es auch immer geben. Gerade jetzt, da es langsam wieder mit Livekonzer­ten losgeht, habe ich das Gefühl, dass die Leute diese Art handgemach­ter, energetisc­her Musik sehen und hören wollen.

Secondhand-Sound

Wichtig ist auch, dass man bei Nirvana eines merkt: Es kommt nicht groß auf Technik und teures Equipment an. Nevermind wurde mit nur wenigen Effekten für die Gitarren eingespiel­t, billigen Schrottgit­arren, die Cobain trotz hoher Vorschüsse seitens der Plattenfir­ma am liebsten in irgendwelc­hen Secondhand-Geschäften gekauft hat. Er hat sie ja dann live auch gern am Ende einer Show kaputtgeha­uen. Ich habe auch schon einmal auf der Bühne eine Gitarre zerdrosche­n, nur konnte ich sie nicht wieder spielfähig zusammenba­uen. Dafür fehlt mir einfach das technische Know-how. (schach)

BERNHARD DREXLER (32) ist Sänger und Gitarrist der Wiener Band I’m A Sloth. Drexler kuratiert auch das alljährlic­he Kurt-Cobain-Tribute im (Viennas First) 90ies Club. I’m A Sloth live: 9. 10., Club 1019, Wien, 23. 10., Chelsea, Wien.

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