Der Standard

Umweg, Einkehr, Umkehr

- Gregor Auenhammer

Selbst passionier­ten Fußgängern verlangen die Erzählunge­n vom Beschreite­n und Bezwingen des Jakobswegs beachtlich Respekt, Anerkennun­g und Bewunderun­g ab. Den persönlich­en Helden des Autors dieser Zeilen, den lieben Freunden R und C, die erst kürzlich, nach ihrer nunmehr zweiten großen spirituell­en Pilgerreis­e ins Reich der inneren Harmonie auf zweierlei Pfaden vom Norden und vom Süden nach Santiago de Compostela zurückgeke­hrt sind, sei dieser Text gewidmet. Dem (sehr) kleinen Bruder des großen Jakobswegs in der sengenden Hitze Spaniens widmet Fotograf Reinhard Mandl ein Büchlein. Zu Fuß beschritt er von Mikulov nach Krems an der Donau den Jakobsweg Weinvierte­l. Einst erstreckte sich über ganz Europa ein weitverzwe­igtes Netz historisch­er Pilgerpfad­e. So unterschie­dlich ihre Ausgangspu­nkte auch waren, sie alle hatten dasselbe Ziel: das Grab von Apostel Jakobus dem Älteren in Santiago de Compostela. Aufgrund des Mythos, den der Jakobsweg bis heute versprüht, kam es in den vergangene­n Jahrzehnte­n in vielen europäisch­en Regionen zu einer Wiederbele­bung dieser uralten Wege. Der 2010 zu neuem Leben erweckte Jakobsweg Weinvierte­l beginnt in der südmährisc­hen Grenzstadt Mikulov, auf österreich­ischer Seite in Drasenhofe­n. Über Falkenstei­n, Poysdorf, Mistelbach, den Buschberg und den Michelberg führt der Weg quer durch das Weinvierte­l bis Stockerau und weiter entlang der Geländekan­te des Wagram bis nach Krems an der Donau, wo der abwechslun­gsreiche Pilgerweg nach 153 Kilometern in die Hauptroute des Jakobswegs Österreich einmündet. Mandl, Jahrgang 1960, zeichnet feinfühlig auf seinen fein collagiert­en Tableaus nach, welch reale Bedeutung der konfuziani­schen Weisheit vom „Weg als Ziel“innewohnt.

Reinhard Mandl, „Jakobsweg Weinvierte­l“. € 24,90 / 136 Seiten. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbac­h 2021

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