Im Universum der Unfähigkeit
Regisseur Ali M. Abdullah hat auf Basis von Fatih Akins Filmerfolg „Aus dem Nichts“eine Theaterarbeit über den Nationalsozialistischen Untergrund entwickelt.
Dieses Wochenende hat im Werk X die österreichische Erstaufführung von Aus dem Premiere. Basierend auf dem gleichnamigen Film von Fatih Akin aus dem Jahr 2017, der mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde, geht es darin um die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Als 2011 zwei wegen eines Raubüberfalls gesuchte Männer im deutschen Eisenach Suizid begingen und so ihr Netzwerk öffentlich wurde, hatte der NSU zehn Morde in ganz Deutschland und weitere Mordversuche und Sprengstoffanschläge gegen als migrantisch identifizierte Menschen verübt.
Das Bestehen des NSU war seit dem Ende der 1990er-Jahre durch ein breites Unterstützungsnetzwerk, darunter auch V-Personen des deutschen Verfassungsschutzes, ermöglicht worden. Nachdem die Polizeiarbeit vor 2011 mit der Kriminalisierung der Opfer beschäftigt gewesen war, kam es ab 2011 zu Aktenvernichtungen. Und erst vor kurzem, nämlich im August dieses Jahres, wurden die Urteile gegen drei Personen, angeklagt, an den Taten der rechtsextremen Terrorgruppe beteiligt gewesen zu sein, rechtskräftig.
Basierend auf diesen Ereignissen schuf Regisseur Akin seinen beklemmenden Rachethriller Aus dem
Nichts mit Diane Kruger in der Hauptrolle.
Ali M. Abdullah, Regisseur der Wiener Theateradaption und gemeinsam mit Harald Posch künstlerischer Leiter des Werk X, erweitert den beispielhaft fiktiven, auf eine Hinterbliebene fokussierten Plot des Films um diskursive Szenen.
„Dieses Universum der Unfähigkeit, dieser institutionalisierte Rassismus, die Kriminalität des Staates, der den Terror mitfinanziert, mitdirigiert hat, die weiterhin nebulösen Zusammenhänge – eigentlich wäre das alles auch in Österreich denkbar“, formuliert Abdullah sein Interesse am Thema. „Die rechte Internationale ist bestens vernetzt“.
Eine grausame Ideologie
Als Theatermacher wolle er Mechanismen in Systemen aufzeigen und die Gesellschaft im Verstehen der heutigen Welt weiterbringen. Für Aus dem Nichts war es ihm ein Anliegen, mit dem Team Szenen zu entwickeln, die auf die prinzipielle Frage nach der Darstellbarkeit von Gewalt reflektieren.
„Investigative Schauspielende“nennt Abdullah das sechsköpfige Ensemble: „Wir haben gemeinsam recherchiert. Und recherchieren weiterhin. Denn der NSU ist kein abgeschlossen geklärtes Phänomen.“
Auf der Bühne setzen unter anderen Zeynep Alan, Constanze Passin, Okan Cömert und Sebastian Thiers die gemeinsame Recherche ins Verhältnis zu Akins Film. Und beziehen beides auf ihre eigenen Biografien, Positionen und Visionen.
„Beispielsweise zeigen wir an diesem Abend vom NSU angefertigtes propagandistisches Filmmaterial. Entsprechend deren menschenverachtender Ideologie sind diese Inhalte von einer krassen Grausamkeit. Und auf der Bühne wird diskutiert: Sollen, können, wollen wir im Theaterkontext solche Bilder zeigen? Und wie unterscheiden wir uns je nach gesellschaftlichem Status in unserer Betroffenheit?“
Solche Fragen haben auch Konsequenzen für die Darstellungskunst, das Schauspiel selbst. In eine Rolle schlüpfen, das sagt sich so leicht. Was aber bedeutet es konkret?
Zum Beispiel für eine Schauspielerin mit türkischem Namen, sich die Rolle einer Täterin anzueignen?
Abdullah sieht in dieser Auseinandersetzung auch eine Verbindung zu „The Art of Being Many“, dem Thema der aktuellen Spielzeit: „Von darstellerischer Seite erfährt die Frage nach dem Sein als Miteinander-Sein eine Zuspitzung. Was passiert, wenn meine Bühnenfigur meiner tatsächlichen Person derart entgegensteht?“
Solche Widersprüche aufzuzeigen, hat sich Abdullah mit Aus dem
Nichts zur Aufgabe gemacht. Keine leichte. Aber eine wichtige.
Aus dem Nichts, Premiere 25. 9., 19.30