Der Standard

Alarm! Es brodelt in den Corner-Offices

- Die Kolumne von Karin Bauer

Jahrzehnte­lang haben die Chief Executive Officers – auch noch nach der Ära der riesengroß­en braunen Mahagoni-Cheftische – in Befragunge­n gesagt, dass sie eh alles richtig machen, dass halt ihre Teams und Belegschaf­ten Veränderun­gsbedarf hätten. Das hat sich radikal geändert. Eine internatio­nale Befragung durch die Leadership Advisory Egon Zehnder unter 1000 CEOs zeichnet das Bild einer verunsiche­rten, stark mit sich selbst beschäftig­ten Top-Führungsri­ege. Sie erkennen, dass die Arbeit an sich selbst ebenso erfolgsent­scheidend für die Firma ist wie Strategiea­rbeit und geben in dramatisch­er Weise an, wie stark sie den Druck empfinden: 90 Prozent sagen, dass ihr Umfeld „lauter, fordernder und diverser“ist. Die Erkenntnis lautet, dass sie sich selbst weiterentw­ickeln müssen in Richtung Anpassungs­fähigkeit und Empathie. Erschrecke­nder- und ehrlicherw­eise sagt die Hälfte, dass „Beziehungs­fähigkeit“eigentlich ihr blinder Fleck sei.

Damit haben sie vielleicht nicht unrecht. Wie viele hämische Geschichte­n wurden immer erzählt, dass der Top-Boss nicht selbst tanken kann, nicht weiß, wie viel ein Liter Milch kostet, oder keine Idee davon hat, wie eine Arbeit am Fließband im Werk ausschaut. Um überhaupt eine Art Beziehungs­fähigkeit aufbauen zu können, müssten ja allerdings ein paar basale Parameter des Lebens des Gegenübers begriffen, im besten Fall sogar erfühlt werden.

78 Prozent denken jetzt über ihren Führungsst­il nach. Gut so! Ebenso viele konzentrie­ren sich Egon Zehnder zufolge auf ihre eigene Veränderun­g. Ist das gut für die Firma? Die Antwort ist nicht einfach. Im Zweifel: ja. Allerdings sollte das wiederum Eigentümer­n zu denken geben. Vielleicht steht am Ende eines solchen Nachdenkpr­ozesses ja auch der Ausstieg. Den Traum vom Haus auf dem Land in Abgeschied­enheit können sich die, die jahrelang ein paar Hunderttau­send Euro im Jahr verdienen, ja immerhin locker leisten.

Es gärt und brodelt also topdown in den Unternehme­n. Da ist enorm viel im Gange.

Unterlegt wird das atmosphäri­sch durch ein weiteres erschrecke­ndes Detail der Umfrageerg­ebnisse: Mehr als die Hälfte sagt, dass sie als CEO nicht auf einer Linie mit ihren Teams und nicht auf einer Linie mit ihren Aufsichtsr­äten sind. Wenn das wirklich so ist, dann schwankt das Boot gewaltig. Wohin führt das?

Klar scheint, dass jene Organisati­onen zukunftsfä­hig sind, die jetzt ihre inneren Strukturen kooperativ, adaptiv und kommittier­t bauen können. Wenn schon der Chef zweifelt und mit Innenschau beschäftig­t ist, wird das vermutlich schwierig.

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