Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen
Geschichten von Heiligen, aber auch von Macht und Hoffnung erzählt die Reliquienausstellung im Museum im Dom.
Auf Samt gebettet, die Knochen mit Seide umwickelt, verziert mit Perlen und Schmucksteinen – so geschmückt sind Reliquien jahrhundertelang verehrt, begehrt, umkämpft, aber auch verachtet worden. Sind sie Relikte längst vergangener Tage oder haben sie auch heute noch Bedeutung? Reliquien offenbaren nicht nur eine Geschichte des Glaubens, sondern auch eine Geschichte von Macht und Herrschaft, Identität und Zusammengehörigkeit, Sehnsucht und Hoffnung.
Mittler zwischen Himmel und Erde
Die Kostbarkeit der Reliquien (lat.: reliquiae für „Zurückgelassenes“) ist vorrangig nicht im Materiellen begründet, sie basiert auf etwas darüber Hinausgehendem, nämlich auf dem Heil, das in ihnen ruht. Heilige sind nach christlicher Vorstellung Mittler zwischen Himmel und Erde. Sie waren Menschen aus Fleisch und Blut, die trotz großer Widerstände für ihren Glauben eingetreten und oft für ihre Überzeugungen gestorben sind. Als Vorbilder wurden sie häufig schon zu Lebzeiten verehrt – ihre Kraft, gebündelt in den sterblichen Überresten, reicht allerdings weit über den Tod hinaus. Neben barocken Ganzkörperreliquien, Preziosen aus Pfarren, Schatzkammern und privaten Sammlungen spannt die Ausstellung den Bogen in das 21. Jahrhundert: Zeitgenössische Beiträge von SchülerInnen des Wienerwaldgymnasiums aus Tullnerbach setzen sich mit dem Thema Reliquien auseinander – so sind Werke entstanden, die das Thema mit viel Gefühl beleuchten.
Greifbare Erfahrung
Das Museum am Dom wurde bereits 1888 als Diözesanmu– seum gegründet und ist damit das älteste kirchliche Museum Österreichs. Es ist in den historischen Räumlichkeiten des aufgelassenen Augustiner Chorherrenstifts St. Pölten untergebracht, auch die barocke Stiftsbibliothek mit Fresken von Paul Troger und Daniel Gran ist Teil des Museums. Der Sammlungsbestand umfasst neben Altären, Skulpturen und Gemälden auch eine große Anzahl an liturgischen Textilien und liturgischen Gefäßen, die in der Schatz- und Paramentenkammer präsentiert werden. 2021 wurde das Museum nach Umbau und Neuausrichtung unter neuer Leitung wiedereröffnet. Menschen brauchen die konkrete, angreifbare und intime Erfahrung, um kirchliche Kunst – die somit zur Glaubensvermittlung beiträgt – verstehen zu können. Sakrale Kunst kann heute vielfach nicht mehr ohne Hilfe verstanden werden, weil die mitunter plakative Zeichensprache vergangener Epochen nicht mehr gelesen werden kann. Angebote von der Schaurestaurierung einer barocken Ganzkörperreliquie bis hin zu einer Taschenlampenführung bieten abwechslungsreiche „Lesehilfen“, um sakrale Kunst auch heute zu verstehen. Reliquienausstellung: „Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen“noch bis 31. 10. 2021