Der Standard

Wie sich der Kanzler verteidigt hat

Vier Falschauss­agen im U-Ausschuss wirft die Korruption­sstaatsanw­altschaft dem Kanzler vor. In seiner Einvernahm­e blieb Sebastian Kurz dabei, inhaltlich richtig ausgesagt zu haben. Im Rückblick aber würde er manches anders machen.

- Renate Graber, Fabian Schmid

Extrem unangenehm“sei es für ihn im U-Ausschuss gewesen, beklagte sich Sebastian Kurz bei seiner Einvernahm­e am 3. September. Man sitze dort mit „lauter Leuten, die einem gegenüber feindselig sind“, die Widersprüc­he und Fehler suchen würden. Allein der frühere Kurier-Herausgebe­r und Neos-Abgeordnet­er Helmut Brandstätt­er löse bei Kurz starke Reaktionen aus: „Wenn ich den nur sehe, kriege ich schon innerlich – ich will das jetzt nicht ausspreche­n, weil das wird öffentlich protokolli­ert.“Jede dritte Frage, die dieser gestellt habe, sei „unterstell­end“, behauptete Kurz als Beschuldig­ter.

Als man bei der Einvernahm­e, die von einem Haft- und Rechtsschu­tzrichter am Landesgeri­cht Wien durchgefüh­rt wurde, beim Kernvorwur­f der Falschauss­age im U-Ausschuss angelangt war, waren schon einige Stunden vergangen. Begonnen hatte der junge Richter mit anderen Themen, und Kurz selbst hatte eine einleitend­e Stellungna­hme abgegeben.

In dieser hat der Kanzler unter anderem seinen offenbar hektischen Arbeitsall­tag beschriebe­n: Hunderte Nachrichte­n schreibe beziehungs­weise bekomme er jeden Tag, „im Normalfall – wenn ich nicht da bei Ihnen sein darf – habe ich zumindest zehn Termine pro Tag“. Kurzum: Er habe einen „Overflow an Informatio­n“. Zudem merkte der beschuldig­te Kanzler an, damals, „im Mittelpunk­t einer Pandemie“, habe er nicht viel Zeit für die Vorbereitu­ng auf seine Befragung gehabt.

Grundsätzl­ich sei er „selbstvers­tändlich mit dem Vorsatz hingegange­n, die Wahrheit zu sagen, weil alles andere absurd wäre“. Bei seiner ersten Befragung am 25. Juni 2020 habe er aber vielleicht den Fehler gemacht „dass ich da oft einfach sehr schnell geantworte­t habe“.

Die Grundemoti­on

Einer der Kernsätze, um die es bei den Vorwürfen geht, dreht sich um die Frage, wann Sebastian Kurz davon erfahren hat, dass der damalige Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid, selbst Chef der Staatshold­ing Öbag werden wolle. Neos-Abgeordnet­er Brandstätt­er fragte in diesem Zusammenha­ng, ob Schmid „bis zu dem Zeitpunkt, an dem er Ihnen gesagt hat: Ich möchte mich für diesen ausgeschri­eben Posten bewerben, nie“mit Kurz darüber gesprochen habe, dass er das werden könnte. Kurz antwortete laut Protokoll: „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzl­ich interessie­rt (...).“

Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) legte das als Verneinung von Kurz aus. Er selbst argumentie­rt völlig anders. Er habe „na, es war ja allgemein bekannt (...)“gesagt – das wollte er auch im U-Ausschuss-Protokoll so berichtigt haben, diese Korrektur wurde aber abgelehnt.

Vor dem Richter kritisiert­e Kurz, dass ihn Brandstätt­er mit einem „Schachtels­atz“befragt habe, der eine „Unterstell­ung beinhaltet“. Zudem gab er Einblick in seine Gemütsverf­assung: „Wenn ich vom Brandstätt­er etwas höre, nehme ich immer eine generell ablehnende Haltung ein. Also wenn ich da ‚na‘ sage, dann kann das sozusagen aus meiner Grundemoti­on schon nie zustimmend zu ihm sein.“

Wie man es auch sehe, es „bleibt ja immer noch über, dass ich oben die Wahrheit gesagt habe“, fasste Kurz seine Sicht zusammen.

