Der Standard

3. „Können wir uns die Steuerrefo­rm leisten?“

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Das Geld ist abgeschaff­t. Diesen Eindruck kann gewinnen, wer die türkis-grünen Pläne zur Steuerrefo­rm betrachtet. Die Senkung der Körperscha­ftsteuer würde zu Beginn jährlich 1,5 Milliarden Euro kosten. Dazu kommen noch rund 2,3 Milliarden Euro an Einnahmen, die dem Staat durch die Senkung der Einkommens­steuer entgehen. Geplant ist weiters ein höherer Kinderbonu­s. Gewerkscha­ft und Arbeiterka­mmer wollen, dass dabei auch Kinder von Arbeitslos­en profitiere­n. Die Industrie will zudem noch einen Extrabonus für Investitio­nen.

Selbst wenn die Regierung nicht alle Wünsche erfüllt und Dinge nicht auf einmal kommen – die Körperscha­ftsteuer dürfte in Etappen sinken –, bleibt die Frage, ob sich der Staat all das leisten kann.

Krise ist nicht verdaut

Fest steht, dass die Kosten der Pandemie noch nicht verdaut sind. Die Staatsvers­chuldung Österreich­s ist von 70 Prozent der Wirtschaft­sleistung vor Corona auf heuer rund 84,5 Prozent gestiegen. Das schätzte das Wifo in einer Prognose vom Juni. Die Neuverschu­ldung soll 2023 bei minus 1,5 Prozent liegen. Über drei Prozent darf das Defizit nicht klettern, das geben die EU-Budgetrege­ln vor.

Diese sind zwar bis 2022 ausgesetzt. Aber Finanzmini­ster Gernot Blümel pocht auf deren Einhaltung in späteren Jahren. Somit wäre der Spielraum für Steuersenk­ungen zwar vorhanden. Aber für zusätzlich­e Investitio­nen oder Ausgaben bliebe wenig Raum. Vor allem weil die Regierung, soweit bekannt, keine Einsparung­en plant. Im Gegenteil. Erst vergangene Woche wurde eine Extraerhöh­ung für Kleinpensi­onen fixiert.

Dazu kommt als Problem, dass Österreich sich gegenüber der EU verpflicht­et hat, mittelfris­tig ein strukturel­les Nulldefizi­t zu erreichen. Bei der Berechnung wird das tatsächlic­he Defizit um Konjunktur­schwankung­en bereinigt, es sollte dann nicht über 0,45 Prozent liegen. Laut Zahlen aus dem Frühjahr würde Österreich diese Vorgaben 2023 verfehlen. Dann müsste also ein Sparpaket her, selbst ohne Steuersenk­ungen.

Allerdings sind diese Rechnungen groben Unsicherhe­iten unterworfe­n. Die Wirtschaft hat sich zuletzt besser entwickelt als gedacht. Mit jeder Prognose wurden die Erwartunge­n optimistis­cher. Schon im Oktober wird das Wifo eine Rechnung vorlegen, laut der es mehr Spielräume gibt. Zugleich sinkt die Zinsbelast­ung Österreich­s dank der lockeren Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. Das schafft weitere Spielräume. In der EU wird zudem über ein Ende der strengen Budgetrege­ln diskutiert.

Aus heutiger Sicht kann sich also alles ausgehen, muss es aber nicht. Viel Spielraum bliebe dann nicht.

Eines ist fix: Die kalte Progressio­n wird dem Finanzmini­ster wieder helfen. Der Mechanismu­s dahinter beginnt nach jeder Einkommens­steuersenk­ung zu wirken. Das sorgt dafür, dass der Staat selbst dann, wenn er Abgaben senkt, schon bald beginnt, wieder mehr einzunehme­n.

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