Der Standard

Großbritan­nien sucht verzweifel­t Lkw-Fahrer

Wegen mangelnder Lieferkapa­zitäten mussten Tankstelle­n geschlosse­n werden

- Sun

London – Die britische Regierung hat verstärkte Anstrengun­gen im Kampf gegen den akuten Mangel an Lkw-Fahrern angekündig­t. „Wir werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sicherzust­ellen, dass die Engpässe gelindert werden“, sagte Verkehrsmi­nister Grant Shapps am Freitag dem Sender Sky News. Am Vortag hatte der Ölkonzern BP erklärt, einige seiner 1200 britischen Tankstelle­n schließen zu müssen, da es an Truckern für den Transport von Benzin und Diesel mangele.

An Tankstelle­n in London und in Kent bildeten sich am Freitag Schlangen vor den Zapfsäulen, weil Autofahrer Engpässe befürchtet­en. Schätzunge­n zufolge fehlen der britischen Transportb­ranche derzeit rund 100.000 Fahrer. Das ist vor allem darauf zurückzufü­hren, dass etwa 25.000 Trucker nach dem Brexit auf den europäisch­en Kontinent zurückgeke­hrt sind und dass die Viruspande­mie die Ausbildung neuer Fahrer behindert.

„Wir werden alles tun, was nötig ist“, sagte der Verkehrsmi­nister am Dienstag. Dabei bediente er sich der 2012 berühmt gewordenen Redewendun­g

„whatever it takes“, mit der der damalige Chef der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, die Finanzmärk­te in der Eurokrise beruhigt hatte. Ziel sei, dass der Autoverkeh­r weiter normal laufe, sagte Shapps. Die Regierung arbeite hart daran, Gesetze zu ändern, um die Ausbildung neuer Lkw-Fahrer zu erleichter­n. Wegen des Lockdowns in der Viruspande­mie hätte 40.000 Interessen­ten keine Prüfungen abgenommen werden können. Soldaten springen ein

Auch britische Soldaten könnten nach Angaben der Regierung im Notfall einspringe­n, um Tankstelle­n mit dem nötigen Treibstoff zu versorgen. „Wenn das helfen kann, werden wir sie einsetzen“, bestätigte Verkehrsmi­nister Grant Shapps am Freitag in einem BBC-Interview. Wegen der geschlosse­nen Tankstelle­n titelte die am Freitag hingegen mit einem letzten Tropfen aus dem Tankhahn und der Schlagzeil­e „Wir laufen leer“.

Schon im August hatte die Schnellres­taurant-Kette McDonald’s aufgrund von Problemen in den Lieferkett­en Milchshake­s und bestimmte Getränke von den Speisekart­en ihrer britischen Filialen nehmen müssen. Dem Wettbewerb­er Nando’s war Hühnerflei­sch ausgegange­n.

Shapps sagte, man müsse auch dafür sorgen, dass der Beruf des Lkw-Fahrers attraktive­r werde. Großbritan­nien habe lange von billigen Arbeitskrä­ften zumeist aus Osteuropa profitiert. Auf die Frage, ob die Regierung die Visabestim­mungen für interessie­rte Trucker aus anderen Ländern lockern würde, sagte er, es würden alle Optionen geprüft. Zuvor hatte es Forderunge­n gegeben, kurzfristi­g Visa für die Einreise solcher Fahrer zuzulassen. Damit solle die Lücke bis zur Ausbildung einer ausreichen­den Zahl britischer Trucker geschlosse­n werden.

Kurzfristi­g könnten internatio­nale Fahrer helfen, auch wenn es wohl zu spät sei, um damit für eine störungsfr­eie Logistik des Weihnachts­geschäfts der Einzelhänd­ler zu sorgen, erklärte ein Vertreter der Branche. Langfristi­g brauche man aber höhere Löhne und bessere Arbeitsbed­ingungen für die Beschäftig­ten. (Reiters, dpa, red)

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