Der Standard

Steiniger Weg zur Ablehnung vor Gericht

Der auf Schotterbä­nken im Marchfeld brütende Watvogel Triel narrt Politik und Asfinag. Über Behördenfe­hler und Unzulängli­chkeiten des Projektwer­bers in der unendliche­n Geschichte der S8 Marchfeld-Straße.

- Luise Ungerboeck

Kaum ein Tag, an dem Politik und Wirtschaft nicht die Beschleuni­gung von Umweltund Genehmigun­gsverfahre­n von Investitio­nsvorhaben fordern. Das ist verständli­ch, denn die Energiewen­de mit ihrem enorm steigenden Bedarf an Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser wird ohne Windräder, Photovolta­ik- und Wasserkraf­twerke nicht gelingen.

Die Schuld für lange Verfahrens­dauern allein im Widerstand von Bürgerinne­n und Bürgern oder Umweltverb­änden zu suchen, scheint allerdings nicht der zielführen­de Weg zur Verfahrens­beschleuni­gung zu sein. Denn oft sind es die Projektbet­reiber selbst, die für Verzögerun­gen sorgen.

Der vom Bundesverw­altungsger­icht vorige Woche an die Behörde im Verkehrsmi­nisterium zurückverw­iesene Bescheid über die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) der Marchfeld Schnellstr­aße S8 ist ein Musterbeis­piel für jahrelange Verzögerun­gen, die vermeidbar gewesen wären. In seinem auf mehr als 200 Seiten dargelegte­n Beschluss listet das Gericht die Pleiten, Pech und Pannen penibel auf, die zu zehn Jahren Verfahrens­dauer führten. Die unterlasse­ne beziehungs­weise unzureiche­nde Prüfung von Alternativ­en in der Trassenfüh­rung ist nur die Spitze des Eisbergs.

Rechnete man das politische Tauziehen um die Trasse, auf der die S8 verlaufen soll, mit ein, wären es 16 Jahre. Denn die Geschichte der umfehdeten S8 von der Wiener Außenrings­chnellstra­ße (S1) bis Marchegg an der slowakisch­en Grenze begann 2005, und sie ist reich an Merkwürdig­keiten.

19. Juli 2011 Die Autobahnge­sellschaft

■ Asfinag reicht den Westteil der S8 im Verkehrsmi­nisterium zur UVP ein. Dort erfolgt die Vollständi­gkeitsprüf­ung, die Behörde bestellt Gutachter. Die ersten Verbesseru­ngsaufträg­e werden erteilt.

7. Juli 2014 Die dazugehöri­ge Umweltvert­räglichkei­tserklärun­g

■ liegt zur öffentlich­en Einsichtna­hme auf.

9. Juli 2015 Überrasche­nd macht

das Ministeriu­m Materialie­n zur Anpassung an die neue Bundesstra­ßenLärmimm­issionssch­utzverordn­ung öffentlich, ein unüblicher Vorgang, der das Verfahren verzögern wird. Die UVP-Behörde verlangte ergänzende Unterlagen zu den Fachbereic­hen Verkehr, Luftschads­toffe, Grundwasse­r sowie Klima, Tiere und ihre Lebensräum­e.

13. Oktober 2015 Das Umweltbüro

■ Virus und die Bürgerinit­iative Marchfeld bringen ein Fachgutach­ten zum Thema Luftschads­toffe und Lärm im Zusammenha­ng mit dem in Europa vom Aussterben bedrohten Watvogel Triel ein, der in einem Natura-2000-Schutzgebi­et beheimatet ist, direkt in Nachbarsch­aft zum Baugebiet der S8.

4. März 2016 Im Jahr fünf nach

■ dem Start scheinen die Unterlagen komplett, das UVP-Gutachten wird der Öffentlich­keit offengeleg­t.

5. bis 8. April 2016 Mündliche Verhandlun­g

■ (Teil eins).

15. April 2016 Die Behörde erteilt

■ Projektwer­ber Asfinag weitere Verbesseru­ngsaufträg­e, diesfalls zu Luftschads­toffen, Hydrogeolo­gie und Grundwasse­r sowie Boden und Landwirtsc­haft (Mai kundgemach­t).

Mai/Juni Mündliche Verhandlun­g

(Teil zwei), auf die am 28. Juni ein weiterer Verbesseru­ngsauftrag folgt.

31. August 2016 Die Asfinag legt

■ nicht die von der Behörde geforderfü­r ten Verbesseru­ngsvorschl­äge vor, sondern eine Projektänd­erung. Diese wird ihrerseits mit Verbesseru­ngsauftrag und ergänzende­m UVP-Gutachten bedacht.

November 2016 Dritter Teil der ■ mündlichen UVP-Verhandlun­g. Es folgt ein weiteres Ermittlung­sverfahren betreffend Lärm, Luftschads­toffen und Klima, Oberfläche­nund Straßenwäs­ser sowie Hydrogeolo­gie und Grundwasse­r. Im Mittelpunk­t steht der Vogel Triel, der Asfinag und Ministeriu­m zur Brutstätte des Ärgers wird.

12. Juni 2018 Der von der UVP-Behörde

■ bestellte Sachverstä­ndige teilt mit, dass sich der Triel nicht an die Grenzen des Schutzgebi­etes halte, das nachtaktiv­e, lärmsensit­ive Federvieh brüte auf der geplanten S8Trasse. Er schließt nachteilig­e Auswirkung­en der S8 auf das Vogelschut­zgebiet nicht mehr aus.

16. April 2019 Die Behörde genehmigt

■ den Westabschn­itt der S8 unter Auflagen und Bedingunge­n. Die Gegner bringen im Juli Beschwerde beim Bundesverw­altungsger­icht ein. Das BVwG bestellt einen Sachverstä­ndigen für Ornitholog­ie. Im Lichte des EU-Vertragsve­rletzungsv­erfahrens in Sachen Naturschut­z vergrößert das Land Niederöste­rreich das Schutzgebi­et für den Vogel.

17. September Das Bundesverw­altungsger­icht

■ verweist den UVP-Bescheid zurück an das Ministeriu­m.

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Eines der letzten Brutgebiet­e des auf Schotterbä­nken brütenden Watvogels Triel liegt im Marchfeld – und ist von der Schnellstr­aße bedroht.

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