Beim zweiten und dritten Vorwurf geht es darum, ob Kurz in die Personalen­tscheidung­en bei der Öbag eingebunde­n gewesen sei. Auf die Frage von Kai Jan Krainer (SPÖ), ob er im Vorfeld bei der Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvors­tand „eingebunde­n“gewesen sei, sagte Kurz im U-Ausschuss: „Eingebunde­n im Sinne von informiert, ja.“Und auch zur Frage nach der Bestellung der Öbag-Aufsichtsr­atsmitglie­der sagte Kurz, er sei „eingebunde­n“, gewesen, aber dass die Entscheidu­ng der damalige Finanzmini­ster Hartwig Löger getroffen habe.

Zum Thema Schmid-Bestellung sagt er in seiner Beschuldig­teneinvern­ahme, dass er nicht wisse, was er anderes hätte antworten sollen. Denn er habe „nur den Wissenssta­nd gehabt (...), dass die Aufsichtsr­atssitzung jetzt stattfinde­t (...)“. Schließlic­h sei er selbst kein Aufsichtsr­at und habe nicht mit den Aufsichtsr­äten telefonier­t „und gesagt: ‚Bestellts den Schmid‘“.

Nicht entschiede­n

Bei der Aufsichtsr­atsbestell­ung sei er eingebunde­n gewesen, es sei aber auch richtig, dass er es nicht entschiede­n habe, denn: „Sonst würde der Aufsichtsr­at auch anders ausschauen.“Kurz verwies bei diesem Themenkomp­lex immer wieder darauf, dass er selbst gern den Industriel­len Siegfried Wolf als Aufsichtsr­atsvorsitz­enden gesehen hätte und auch den ehemaligen deutschen Minister Theodor zu Guttenberg vorgeschla­gen habe.

Beim letzten Vorwurf geht es um die sogenannte­n Sideletter zwischen den damaligen Koalitions­parteien ÖVP und FPÖ rund um Personalen­tscheidung­en. Auch da fragte Brandstätt­er: Er legte Kurz im UAusschuss eine SMS zwischen dem damaligen Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache und Löger vor, in dem von einer Vereinbaru­ng zwischen den Verhandler­n Thomas Schmid und Arnold Schiefer die Rede war. Kurz antwortete: „Ich habe keine Ahnung, was die vereinbart haben.“

Zum einen kritisiert­e Kurz, dass man ihm im U-Ausschuss diese Vereinbaru­ng nicht vorgelegt habe, zum anderen, dass die SMS von Dritten stamme. Im U-Ausschuss sagte Kurz, er habe diese SMS weder erhalten noch geschriebe­n und dass das „alles sein kann“.

Vor dem Richter argumentie­rte der Kanzler so: Er habe ja nicht in Zweifel gezogen, „dass die etwas vereinbare­n“; er habe nur nicht erahnen können, von was „die jetzt genau reden“. Kurz weiter: „Sie sind nicht Teil der Vereinbaru­ng, Sie haben die Vereinbaru­ng auch nicht getroffen und dann sagt wer zu Ihnen; ‚Was ist das für eine Vereinbaru­ng?‘ Und Sie sagen: ‚Keine Ahnung, das kann alles sein‘, das ist dann eine Falschauss­age? Ich meine im Ernst?“

Letztlich wollte der Richter noch vom Beschuldig­ten wissen, ob er „aus heutiger Sicht irgendetwa­s anders machen würde“beim U-Ausschuss? Kurz bejahte: Er würde sich „erstens besser vorbereite­n“und „zweitens nicht schnell und ehrlich versuchen (...), frei von der Leber weg“Fragen zu beantworte­n, sondern er würde sich „endlos lang mit meinem Rechtsanwa­lt beraten“und „jedes Wort auf die Waagschale legen“. Das habe er dann auch bei seiner zweiten Befragung gemacht.

 ?? ?? Sebastian Kurz vor seiner ersten Befragung im U-Ausschuss im Juni 2020. Rückblicke­nd würde er nicht mehr so schnell antworten und „jedes Wort auf die Waagschale legen“.
Sebastian Kurz vor seiner ersten Befragung im U-Ausschuss im Juni 2020. Rückblicke­nd würde er nicht mehr so schnell antworten und „jedes Wort auf die Waagschale legen“.

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