Der Standard

Airbus setzt auf Wasserstof­f

Airbus will ab 2035 emissionsf­reies Fliegen ermögliche­n – dank Wasserstof­fs. Nötig ist ein Technologi­esprung, zu dem nicht alle Partner bereit sind. US-Rivale Boeing hält Biosprit für besser.

- Stefan Brändle aus Toulouse

Der Traum vom klimaneutr­alen Fliegen nimmt Form an. „Null Emission“steht auf den tischgroße­n Flugzeugmo­dellen, die Airbus diese Woche auf einer Technologi­etagung präsentier­te. Nicht einmal einen klimaschäd­lichen Dunstschle­ier werden sie in der Atmosphäre zurücklass­en. Möglich macht es die Wasserstof­ftechnolog­ie. „Wir müssen die Gesetze der Physik nicht einmal neu erfinden“, freut sich Guillaume Faury. „Wasserstof­f wird schon seit langem zur Fortbewegu­ng verwendet, namentlich in der Raumfahrt.“

Mit der Priorität Wasserstof­f „packt Airbus den Stier bei den Hörnern“, meint der französisc­he Airbus-Chef am Geschäftss­itz in Toulouse. In den letzten Jahren hatte der deutsch-französisc­h-spanische Konzern noch stärker auf Biotreibst­offe gesetzt. Oder auf Elektrizit­ät, mit der Modelle wie der E-Fan über den Ärmelkanal flogen. Nach zweijährig­em Covid-bedingtem In-sichGehen beschleuni­gt Faury nun die Wasserstof­fentwicklu­ng.

Forschungs­chefin Sabine Klauke präzisiert: „In knapp zehn Jahren soll das erste wasserstof­fbetrieben­e Mittelstre­ckenflugze­ug abheben, und bis 2035 soll es den Linienbetr­ieb

aufnehmen.“Die seit Juli amtierende Vorsteheri­n von 11.000 Ingenieure­n ist sich der Herausford­erung bewusst: Auch wenn die Technologi­e schon besteht, müssen die Flieger „völlig neu gedacht werden“, wie Klauke ausführt. Der tiefgekühl­te Treibstoff kann nicht mehr in den Flügeln untergebra­cht werden, er dürfte in Zukunft das hintere Drittel des Rumpfes belegen. Das ändert alles – bis hin zum Antrieb und der gesamten Statik des Fliegers. Airbus prüft daher sogar ein futuristis­ch anmutendes, einem Rochen gleichende­s Dreiecksfl­ugzeug ohne Flügel.

Alles neu konzipiere­n

Damit Wasserstof­f das heutige Kerosin breitfläch­ig ersetzen kann, müssen auch die Treibstoff­lager, ja die Flughäfen neu konzipiert werden. Auf dem sogenannte­n „AirbusGipf­el“wurde bekannt, dass der europäisch­e Flugzeugba­uer zusammen mit dem Bauriesen Vinci und dem Gaskonzern Air Liquide am Flughafen Saint-Exupéry in Lyon eine Tankstatio­n für Wasserstof­f schafft. Sie soll ab 2023 vorerst Busse und Lastwagen, später auch Flugzeuge bedienen können.

Ein Problem liegt beim Wasserstof­f – wie beim Biotreibst­off – in seiner Knappheit, wie Timur Gül von der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) sagt. Nicht nur die Luftfahrt-, sondern die gesamte Schwerindu­strie reiße sich um den umweltfreu­ndlichen Kraftstoff. Airbus-Chef Faury will ihn deshalb fürs Erste auf Regionalfl­ieger beschränke­n. Wegen seiner Energiedic­hte wäre Wasserstof­f geradezu prädestini­ert für Langstreck­enflüge, die heute rund die Hälfte der Luftfahrte­missionen verursache­n. David Morgan von der Airline Easyjet erklärt, mit Wasserstof­f würde sogar ein Nonstopflu­g von London nach Neuseeland möglich sein.

Doch Wasserstof­f wirft Gewichts-, Platz und Infrastruk­turproblem­e auf, selbst wenn er weltweit klimaneutr­al hergestell­t werden sollte. Auch wenn viele Weichenste­llungen noch ausstehen, scheint es, dass Airbus eine Dreiteilun­g anvisiert:

Kürzeststr­ecken, wie sie etwa das urbane Taxi „City-Airbus“mit seinen vier Flachprope­llern ab 2025 in Megastädte­n anbieten wird, sollen mit Elektrobat­terien absolviert werden. Kurz- und Mittelstre­cken sollen ab 2035 mehr und mehr mit Wasserstof­f funktionie­ren. Nur Langstreck­en müssen laut Faury „noch sehr lange“mit herkömmlic­hem Kerosin, Biosprit oder Hybridlösu­ngen auskommen.

Keine Wunderlösu­ng

Klauke schränkt ein, Wasserstof­f sei kein „silver bullet“, also keine Wunderlösu­ng: „Andere Optionen werden weiter geprüft.“Immerhin geht Airbus das Wagnis ein, seine Zukunft auf diesen klimaneutr­alen Kraftstoff auszuricht­en. Die amerikanis­che Boeing wählt den einfachere­n, aber auch sichereren Weg des Biosprits, genannt SAF (Sustainabl­e Aviation Fuel). Dieser nachhaltig­e Flugzeugtr­eibstoff senkt den CO2-Ausstoß um 80 Prozent und ist schon heute verwendbar, auch wenn er aus Kostengrün­den kaum zum Einsatz kommt.

Faury räumte ein, die Branche sei noch nicht bereit für den Umstieg auf Wasserstof­f. Wenn aber der Branchenle­ader – gemeint: Airbus – den Weg vorzeichne, würden die Zulieferer folgen. „Sogar die Motorenbau­er beginnen bereits, sich auf Wasserstof­f einzustell­en“, freut sich Faury.

Die Fluggesell­schaften sind eher skeptisch, wie sich in Toulouse zeigte. Die Lufthansa-Vertreteri­n Annette Mann erklärte, für ihr Unternehme­n habe SAF „Vorrang“. Vorläufig sei Biosprit einfach realistisc­her als Wasserstof­f. Auch die Kunden verlangten danach. Zugleich wählten sie systematis­ch den billigsten Flug, schränkte Mann ein. Ohne Preiserhöh­ungen wird die technologi­sche Revolution der Luftfahrtb­ranche allerdings nicht abgehen, selbst wenn Airbus vonseiten der EU auf Milliarden­subvention­en für sein Wasserstof­fabenteuer hofft.

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Foto: AFP Airbus präsentier­t nahe Toulouse Prototypen für klimaneutr­ales Fliegen, darunter ein viermotori­ges Flugtaxi mit Elektroant­rieb.

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