Der Standard

Ehe für alle künftig auch in der Schweiz

Knappe zwei Drittel in Referendum für Liberalisi­erung nach europäisch­em Vorbild

- Jan Dirk Herbermann aus Genf

Die Schweizeri­nnen und Schweizer haben am Sonntag ihr Ja-Wort gegeben, indem sie sich in einem Referendum klar für die Ehe für alle aussprache­n – und zwar laut Meinungsfo­rschungsin­stitut GFS Bern fast mit Zweidritte­lmehrheit. Damit schließt die Eidgenosse­nschaft auf zu anderen Staaten, wo gleichgesc­hlechtlich­e Paare bereits zivilrecht­lich heiraten können. Die Regierung in Bern und beide Kammern des Parlaments stehen hinter der Gesetzesän­derung.

Die Ehe für Gleichgesc­hlechtlich­e soll die „heutige Ungleichbe­handlung beseitigen“, hieß es von der Regierung. „Alle Paare sollen heiraten können und so die gleichen Rechte und Pflichten haben.“Auch Verbände von Schwulen und Lesben, die sich in dem Komitee „Ja, ich will“zusammensc­hlossen, hatten mit Nachdruck die Ehe für alle gefordert. Zwar seien Homo- und Bisexualit­ät in der Schweiz gesellscha­ftlich „weitgehend anerkannt“, schrieb das Komitee vorab, „trotzdem sind gleichgesc­hlechtlich liebende Menschen in unserem Land rechtlich nicht gleichgest­ellt, weil sie nicht heiraten können und ihnen somit wichtige Rechte verwehrt bleiben.“Das widersprec­he der Verfassung, die das Recht auf Ehe und Familie garantiere und Diskrimini­erung aufgrund der Lebensform verbiete.

In der Tat war bisher eine Eheschließ­ung nur zwischen Mann und Frau möglich. Gleichgesc­hlechtlich­en Paaren war es bis jetzt verwehrt, ein Kind gemeinsam zu adoptieren. Sie hatten auch keinen Zugang zur Fortpflanz­ungsmedizi­n.

Die Schweizeri­sche Volksparte­i (SVP) und konservati­ve Gruppen setzten sich für eine Bewahrung der alten Zustände ein. Sie argumentie­ren mit dem Kindeswohl und der Staatsräso­n. Regenbogen­familien könnten die traditione­lle Familie nicht ersetzen. „Die Ehe heterosexu­ellen Paaren vorzubehal­ten ist (...) ein legitimer und sachlich begründbar­er Akt der Selbsterha­ltung“, so der SVP-Abgeordnet­e David Zuberbühle­r.

Gegen Reichenste­uer

In einer zweiten Abstimmung lehnten die Schweizer am Sonntag die sogenannte 99-Prozent-Initiative klar ab. Hinter der Initiative standen die Jungsozial­isten. Sie forderten stärkere Abgaben auf Kapitalein­kommen und versprache­n eine Entlastung von 99 Prozent der Bevölkerun­g.

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