1. „Sollen wir Unternehmer entlasten?“
Noch wird verhandelt, doch die Marschrichtung ist klar. Wenn Finanzminister Gernot Blümel am 13. Oktober seine Budgetrede hält, wird er für Unternehmer gute Nachrichten parat haben. Bereits im Koalitionsabkommen haben sich ÖVP und Grüne darauf verständigt, parallel zur ökosozialen Steuerreform Unternehmer zu entlasten. Die Körperschaftsteuer soll von 25 auf 21 Prozent sinken. So hat es sich die ÖVP gewünscht.
Die Grünen wehren sich noch mit Händen und Füßen. Sie schlagen alternativ vor, die Lohnnebenkosten zu senken. Aber Wirtschaftskammer und Industrie wünschen sich weniger Gewinnsteuern. Die ÖVP wird also kein Interesse haben, hinter den Koalitionspakt zurückzugehen.
Schwieriger argumentierbar
Aber macht es Sinn, Unternehmen zu entlasten? Die Kosten der Aktion lassen sich abschätzen. 2019, in einem Nicht-Corona-Jahr, das sich für langfristige Aussagen besser eignet, lagen die Einnahmen des Staates aus der Körperschaftssteuer bei 9,5 Milliarden Euro. Sollte der Steuersatz von 25 auf 21 Prozent sinken, ergäbe sich daraus ein Einnahmeausfall von 1,5 Milliarden. Die Körperschaftsteuer ist nicht die wichtigste Steuer. Der Staat langt bei Beschäftigten und via Umsatzsteuer stärker zu. Aber 1,5 Milliarden sind keine Peanuts.
Das gilt umso mehr, weil eine Senkung der Unternehmenssteuern schwieriger zu argumentieren ist als eine Entlastung der Beschäftigten. Bei der Einkommenssteuer wirkt sich die kalte Progression aus, das ist eine schleichende Steuererhöhung. Diese kommt zustande, weil die Einkommenssteuer in Stufen steigt: Je mehr jemand verdient, umso eher fällt er in eine höhere Steuerstufe. Durch Gehaltssteigerungen, etwa die Inflationsanpassung, steigt der Anteil des Einkommens von Beschäftigten, der höher versteuert wird. Darum ist es kein Geschenk, wenn Arbeitnehmer
alle Jahre entlastet werden: Der Staat gibt zurück, was er davor extra eingenommen hat.
Bei der Körperschaftsteuer gibt es keine kalte Progression. Jeder Euro Gewinn wird mit 25 Prozent versteuert. Warum also entlasten?
Ein Argument lautet, Österreich müsse tätig werden, um im Wettbewerb mithalten zu können. In Ländern wie Ungarn und Tschechien ist die Steuerlast für Konzerne mit neun und 19 Prozent tatsächlich niedriger. Auch im EU-Schnitt zahlen Unternehmen etwas weniger Gewinnsteuern. Aber beim wohl wichtigsten Mitbewerber, Deutschland, liegen die Unternehmenssteuern bei 30 Prozent, wie ein Vergleich der Steuerberater von KPMG zeigt.
Aus dieser Perspektive hat Österreich also wenig Druck. Die Wirtschaft boomt zudem. Die Investitionen haben 2021 laut dem Ökonomen Simon Loretz vom Forschungsinstitut Wifo stark angezogen, nicht zuletzt wegen der Investitionsprämie, die Betrieben gewährt wurde. Österreichs Unternehmen suchen so viele Arbeitskräfte wie nie zuvor. Zu argumentieren, es brauche eine Steuersenkung, damit Betriebe investieren, geht sich kaum aus.
Den Unternehmen geht es also gut, eine Entlastung kostet Geld. Eine einfache Begründung, warum jetzt die Steuern sinken sollten, gibt es nicht. Trotzdem gibt es auch Argumente dafür. So zeigt die wissenschaftliche Literatur, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer die Investitionstätigkeit ankurbelt. Laut dem Ökonomen Loretz bringt jeder Prozentpunkt an niedrigerer Körperschaftssteuer zusätzliche Investitionen in Höhe von 0,4 bis 1,3 Prozent. Das deutsche Ifo-Institut hat errechnet, dass für jeden Euro, auf den der Staat verzichtet, die Investitionen im Privatsektor um 1,10 Euro steigen. Gesamtwirtschaftlich hat das Auswirkungen: Das unternehmernahe Forschungsinstitut Eco Austria hat einmal geschätzt, dass die Wirtschaftleistung dauerhaft um 0,7 höher läge, würden die Gewinnsteuern von 25 auf 19 Prozent sinken.
Wenn Unternehmen mehr investieren, mehr Maschinen kaufen, nimmt der Staat mehr ein: Die tatsächlichen Kosten der Maßnahme sind also weniger als 1,5 Milliarden Euro. Laut Schätzung des Budgetdienstes könnte es sogar bloß eine Milliarde kosten.
Die Frage lautet, ob dieses Geld besser verwendet werden könnte. Studien dazu gibt es nicht, dafür jede Menge Wertungen. Die Ökonomin Margit Schratzenstaller vom Wifo sieht „Zukunftsinvestitionen in Bildung, Betreuung, Forschung und Klimaschutz als vordringlich“an. Wenn zusätzlich entlastet werden soll, müssten die Spielräume dafür im Budget erst geschaffen werden. Monika Köppl-Turyna, Chefin von Eco Austria, sagt: Eine Körperschaftsteuersenkung sei standortpolitisch ein wichtiges Signal, vor allem weil eine Dekarbonisierung der ganzen Wirtschaft mit einer CO₂-Steuer anstehe.