Wem die Steuerreform wirklich nützen wird
Im Oktober will die Koalition ihre große Steuerreform vorstellen. ÖVP und Grüne planen, niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten. Tatsächlich profitieren werden aber Mittel- und Besserverdiener, dazu Unternehmer. Um den CO₂-Preis tobt noch ein Kampf. Die Klimaabgabe dürfte vorerst in homöopathischen Dosen kommen.
Noch bevor die Steuerreform fertig verhandelt ist, gibt es eine Botschaft der türkis-grünen Koalition zu dem Projekt. Die Grünen drängen auf eine ökologische Wende. Sie wollen weg von klimaschädlichen Subventionen, CO2-Emissionen sollen teurer werden. Die ÖVP will eine Entlastung für Unternehmer, was als Stärkung des Wirtschaftsstandortes verkauft werden soll. Was beide eint: Die Koalition propagiert die Entlastung der „kleineren und mittleren Einkommen“, der „Leistungsträger“.
Gut auf den Punkt bringt das Kanzler Sebastian Kurz in einem Video auf der Plattform Tiktok: „Nun wird sich zeigen, ob Leistung und Eigenverantwortung weiter Maxime unseres Handels sind. Ob arbeiten gehen, sich anstrengen, einen Beitrag leisten, sich auszahlt in Österreich“, so Kurz auf Tiktok.
Was soll sich also für arbeitende Menschen ändern – und wer genau wird entlastet? Auf den ersten Blick ist die Antwort simpel. Mehr Geld wird es jetzt vor allem für Bezieher höherer und mittlerer Einkommen geben, nicht für Niedrigverdiener.
Warum das so ist? Die Antwort darauf hat viel mit der Art und Weise zu tun, wie Einkommen vom Staat besteuert werden. Das System basiert auf Stufen. Bis 11.000 Euro ist der Verdienst steuerfrei, dann greift der Staat mit 20 Prozent zu – bis zu einem Einkommen von 18.000 Euro. Dann kommt die nächste Stufe und wieder eine. Auch wer mehr verdient, durchläuft also alle Stufen: Die ersten Euro werden gar nicht oder geringer besteuert, die letzten höher.
Die Koalition will die Tarifstufen zwei und drei senken: Wer ein Jahreseinkommen von 18.000 bis 31.000 Euro hat, soll für diesen Gehaltsteil statt bisher 35 nur noch 30 Prozent Steuer zahlen. Wer 31.000 bis 60.000 verdient, soll dafür statt 42 nur 40 Prozent zahlen.
Über eine Website des Sozialministeriums lässt sich simulieren, wie eine solche Abgabenänderung wirkt. Teilt man die Einkommensbezieher
in fünf Gruppen, zeigt sich: Niedrigverdiener profitieren gar nicht, sie verdienen zu wenig. Die größte Entlastung in absoluten Zahlen bekommt das Fünftel der höchsten Einkommensbezieher. Ihnen stünden pro Monat im Schnitt netto 82 Euro mehr zur Verfügung.
Ein paar Beispiele: Wer 2270 Euro netto im Monat hat, gewinnt 35 Euro. Bei 3930 Euro steigt das Plus auf 92 Euro. Bei 1677 Euro ändert sich für einen Single nichts. Das ist ein Wesen der Entlastung via Einkommenssteuer in Österreich: Oben kommt mehr an als unten.
Ist die Regierung also unsozial?
„Ärmel aufkrempeln“
So lässt sich das nicht sagen. Bereits 2020 wurde der Eingangssteuersatz von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Das gilt für den Verdienst zwischen 11.000 bis 18.000. Das hat Niedrig- wie Gutverdienern geholfen. Am Beginn der Kanzlerschaft von Kurz stand außerdem tatsächlich eine reine Entlastung der Geringverdiener. Noch unter TürkisBlau wurden Bezieher kleiner Einkommen bis 1500 Euro brutto monatlich über einen Sozialversicherungsbonus von 300 Euro im Jahr entlastet. Im vergangenen Jahr wurde der Bonus von der türkis-grünen Regierung auf 400 Euro angehoben.
Auf der sozialpolitischen Flanke sind also ÖVP und Grüne gegen Angriffe von links abgesichert. ÖGB und Arbeiterkammer unterstützen die Steuersenkungspläne der Regierung für Arbeitnehmer jedenfalls.
Diskussionen wird es an anderer Stelle geben. Nichts von den Steuerplänen haben Arbeitslose und Bezieher der Mindestsicherung.
Die Regierung will auch den Kinderbonus anheben. Das ist ein jährlicher Steuerabsetzbetrag von 1500 Euro. Diese Gutschrift können nur jene voll nutzen, die genug verdienen und Steuern zahlen. 166.000 Kinder bekommen keinen Bonus, weil ihre Eltern über 330 Tage arbeitslos waren. Ob sich das nun ändert? Wie sagt Kurz im TiktokVideo: Nun werde sich zeigen, „ob wir eine Gesellschaft sind, in der Menschen die Ärmel aufkrempeln und nicht nur die Hand aufhalten“.