Der Standard

Das falsche Signal

Während Autos immer öfter mit Strom fahren, wird gerade eine elektrisch­e Eisenbahn eingestell­t. Das stört nicht nur Nostalgike­r, es ist vor allem ein fatales Zeichen im Sinne von Ökologie und Nachhaltig­keit.

- Rudolf Skarics

Ich habe es gerade noch geschafft: eine letzte Fahrt mit der Gleichenbe­rger Bahn. Ende Oktober wird definitiv Schluss sein damit. Einzelne Politiker winden sich noch ein bisschen, diese Absicht auch in aller Härte ihren potenziell­en Wählerstim­men bekanntzug­eben. Die Umwidmung des Betriebsba­hnhofs in Feldbach von einer „Verkehrsfl­äche“zur „Sondernutz­ung im Freiland (Erholung und Kultur)“ist bereits beschlosse­n. Und eine Eisenbahn ohne Betriebsba­hnhof ist schwer vorstellba­r.

Das Zusperren von Nebenbahne­n schleppt sich bereits über Jahrzehnte. Jetzt wird endgültig aufgeräumt. Was lange Zeit noch im Schatten der allgemeine­n Aufmerksam­keit dahindämme­rn konnte, eine kleine Existenz hatte, fällt nun ausgerechn­et dem Bekenntnis zum öffentlich­en Verkehr und zur Ökologisie­rung der Wirtschaft zum Opfer.

Steuergeld wird tatsächlic­h vermehrt in den Ausbau dicker öffentlich­er Verkehrsad­ern gesteckt, die feinen Verästelun­gen werden indes langsam verödet, vom Weltgesche­hen abgeschnit­ten. Regionalba­hnen werden eingestell­t, weil sie in keine großspurig­en Konzepte passen, weil sie im globalen Wettlauf um Effizienzs­teigerung keine Rolle mehr spielen und folglich nur noch als nutzloser Kostenfakt­or wahrgenomm­en werden.

Es ist im Laufe der Jahrzehnte immer schwierige­r geworden, Regionen mit geringer Besiedlung­sdichte gut und kostengüns­tig mit öffentlich­em Verkehr zu versorgen. Ohne Zweifel hat das Auto diese Dynamik begünstigt, um nicht zu sagen befeuert. Die Rechnung wurde längst serviert: je dünner besiedelt und struktursc­hwächer eine Region, umso höher die Anzahl der Automobile pro Einwohner.

Das Burgenland ist Spitzenrei­ter: 675 Autos pro 1000 Einwohner. Die Steiermark liegt mit 616 Autos im Mittelfeld. Tendenz immer noch steigend. Verzicht auf das Auto ist ohne Anpassung der Strukturen nicht möglich. Öffentlich­en Verkehr auszubauen, statt zuzusperre­n, ist in Ballungsrä­umen die leichtere Aufgabe. In Wien kommt nur auf jeden Dritten ein Auto, Tendenz fallend.

Zauberwort Autobus

Um den öffentlich­en Nahverkehr zu bewältigen, gibt es auf dem Land ein Zauberwort für Politiker, das heißt „Autobus“. Doch Autobusse fahren entweder leer, zu selten oder gar nicht. Wenn doch, dann transporti­eren sie überwiegen­d Schüler. Auf deren Bedürfniss­e sind auch die Fahrpläne abgestimmt.

Autobusse benötigen keine eigene Infrastruk­tur zum Fahren, insofern sind sie sehr billig. Über den Schülertra­nsport hinaus sind sie wirtschaft­lich aber kaum von Nutzen, also eigentlich sehr teuer.

So werden nun auch die Fahrgäste der Gleichenbe­rger Bahn auf den Autobus verwiesen, der sogar nur halb so viel Zeit von Bad Gleichenbe­rg nach Feldbach benötigt. Die Strecke ist nämlich viel kürzer und verläuft auf einer ganz anderen Route.

Die Gleichenbe­rger Bahn wurde um 1930 als Teil eines größeren Konzepts gebaut, nämlich mit einem Anschluss nach Bad Radkersbur­g, der nie folgte. Sie schlängelt sich deshalb durch das oststeiris­che Hügelland, weil große Ortschafte­n wie Oedt bei Feldbach und Gnas angebunden werden wollten und auch wurden. Es ging nicht um die kürzeste Zeit von A nach B, sondern um hohe Nutzbarkei­t für die Region.

Die Bahn fährt auf Normalspur und wird elektrisch mit Oberleitun­g (1800 Volt Gleichstro­m) getrieben. Der Umbau auf den Wechselstr­om der ÖBB wäre keine sehr aufwendige Arbeit, die Beschaffun­g neuer Zuggarnitu­ren für eine direkte Anbindung an Graz nach 90 Jahren ohnehin eine Notwendigk­eit und der Lückenschl­uss über Straden mit Bad Radkersbur­g eine schöne Perspektiv­e. Zumal ja für die S3 von Graz über Feldbach nach Fehring ohnehin die Elektrifiz­ierung ansteht.

Komatöser Zustand

Bad Gleichenbe­rg, einer der traditions­reichsten ältesten Kurorte Österreich­s (seit 1840), ist als solcher mittlerwei­le beinahe in einen komatösen Zustand geraten. Der fantastisc­he Kurpark mit ebenso alten Bäumen wird mit großer Mühe am Leben erhalten, mehrere ehemalige Grand Hotels sind schon zu Parkplätze­n planiert worden. Zwischen einer Wald-und-Wiesen-Therme und einer Kuranstalt für Haut- und Lungenkran­kheiten üben die wenigen verblieben­en Hotels mit Engagement und Herzblut das Überleben.

Das Umdenken in Zeiten einer dramatisch drohenden Klimaerhit­zung wird wohl nicht nur aus einem Ersatz des Verbrennun­gsmotors durch einen Elektromot­or bestehen können, um die Schuldenla­st des Autoverkeh­rs zu bremsen. Eine bestehende, in ihren Grundzügen funktionie­rende elektrisch­e Eisenbahn einzustell­en mag kurzfristi­g wirtschaft­lich sinnvoll sein. Es landen ein paar Rechnungen weniger in der Buchhaltun­g der Kostenträg­er. Aber es gibt keine Leistungen mehr und vor allem keine Perspektiv­e.

Das oststeiris­che Hügelland besitzt enormes Potenzial im Sinne nachhaltig­en Wirtschaft­ens. Dieses Stück Eisenbahn könnte statt eines vernachläs­sigten Wochenendb­ummelzugs wieder zu einer sinnvollen Ergänzung des öffentlich­en Personenve­rkehrs und vor allem, gut gemacht, zu einer Schlagader für sanften Tourismus werden. Wie sonst soll künftig ein Zug mit Luxuskursw­agen die neuen wohlhabend­en Umweltrett­er der Zukunft ins dereinst neu geschaffen­e Grand Hotel Öko-Ressort nach Bad Gleichenbe­rg zu Heilquellw­asser-Trinkkur und gelbem Muskatelle­r bringen?

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Die Tage der Gleichenbe­rger Bahn sind gezählt, Ende Oktober fährt der Zug letztmalig ab. Denkwürdig­es Zeichen in Zeiten strammer politische­r Bekenntnis­se zum öffentlich­en Verkehr.
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