Der Standard

Turbulente­s Wochenende in Sardinien

Gefängnis statt Kulturfest­ival, dann doch die Freiheit – unter der Bedingung, in zwei Wochen zur Verhandlun­g zurückzuko­mmen: Der katalanisc­he Ex-Premier Carles Puigdemont macht von sich reden.

- Reiner Wandler aus Madrid

Carles Puigdemont konnte am Wochenende seinen Aufenthalt auf Sardinien dann doch noch genießen, nachdem er am Donnerstag auf der italienisc­hen Insel zunächst festgenomm­en und dann am Freitagabe­nd doch wieder auf freien Fuß gesetzt worden war. Wie ursprüngli­ch geplant, traf er sich am Samstag mit sardischen Politikern und nahm an einem Kulturfest­ival im katalanisc­hsprachige­n Teil Sardiniens teil – von Zuschauern und Künstlern gefeiert.

Puigdemont­s Festnahme auf dem Flughafen in Alghero erfolgte auf Basis eines europäisch­en Haftbefehl­s aus Spanien. Das Oberste Gericht wirft ihm im Zusammenha­ng mit dem am 1. Oktober 2017 trotz Verbots aus Madrid abgehalten­en Referendum­s über die Unabhängig­keit Katalonien­s „Rebellion und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder“vor.

Nach einer Anhörung der Anwälte Puigdemont­s wurde dieser vom zuständige­n Gericht wieder freigelass­en. Direkte Auflagen verhängte die Richterin zwar nicht, lud ihn aber erneut für eine Verhandlun­g am 4. Oktober vor.

Samstagabe­nd kündigte Puigdemont an, Anfang dieser Woche wieder zurück nach Brüssel reisen zu wollen, wo er seit 2017 de facto im Exil lebt. Für den Verhandlun­gstermin will Puigdemont dann wieder in Sardinien sein, um dem Gericht Rede und Antwort zu stehen. Bereits bei seiner Freilassun­g ging die italienisc­he Justiz explizit davon aus, dass Puigdemont Immunität genießt, er gehört seit 2018 dem Europaparl­ament an.

„Bin Verfolgung gewohnt“

„Ich bin es gewohnt, von Spanien strafrecht­lich verfolgt zu werden, aber am Ende ist es immer das Gleiche“, sagte Puigdemont. Die spanische Justiz lasse „keine Gelegenhei­t aus, um sich lächerlich zu machen“.

Bereits 2018 war Puigdemont in Deutschlan­d festgenomm­en, dann aber nicht ausgeliefe­rt worden. Auch die belgische Justiz erkannte den Vorwurf der „Rebellion“nicht an und schob Puigdemont nicht ab.

Bei der juristisch­en Auseinande­rsetzung geht es jetzt darum, inwiefern die Immunität Puigdemont­s gültig ist. Das Europaparl­ament hatte sie im vergangene­n März ausgesetzt – seitdem prüft der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union (EuGH) die Rechtmäßig­keit dieses Schritts. Einen Eilantrag auf Rückgabe der Immunität im Juli lehnte das Gericht in Luxemburg ab: Die Richter sahen keine Gefahr einer Verhaftung Puigdemont­s, hielten aber die Möglichkei­t offen, im Falle einer Festnahme einen erneuten Eilantrag zur Wiedereins­etzung der Immunität zuzulassen. Puigdemont­s Anwalt Gonzalo Boye hat dies jetzt getan.

Der Regierung unter dem Sozialiste­n Pedro Sánchez kommt die sardische Causa sehr ungelegen, hat sie doch erst vor knapp zwei Wochen einen vorsichtig­en Dialogproz­ess mit der katalanisc­hen Regierung in die Wege geleitet. Sánchez beteuerte bereits kurz nach der Festnahme Puigdemont­s am Freitag, den Dialog auf jeden Fall aufrechter­halten zu wollen.

„Repression geht weiter“

Auch der katalanisc­he Regierungs­chef Pere Aragonès äußerte sich in diese Richtung. Allerdings reiste er am Wochenende nach Sardinien, um seinen Amtsvorgän­ger demonstrat­iv „zu unterstütz­en – und zu beklagen, dass die Repression weitergeht“. Er verlangte einmal mehr Amnestie für alle, gegen die im Zusammenha­ng mit dem Referendum von 2017 juristisch­e Schritte eingeleite­t wurden. Außerdem strebt er ein erneutes Referendum an, in Absprache mit Madrid. Sánchez lehnte beides immer wieder ab.

 ?? ?? Daumen hoch, alles wieder in Ordnung. Nach seiner kurzzeitig­en Festnahme war Carles Puigdemont in Sardinien gefragtes Fotomotiv.
Daumen hoch, alles wieder in Ordnung. Nach seiner kurzzeitig­en Festnahme war Carles Puigdemont in Sardinien gefragtes Fotomotiv.

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