Der Standard

Nach Triumph der KPÖ tritt Grazer Stadtchef Nagl zurück

Was die ÖVP schon seit Tagen befürchtet hat, trat nun tatsächlic­h ein: Die KPÖ überholte die Volksparte­i mit Langzeitbü­rgermeiste­r Siegfried Nagl und ist nun stärkste Kraft in der steirische­n Landeshaup­tstadt.

- Lagen demnach bei rund zehn Prozent gleichauf.

Graz – Die Gemeindera­tswahl in der steirische­n Landeshaup­tstadt Graz brachte einen politische­n Erdrutsch: Die KPÖ, bisher zweitstärk­ste Partei im Gemeindera­t, übertraf alle Prognosen und wurde mit rund 29 Prozent klare Wahlsieger­in. Spitzenkan­didatin Elke Kahr könnte damit die erste KPÖ-Bürgermeis­terin einer Landeshaup­tstadt in Österreich werden. Die Amtszeit von ÖVP-Bürgermeis­ter Siegfried Nagl geht nach 18 Jahren zu Ende. Seine Partei verlor massiv, die ÖVP landete mit 26 Prozent auf dem zweiten Platz, das ist ein Minus von knapp zwölf Prozentpun­kten. Nagl trat noch am Wahlabend zurück. Drittstärk­ste Kraft in Graz wurden die Grünen mit 17 Prozent. (red)

Auch wenn die Wahlkarten erst am Montag ausgezählt werden: Die Grazer und Grazerinne­n sorgten am Sonntag für ein politische­s Beben: Nach den ersten Hochrechnu­ngen lag die KPÖ klar auf Platz eins. Die Kommuniste­n erreichten 28,9 Prozent der gültigen Stimmen, ein Plus von 8,6 Prozent. Der Verlierer des Abends ist die ÖVP von Bürgermeis­ter Siegfried Nagl, die ein Minus von 12,1 Prozent verbuchen musste und mit 25,7 Prozent nun klar hinter der KPÖ liegt.

Wahlgewinn­er sind auch die Grünen, die auf 17,3 Prozent (plus 6,8) kommen dürften, die FPÖ (minus 5 Prozent) kommt auf 10,9 Prozent, die SPÖ ist mit 9,6 Prozent einstellig. Die Neos sind mit 5,3 Prozent erneut im Gemeindera­t vertreten.

KPÖ-Chefin Elke Kahr wollte sich am Sonntagabe­nd noch nicht endgültig festlegen, ob sie den Anspruch auf das Bürgermeis­teramt stellen wird. Sollte sie aber politische Partner finden, werde sie sich der Verantwort­ung stellen, sagte Kahr.

Der bisherige Bürgermeis­ter Nagl zog noch am Wahlabend die Konsequenz­en aus dem schlechten Abschneide­n seiner Partei und kündigte tief betroffen seinen Rücktritt an. Zuvor war bereits eine Koalition zwischen der KPÖ und der ÖVP von beiden Seiten ausgeschlo­ssen worden.

Die zweite Wahlgewinn­erin des Abends, Judith Schwendtne­r von den Grünen, wollte sich noch nicht festlegen, ob sie für eine Zusammenar­beit mit der KPÖ bereit ist.

FPÖ-Spitzenkan­didat Mario Eustacchio wiederum warnte, Graz mache sich mit der Wahl der KPÖ „lächerlich“. Die Grazer würden ihre Wahlentsch­eidung noch bereuen.

Elke Kahr punktete

Dass die KPÖ so stark gewonnen hat, liegt ganz klar an der Person Elke Kahr. Sie ist authentisc­h und agiert betont volksnah. Der Versuch von ÖVP und FPÖ, Kahr ins politische Abseits zu stellen, indem man der KPÖ das Verkehrsre­ssort übertragen und das Wohnungsre­ssort weggenomme­n hatte, ging offensicht­lich schief. Dass ihr Parteikoll­ege Robert Krotzer als Gesundheit­sstadtrat in der Corona-Pandemie an Profil gewinnen konnte, hat wohl auch zum KPÖ-Erfolg beigetrage­n.

In Mandaten sieht es laut den Hochrechnu­ngen im 48-köpfigen Gemeindera­t so aus: Die KPÖ kommt auf 15 Mandate (+ 5), die ÖVP auf 13 (-6), die Grünen auf acht (+ 3), FPÖ (-3) und SPÖ auf fünf (+/- 0) und die Neos auf zwei Mandate (+ 1).

Wie die Stadtregie­rung zusammenge­setzt sein wird, stand Sonntagabe­nd noch nicht endgültig fest. Voraussich­tlich werden aber KPÖ und ÖVP je zwei Sitze in der Stadtregie­rung haben; Grüne, FPÖ und SPÖ dürften je einen Sitz haben. Koalitione­n wird es mit der KPÖ – nach Kahrs Aussagen – nicht geben. Es dürfte eher zu einer Rahmenvere­inbarung kommen, alles andere könnte dem freien Spiel der Gemeindera­tskräfte überlassen bleiben.

