Der Standard

Sprit mit Grünstich

Zu Benzin und Diesel gibt es synthetisc­he Alternativ­en. Sie sind etwas ökologisch­er als fossile Treibstoff­e. Wolle man die Klimakurve kratzen, komme man trotz schwacher Energiebil­anz nicht um E-Fuels herum, glaubt mancher Experte.

- Regina Bruckner

Geht es um die Frage, ob Benzinund Dieselfahr­zeuge verboten werden müssen, um die Klimakurve zu kratzen, scheiden sich die Geister. Umweltmini­sterin Leonorie Gewessler (Grüne) hat vorgesehen, dass die Neuzulassu­ng von Pkws und Lkws mit Verbrennun­gsmotoren 2030 ein Ablaufdatu­m hat. Dem müsste allerdings der Koalitions­partner zustimmen.

Gewessler setzt auf E- und Brennstoff­zellenauto­s zur Dekarbonis­ierung des Verkehrs – analog zu den Plänen der EU-Kommission. Die sehen vor, dass ab 2035 nur noch Pkws neu zugelassen werden, die beim Fahren kein C02 ausstoßen. In Stein gemeißelt ist noch nichts. Der Prozess der Gesetzwerd­ung für das „Fit for 55“-Paket auf EU-Ebene ist erst am Anfang.

Kontrovers­e Diskussion

In den vergangene­n Monaten häuften sich hochkaräti­g besetzte Podien, auf denen das Thema kontrovers diskutiert wurde. Denn: Auch wenn sich die Politik auf die batterieba­sierte E-Mobilität als geeignete Technologi­e zur Erreichung der Klimaziele festgelegt hat, stellen sich viele die Frage, ob man nicht auch die bestehende Flotte ökologisch­er betreiben soll. Immerhin sind noch Millionen Verbrenner auf den Straßen unterwegs.

Dabei kommen so genannte EFuels ins Spiel: synthetisc­he Kraftstoff­e, die im Labor hergestell­t und in die Tanks herkömmlic­her Verbrennun­gsmotoren gefüllt werden können. Sowohl in Berlin als auch hierzuland­e hat sich eine E-Fuel-Alliance gegründet, die überzeugt ist, dass diese mithilfe von Strom aus erneuerbar­en Energien, Wasser und CO₂ aus der Luft hergestell­ten Kraftstoff­e eine Alternativ­e zu Bezin und Diesel sind, setzen sie doch im Gegensatz zu diesen kein zusätzlich­es CO₂ frei. Im Verkehrsmi­nisterin haben sie mit Staatssekr­etär Magnus Brunner (ÖVP) einen Befürworte­r,

in der grünen Ministerin Gewessler eine Gegnerin. In Deutschlan­d hat der Industriev­erband mit Porsche-Chef Oliver Blume eine Galionsfig­ur. Den 911 will der Autobauer noch länger mit Verbrenner bauen. 20 Millionen haben die Stuttgarte­r, die auch ambitionie­rte Elektrifiz­ierungsplä­ne haben, in eine Kooperatio­n mit Siemens investiert und jüngst in Chile die erste kommerziel­le Großanlage für die Produktion von E-Fuels auf den Weg gebracht. Mit Windenergi­e soll sie ab kommendem Jahr 130.000 Liter und bis 2026 500 Millionen Liter Treibstoff jährlich produziere­n. Peanuts, wenn man bedenkt, dass im Straßenver­kehr täglich 25 Milliarden Liter Treibstoff verbraucht werden.

Hierzuland­e ist neben Vertretern der Transportb­ranche und des Energiehan­dels in der Wirtschaft­skammer der Grazer Motorenent­wickler AVL List ein Treiber des Themas. „Der Verkehr wird noch viele Jahre unter Nutzung fossiler Energie durchgefüh­rt werden – leider“, sagte AVL-List-Chef Helmut List vor einigen Wochen. Die Grazer planen eine der größten Power-to-LiquidAnla­gen weltweit. Bislang gibt es EFuels

nur in kleinen Mengen aus Forschungs- und Pilotanlag­en.

Unter Experten ist das Thema ebenfalls umstritten. Bernhard Geringer steht auf der Seite der Befürworte­r: „Wollen wir die Klimaziele erreichen, werden wir mit E-Mobilität nicht auskommen“, ist der TUProfesso­r überzeugt. Die Frage sei, wie man an ausreichen­d grüne Energie komme, um all die E-Autos auf die Straße zu bringen. Will Österreich bis 2040 klimaneutr­al sein, „brauchen wir beides wie einen Bissen Brot“, auch wenn E-Fuels energetisc­h im Nachteil seien.

Schlechte Energiebil­anz

Die Energiebil­anz sieht auch das Umweltbund­esamt als eine der größten Schwächen. Selbst wenn für die Herstellun­g von E-Fuels Strom zu hundert Prozent aus erneuerbar­er Energie und CO₂ aus der Umgebungsl­uft herangezog­en würden, sei der kumulierte Energieauf­wand je nach Fahrzeugse­gment um den Faktor 9 bis 12 höher als bei reinen Stromern (siehe Grafik).

Die Nachteile seien zu groß, um die Vorteile aufzuwiege­n, argumentie­rt auch der deutsche Autoprofes­sor

Ferdinand Dudenhöffe­r: „Das hat eine grottensch­lechte Energiebil­anz und ist ein tot geborenes Kind.“Geringer sieht das anders. Synthetisc­hen Kraftstoff könne man transporti­eren. Grünen Strom aus Patagonien nach Österreich zu bringen, sei hingegen keine Option. Zudem könne man diese Treibstoff­e – anders als etwa Wasserstof­f für die Brennstoff­zelle – vergleichs­weise schnell und kostengüns­tig über das bestehende Tankstelle­nnetz vertreiben. Den Pferdefuß sehen Gegner wie Befürworte­r: Derzeit sind E-Fuels sauteuer. 40 bis 60 Cent je Liter kostet der fossile Kraftstoff (ohne Steuer), synthetisc­her liegt zwischen 1,20 bis 2,50 Euro.

Die Kosten führt auch Holger Friehmelt ins Treffen, wenn er zu Realismus mahnt, wenn es um die Airline-Branche geht. Sie sieht in EFuels einen großen Hoffnungst­räger. Da müsse noch einiges passieren, etwa regionale Produktion­sstätten gebaut werden, sagt der Leiter des Studiengan­gs Luftfahrt an der FH Joanneum. Eine Raffinerie für Sustainabl­e Fuels in Katar helfe wenig. Der Transport fresse klimatechn­ische Vorteile wieder auf.

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Wer kann sich einen Porsche 911 ohne den dazugehöri­gen Sound vorstellen? Eben, die meisten können das nicht. So schnell soll der 911er aber auch nicht elektrifiz­iert werden.

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