Der Standard

KOPF DES TAGES

Eine Ikone bricht ihr Schweigen

- Markus Böhm

Es gehört eine große Portion Selbstüber­windung dazu, sich eingestehe­n zu müssen, „brutal entstellt“zu sein. Das ist für niemanden leicht. Schon gar nicht, wenn man erstens nichts dafürkann und zweitens sein ganzes Leben Kapital aus seiner Schönheit gezogen hat. Wie also muss sich Linda Evangelist­a gefühlt haben, als sie letzten Mittwoch ihre rund eine Million Follower via Instagram wissen ließ: „Ich bin, wie die Medien es beschriebe­n haben, ‚nicht wiederzuer­kennen‘.“

Die 56-Jährige, die im

Guardian als eines der berühmtest­en und einflussre­ichsten Models aller Zeiten bezeichnet wird, steht neben Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Cindy Crawford für eine Ära – die der Supermodel­s –, die in den 1990er-Jahren begann und jahrelang das Bild der Modeindust­rie prägte und bis heute nachwirkt. Die gebürtige Kanadierin mit italienisc­hen Wurzeln wurde 1978 bei einem Modelconte­st entdeckt, zog nach New York, dockte bei der renommiert­en Modelagent­ur Elite an und schaffte schließlic­h den Durchbruch.

Evangelist­a galt in der Folge als „Muse“Karl Lagerfelds, über den sie einst sagte, er habe ihre Karriere überhaupt erst ermöglicht, sie zierte das Cover der Vogue, warb unter anderem für L’Oreal und lieh Prada ihr Gesicht.

Legendär, für alle, die mit MTV aufgewachs­en sind, ist ihr Auftritt im Musikvideo zum Song Freedom von George Michael.

In den letzten Jahren war es allerdings ruhig um sie geworden. Nur selten postete sie neue Bilder von sich in den sozialen Medien. Und wenn, dann war ihr Gesicht, bedeckt durch ein Tuch oder einen Hut, nur teilweise zu sehen. Die Gründe dafür boten Anlass zu Spekulatio­nen.

Diese hat das Ex-Supermodel nun mit den eingangs zitierten, dramatisch­en Worten endgültig ausgeräumt. Ein schönheits­chirurgisc­her Eingriff zur Fettzellen­reduzierun­g, „Coolsculpt­ing“genannt, dem sie sich 2015 und 2016 unterzog, sei dafür verantwort­lich. Dieser habe sie „deformiert“, denn die Operation habe ihre Fettzellen vergrößert statt verkleiner­t.

Der Leidensdru­ck muss gewaltig sein, das lässt sich aus ihrem Statement herauslese­n: Der verpfuscht­e Eingriff habe sie in eine depressive Einsiedler­in verwandelt. Sie sei es leid, so zu leben, und wolle wieder erhobenen Hauptes vor die Tür gehen.

Es folgte eine Welle der Sympathie. Alte Weggefährt­innen würdigten ihren Mut, auch die neue Modelgarde meldete sich. So schrieb etwa Gigi Hadid aufmuntern­d: „Schönheit kann einem nicht genommen werden.“

 ?? Foto: Imago ?? Ex-Supermodel Linda Evangelist­a spricht über ihre verpfuscht­e Operation.
Foto: Imago Ex-Supermodel Linda Evangelist­a spricht über ihre verpfuscht­e Operation.

Newspapers in German

Newspapers from Austria