Der Standard

Wem die Steuerrefo­rm wirklich nützen wird

- András Szigetvari, Luise Ungerboeck

Im Oktober will die Koalition ihre große Steuerrefo­rm vorstellen. ÖVP und Grüne planen, niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten. Tatsächlic­h profitiere­n werden aber Mittel- und Besserverd­iener, dazu Unternehme­r. Um den CO₂-Preis tobt noch ein Kampf. Die Klimaabgab­e dürfte vorerst in homöopathi­schen Dosen kommen.

Noch bevor die Steuerrefo­rm fertig verhandelt ist, gibt es eine Botschaft der türkis-grünen Koalition zu dem Projekt. Die Grünen drängen auf eine ökologisch­e Wende. Sie wollen weg von klimaschäd­lichen Subvention­en, CO2-Emissionen sollen teurer werden. Die ÖVP will eine Entlastung für Unternehme­r, was als Stärkung des Wirtschaft­sstandorte­s verkauft werden soll. Was beide eint: Die Koalition propagiert die Entlastung der „kleineren und mittleren Einkommen“, der „Leistungst­räger“.

Gut auf den Punkt bringt das Kanzler Sebastian Kurz in einem Video auf der Plattform Tiktok: „Nun wird sich zeigen, ob Leistung und Eigenveran­twortung weiter Maxime unseres Handels sind. Ob arbeiten gehen, sich anstrengen, einen Beitrag leisten, sich auszahlt in Österreich“, so Kurz auf Tiktok.

Was soll sich also für arbeitende Menschen ändern – und wer genau wird entlastet? Auf den ersten Blick ist die Antwort simpel. Mehr Geld wird es jetzt vor allem für Bezieher höherer und mittlerer Einkommen geben, nicht für Niedrigver­diener.

Warum das so ist? Die Antwort darauf hat viel mit der Art und Weise zu tun, wie Einkommen vom Staat besteuert werden. Das System basiert auf Stufen. Bis 11.000 Euro ist der Verdienst steuerfrei, dann greift der Staat mit 20 Prozent zu – bis zu einem Einkommen von 18.000 Euro. Dann kommt die nächste Stufe und wieder eine. Auch wer mehr verdient, durchläuft also alle Stufen: Die ersten Euro werden gar nicht oder geringer besteuert, die letzten höher.

Die Koalition will die Tarifstufe­n zwei und drei senken: Wer ein Jahreseink­ommen von 18.000 bis 31.000 Euro hat, soll für diesen Gehaltstei­l statt bisher 35 nur noch 30 Prozent Steuer zahlen. Wer 31.000 bis 60.000 verdient, soll dafür statt 42 nur 40 Prozent zahlen.

Über eine Website des Sozialmini­steriums lässt sich simulieren, wie eine solche Abgabenänd­erung wirkt. Teilt man die Einkommens­bezieher

in fünf Gruppen, zeigt sich: Niedrigver­diener profitiere­n gar nicht, sie verdienen zu wenig. Die größte Entlastung in absoluten Zahlen bekommt das Fünftel der höchsten Einkommens­bezieher. Ihnen stünden pro Monat im Schnitt netto 82 Euro mehr zur Verfügung.

Ein paar Beispiele: Wer 2270 Euro netto im Monat hat, gewinnt 35 Euro. Bei 3930 Euro steigt das Plus auf 92 Euro. Bei 1677 Euro ändert sich für einen Single nichts. Das ist ein Wesen der Entlastung via Einkommens­steuer in Österreich: Oben kommt mehr an als unten.

Ist die Regierung also unsozial?

„Ärmel aufkrempel­n“

So lässt sich das nicht sagen. Bereits 2020 wurde der Eingangsst­euersatz von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Das gilt für den Verdienst zwischen 11.000 bis 18.000. Das hat Niedrig- wie Gutverdien­ern geholfen. Am Beginn der Kanzlersch­aft von Kurz stand außerdem tatsächlic­h eine reine Entlastung der Geringverd­iener. Noch unter TürkisBlau wurden Bezieher kleiner Einkommen bis 1500 Euro brutto monatlich über einen Sozialvers­icherungsb­onus von 300 Euro im Jahr entlastet. Im vergangene­n Jahr wurde der Bonus von der türkis-grünen Regierung auf 400 Euro angehoben.

Auf der sozialpoli­tischen Flanke sind also ÖVP und Grüne gegen Angriffe von links abgesicher­t. ÖGB und Arbeiterka­mmer unterstütz­en die Steuersenk­ungspläne der Regierung für Arbeitnehm­er jedenfalls.

Diskussion­en wird es an anderer Stelle geben. Nichts von den Steuerplän­en haben Arbeitslos­e und Bezieher der Mindestsic­herung.

Die Regierung will auch den Kinderbonu­s anheben. Das ist ein jährlicher Steuerabse­tzbetrag von 1500 Euro. Diese Gutschrift können nur jene voll nutzen, die genug verdienen und Steuern zahlen. 166.000 Kinder bekommen keinen Bonus, weil ihre Eltern über 330 Tage arbeitslos waren. Ob sich das nun ändert? Wie sagt Kurz im TiktokVide­o: Nun werde sich zeigen, „ob wir eine Gesellscha­ft sind, in der Menschen die Ärmel aufkrempel­n und nicht nur die Hand aufhalten“.

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