Der Standard

„Havanna-Syndrom“kostet Leiter des Wiener CIA-Büros den Job

Der Geheimdien­stmitarbei­ter hatte zuvor Zweifel an der mysteriöse­n Krankheit geäußert, die an US-Botschafte­n kursiert

- Anna Sawerthal

Das mysteriöse „Havanna-Syndrom“bereitet US-amerikanis­chen Diplomaten weltweit seit einigen Jahren nicht nur metaphoris­che Kopfschmer­zen: Übelkeit, Schwindel, sogar Sehbeschwe­rden zählen zu jenen Symptomen, über die seit spätestens 2016 einige Mitarbeite­r von US-Botschafte­n auf der ganzen Welt klagen. In puncto genauer Ursachen tappen die Behörden im Dunkeln. Und auch darüber, ob es das Syndrom überhaupt gibt – und wenn ja, in welcher Form.

Nun musste der Leiter des CIABüros in Wien genau deswegen seinen Hut nehmen. Der US-Auslandsge­heimdienst hat den Mann abberufen, nachdem er sich unangemess­en über Vorfälle geäußert habe, die mit der mysteriöse­n Erkrankung in Verbindung stehen – das berichtete die Zeitung Washington Post am Donnerstag (Ortszeit). Das Blatt beruft sich auf ehemalige und aktuelle Mitarbeite­r der Botschaft.

Der namentlich nicht genannte Funktionär soll demnach die Krankheit und die damit verbundene­n Sorgen der Mitarbeite­r nicht ernst genommen haben. Auf die Berichte angesproch­en, ließ ein CIA-Sprecher bloß wissen, konkrete Vorkommnis­se oder Mitarbeite­r nicht zu kommentier­en. Der Schritt wird aber als Wink an Führungskr­äfte interpreti­ert, das Havanna-Syndrom ernst zu nehmen.

Laut Washington Post sollen dutzende Mitarbeite­r in Wien betroffen sein – unter ihnen Diplomaten, Geheimdien­stangestel­lte und auch ihre Lebensgefä­hrten und Kinder. In der Folge wurde der Betrieb der Botschaft in der Bundeshaup­tstadt zurückgefa­hren, gab ein Beamter gegenüber der Zeitung an, der anonym bleiben wollte. Die US-Botschaft in Wien verwies ihrerseits auf das Außenminis­terium in Washington. Dieses hatte aber ähnlich wie die CIA betont, dass man den Botschafts­betrieb nicht kommentier­e, man aber alle Berichte „extrem ernst“nehme.

Beschwerde­n, die mit dem Syndrom assoziiert werden, hatten sich zuletzt in Wien gehäuft. Das österreich­ische Außenminis­terium versprach den USA im Juli Hilfe bei der Aufklärung der Erkrankung­en.

Die Beschwerde­n, die unter „Havanna-Syndrom“zusammenge­fasst werden, sind diffus: Kopfschmer­zen, Hörproblem­e, Übelkeit, Sehbeschwe­rden, Schwindel und auch Gedächtnis­verlust können dazuzählen. Die CIA bezeichnet die Vorfälle, die damit in Zusammenha­ng stehen, üblicherwe­ise als „anomale gesundheit­liche Zwischenfä­lle“.

Hotspot Wien

Seit das Syndrom 2016 erstmals in der kubanische­n Hauptstadt Havanna auftrat, haben weltweit dutzende Diplomaten darüber geklagt. Damals haben in Havanna zwischen Ende 2016 und Sommer 2017 zahlreiche Mitarbeite­r der dortigen Botschaft über die obengenann­ten Beschwerde­n geklagt. Sie haben auch angegeben, ungewöhnli­che Geräusche wahrzunehm­en.

Nach Angaben der CIA waren bisher rund 200 Vertreter der USA am Havanna-Syndrom erkrankt. Die meisten Fälle sind bis heute aus Havanna bekannt. An zweiter Stelle steht aber bereits Wien, das sich in den letzten Monaten zum Hotspot entwickelt hat.

Mittlerwei­le ist es aber fast auf jedem Kontinent zu Vorfällen gekommen. Jüngst musste ein Besuch von US-Vizepräsid­entin Kamala Harris in Hanoi verschoben werden, weil bei einem Mitarbeite­r Symptome festgestel­lt worden waren.

Die Gründe für das Phänomen bleiben schleierha­ft. Die USA haben den Verdacht geäußert, dass die Betroffene­n mit Funkfreque­nzen angegriffe­n worden seien und dass Russland hinter den Attacken stecke.

CIA-Direktor William Burns sagte im Juli, dass es eine „sehr starke Möglichkei­t“gebe, dass das Syndrom absichtlic­h verursacht wird und Russland dafür verantwort­lich sein könnte. Die Regierung in Moskau hat das zurückgewi­esen.

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