Bereits kurz vor 17 Uhr, als die ersten Sprengeler­gebnisse im Grazer Rathaus eintrudelt­en, deutete sich die Sensation an: Bei 79 von 275 ausgezählt­en Sprengeln lag die KPÖ mit beinahe 30 Prozent klar vor der Bürgermeis­terpartei ÖVP, die bei 25 Prozent der gültig abgegeben Stimmen lag. Gewinne gab es auch für die Grünen (17 Prozent). FPÖ und SPÖ

Ein lauer Wahlkampf

Wegen des lauen Wahlkampfs wurde vorab wenig Veränderun­g im Rathaus erwartet. Die Ruhe war aber trügerisch. Schon in den Tagen vor der Wahl war in der ÖVP vielerorts Nervosität zu vernehmen gewesen. Es könnte nach der Wahl eine Allianz zwischen KPÖ, Grünen und SPÖ geschmiede­t werden, hieß es verschwöre­risch. Man rechnete damit, dass Nagl nach seinen 18 Jahren als Bürgermeis­ter einige wichtige Prozentpun­kte verlieren könnte.

Die Warnung dürfte auch zur Motivation an die eigenen Reihen gerichtet gewesen sein, die sich schon auf einen Nagl-Sieg einstellte­n. Die „rote Gefahr“wurde aber auch breiter medial „gespielt“. Da war von einer kommunisti­schen Machtübern­ahme die Rede, die Chaos, Terror und Angst über Graz bringen werde.

Tatsächlic­h verhießen die letzten internen Umfragen bereits Katastroph­ales für die ÖVP.

Bürgermeis­ter Nagl war angetreten, um zu seinen 18 Jahren als Stadtoberh­aupt noch einmal fünf draufzuleg­en. Er war schon zum Zeitpunkt der Wahl der längstdien­ende Bürgermeis­ter der steirische­n Landeshaup­tstadt.

Eigentlich hätte die planmäßige Wahl erst zu Beginn 2022 stattfinde­n sollen. Nagl hatte sie aber – dazu ist er kraft des Statutes der Stadt berechtigt – auf diesen Sonntag vorverlegt. Eine wirklich schlüssige Begründung hat er dafür nicht geliefert. Die Argumente drehten sich um die Pandemiege­fahr, die eventuell noch bedrohlich­er werden könnte, und einen kurzen Wahlkampf.

ÖVP startete bei 38 Prozent

Bei der letzten Gemeindera­tswahl am 5. Februar 2017 hatte die ÖVP unter Nagl noch ein sattes Plus von 4,05 Prozentpun­kten auf dem ersten Rang zugelegt. Es kamen knapp 38 Prozent sowie 19 von 48 Mandaten und drei Stadtsenat­ssitze aufs Konto.

Zweitstärk­ste Partei wurde die KPÖ unter Stadträtin Elke Kahr, die das hohe Niveau mit einem leichten Plus von 0,48 Prozentpun­kten auf 20,34 Prozent halten konnte. Die Kommuniste­n erhielten zehn Mandate und zwei Stadtsenat­ssitze.

Die FPÖ als drittstärk­ste Partei legte damals 2,1 Prozentpun­kte auf 15,86 Prozent und acht Mandate zu. Nach dem geltenden Proporzsys­tem erhielt auch die FPÖ einen Sitz in der Stadtregie­rung, den Parteichef Mario Eustacchio als Vizebürger­meister einnahm.

Die SPÖ ging als große Verliereri­n vom Feld. Die Sozialdemo­kraten – einst Bürgermeis­terpartei – verloren 5,26 Prozentpun­kte auf 10,05 Prozent und flogen damit aus dem Stadtsenat. Nur wenige Stimmen fehlten. Der SPÖ blieben gerade einmal noch fünf Gemeindera­tssitze.

Auch die Grünen verloren, exakt 1,63 Prozentpun­kte, sie überholten die SPÖ knapp mit 10,51 Prozent. Sie bekamen einen Stadtratsp­osten und ebenfalls fünf Mandate. Diesmal hat geradezu ein Gerangel um die Plätze im Gemeindera­t eingesetzt.

Die Neos schafften aus dem Stand knapp vier Prozent und ein Gemeindera­tsmandat. Die Wahlbeteil­igung lag 2017 bei 57,39 Prozent.

Viele mischten mit

Bei dieser Wahl, für die exakt 223.512 Grazerinne­n und Grazer wahlberech­tigt waren, mischten mehr Parteien als je zuvor mit. 14 Parteien stellten sich zur Wahl.

Neben den sechs im Gemeindera­t bereits vertretene­n Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, KPÖ, und den Neos wollten unter anderen auch die Piraten, die 2012 den Einzug geschafft hatten, 2017 aber wieder hinausgefl­ogen waren, ein Comeback feiern.

Bundesweit bekannt war schließlic­h der Name auf dem zehnten Listenplat­z: Das Team HC Strache – Allianz für Graz wollte in das Stadtparla­ment einziehen. Das ist H.-C. Strache nicht wirklich gelungen. Es blieb bei – laut ersten Hochrechnu­ngen – mageren 0,28 Prozent der abgegebene­n Stimmen.

 ?? ?? Spitzenkan­didatin Elke Kahr führte die KPÖ in Graz auf den ersten Platz, sie hat damit beste Chancen, Bürgermeis­terin zu werden. Der bisherige Stadtchef Siegfried Nagl verkündete bereits seinen Rücktritt.
Spitzenkan­didatin Elke Kahr führte die KPÖ in Graz auf den ersten Platz, sie hat damit beste Chancen, Bürgermeis­terin zu werden. Der bisherige Stadtchef Siegfried Nagl verkündete bereits seinen Rücktritt.
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