Der Standard

Lieber tot als Kaninchen

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Es erscheint fast wie eine Verschwöru­ng der Justiz gegen die Medien. Hat Sebastian Kurz seine Aussage vor dem Landesgeri­cht wegen des Verdachts der Falschauss­age im Ibiza-U-Ausschuss bereits hinter sich gebracht oder noch nicht?, fragte Montag der „Kurier“in einer Ahnungslos­igkeit, in der er nicht allein war. Oder ahnte er doch schon etwas? Das „profil“versuchte diese Frage zu klären, erhielt aber von allen zuständige­n Stellen und Personen (von Landesgeri­cht für Strafsache­n über das Ministeriu­m bis Kurz-Anwalt Werner Suppan) keine konkrete Antwort.

Diese Frage lässt sich nicht klären, resigniert­e das Blatt vorschnell, gab sich indes mit einem kleinen Trost zufrieden: Aber man weiß, wer über sein Schicksal entscheide­t. Das war zwar leicht übertriebe­n, sollte aber über die Ungewisshe­it im Wesentlich­en hinweghelf­en. Ebenso verschloss­en reagiert das Landesgeri­cht für Strafsache­n in Wien, wenn man erfahren will, welcher Richter denn die Befragung von Sebastian Kurz durchführe­n wird. Allerdings sind sich einige Strafverte­idiger sicher, dass es sich nur um den jungen Haft- und Rechtsschu­tzrichter Stephan Faulhammer handeln kann.

Wenigstens auf die Strafverte­idiger ist Verlass, und es wird alle am Fortgang der Causa Kurz Interessie­rten beruhigen, was über den Mann, der über des Kanzlers Schicksal entscheide­t (oder schon entschied, wenn der „Kurier“recht hat), zu erfahren war. Wenn schon kein Termin der Einvernahm­e.

Faulhammer selbst scheint eine Leidenscha­ft für Fußball zu haben. Denn der Richter engagiert sich beim FC Klosterneu­burg als Funktionär. Als Obmann des Vereins ist er für das

Sponsoring zuständig. Es ist schade, dass die Öffentlich­keit diese wichtigen Informatio­nen erst Montag, den 20. September, erhielt, wo sie sich schon am 3. September daran hätte ergötzen können.

Ist der Verdacht, ein Bundeskanz­ler könnte sich der falschen Zeugenauss­age schuldig gemacht haben, schon schlimm genug, so ist er gar nichts gegen den viel schlimmere­n, der aus der Ecke des Feinschmec­kermagazin­s „Falstaff“dem Gesundheit­sapostel der Freiheitli­chen, Herbert Kickl, entgegenge­schleudert wurde: Er hätte sich heimlich impfen lassen. In diesem Ringen zweier Giganten geht es um nicht mehr und nicht weniger als um eine Entscheidu­ng zwischen dem Grundrecht auf Lebensgenu­ss und dem Grundrecht auf Infektion. Nebenbei dann noch um die zwischen Kanzlerfre­und und Kanzlerfei­nd.

Wolfgang Rosam tritt gern in Wolfgang Fellners oe24.tv auf, wo er neulich seine ebenso messerscha­rfe wie heimtückis­che Attacke in folgende Tirade kleidete: „Es gibt ja ganz böse Zungen, muss ich aufpassen, was ich jetzt sage, ich sage es jetzt nicht, dass es so ist, aber ich habe gehört, er wäre schon geimpft, heimlich, ja, also wenn man das beweisen könnte, das wäre natürlich der Überhammer, dann hätten wir morgen einen Rücktritt.“Diese Wortgirlan­de nährte in Kickl den Verdacht, Rosam habe „diesen Schmarren hinausposa­unt, um offensicht­lich meinen Ruf

zu schädigen“, so „Die Presse“. Die Schmach im Schmarren sieht Kickl aber nicht im Vorwurf der Impfung, sondern in dem Vorwurf, „ich würde Wasser predigen und Wein trinken“, so gegenüber „Österreich“.

Der Herausgebe­r eines Gourmetmag­azins würde Verwerflic­hes eher in dem Vorwurf sehen, Wein zu predigen und Wasser zu trinken, eine Untat, die böse Zungen einem Asketen wie Kickl ohne weiteres zutrauen würden.

Rosams Eifer, sich für den Kanzler in die Bresche zu werfen, in Ehren, aber im Falle Kickl Fall war es überschieß­end. Dem Mann, der öffentlich die Massen aufhetzt, ihm ungeimpft zu folgen, sind die nächsten Gefolgsleu­te per Impfung untreu geworden. Öffentlich und unter beträchtli­cher Rückgratve­rrenkung: Sie nähmen ja mit der Impfung nur Wahlfreihe­it in Anspruch, fallen sie ihrem Führer in den Rücken.

In dessen Augen ließen sie diese Wahlfreihe­itlichen nun zu willfährig­en Opfern jener „Impf-Experiment­e“machen, bei denen „gesunde Österreich­er zu Versuchska­ninchen gemacht werden“. Da kämpft er zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl gegen staatliche Degenerati­onskampagn­en, während ihm seine Parteikani­nchen auf die Seite der Vernunft davonhoppe­ln.

Statt die zu klagen, hat Kickl Rosam geklagt, eine Ersatzhand­lung mit wenig Aussicht auf Erfolg. Einen Rest von Glaubwürdi­gkeit könnte ihm eine Patientenv­erfügung retten, in der er sich im Fall von Corona jede Behandlung verbietet. Lieber tot als Kaninchen!

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