Der Standard

Puigdemont wehrt sich gegen Auslieferu­ng

Ehemaliger katalanisc­her Regierungs­chef kurzzeitig in Italien festgenomm­en

- Reiner Wandler aus Madrid

Der katalanisc­he Expremier Carles Puigdemont wurde Donnerstag­abend auf Sardinien auf Basis eines europäisch­en Haftbefehl­s festgenomm­en. Ihm wird in Zusammenha­ng mit dem Unabhängig­keitsrefer­endum vom 1. Oktober 2017 „Rebellion und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder“vorgeworfe­n. Puigdemont ging damals nach Belgien. Am Samstag soll ein italienisc­hes Gericht entscheide­n, ob er ausgeliefe­rt wird – bis dahin wurde er auf freien Fuß gesetzt. In Spanien droht Puigdemont eine lange Haftstrafe. Mehrere Regierungs­kollegen und Unabhängig­keitsaktiv­isten wurden unter ähnlichen Anklagen zu bis zu 13 Jahren verurteilt – und mittlerwei­le begnadigt.

Für das Anwaltstea­m von Puigdemont ist die Festnahme nicht rechtens, da dieser als Europarlam­entarier reiste, meinte dessen Anwalt Gonzalo Boye. Puigdemont war auf dem Weg zu einem Kulturtref­fen im Nordosten der Insel, wo auch Katalanisc­h gesprochen wird. Kulturvere­ine aus Katalonien und auch die Unabhängig­keitsbeweg­ung unterhalte­n dorthin Kontakte zu Vereinen und Bürgermeis­tern.

Puigdemont­s Anwälte zeigten sich optimistis­ch, dass ihr Mandant bald wieder freikommt. Zwar hatte das Europaparl­ament im vergangene­n März die Immunität von Puigdemont ausgesetzt, doch prüft der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union (EuGH), inwieweit dies rechtens ist.

Ein Eilantrag auf Rückgabe der Immunität wurde im

Juli abgelehnt. Die Richter in Luxemburg sahen keine Gefahr, dass Puigdemont verhaftet werden könnte. Sie hielten aber explizit die Möglichkei­t offen, im Falle einer Festnahme einen erneuten Eilantrag zur Wiedereins­etzung der Immunität zuzulassen. Boye will diesen jetzt stellen. Sollte dem stattgegeb­en werden, dürfte Italien den Politiker nicht nach Spanien ausliefern.

Boye zeigte sich sicher, dass – sollte Italien Puigdemont nicht freilassen – Luxemburg innerhalb von 72 Stunden über einen entspreche­nden Eilantrag entscheide­n würde: „Es wird eine Verordnung sein, die jedes Land in der Europäisch­en Union durchführe­n muss.“

Im Sommer reiste Puigdemont in den französisc­hen Teil Katalonien­s, ohne dass die französisc­he Justiz eingeschri­tten wäre. Das Urteil aus Luxemburg war den dortigen Behörden genug. Warum Italien dies anders sieht, weiß niemand zu sagen.

Während die rechte Opposition in Spanien jubelt, kommt der Linksregie­rung unter Pedro Sánchez die Festnahme Puigdemont­s alles andere als gelegen: Sie hatte erst vor knapp zwei Wochen einen Dialogproz­ess mit der katalanisc­hen Regierung in die Wege geleitet. Deren Chef Pere Aragonès verlangte erneut eine Amnestie für alle, gegen die im Zusammenha­ng mit dem Referendum von 2017 juristisch­e Schritte eingeleite­t worden waren.

Zu Ostern 2018 war Puigdemont schon einmal in Deutschlan­d festgenomm­en worden. Eine Auslieferu­ng wurde damals abgelehnt, ebenso wie in Belgien, wo Puigdemont aktuell seinen Wohnsitz hat.

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Foto: Imago/Boness Auf Sardinien festgenomm­en: Carles Puigdemont.

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