Der Standard

Vulkan zerstört Wirtschaft La Palmas

Meterhohe Lava zieht auf La Palma durch das Land und begräbt alles unter sich. Große landwirtsc­haftliche Flächen sind bedroht. Die Bananen- und Avocado-Ernte stehen auf der Kippe, der Tourismus hängt in den Seilen.

- Reiner Wandler aus Madrid

Die Erntearbei­ten in den Plantagen unterhalb der Cumbre Vieja – dem alten Gipfel – laufen auf Hochtouren. Nachdem auf La Palma am 19. September nach 50 Jahren Ruhepause ein neuer Vulkan ausgebroch­en ist, wälzen sich riesige Lavaströme Richtung Meer und begraben alles unter sich, was sie auf ihrem Weg finden: Häuser, Straßen und ganze Landgüter. Es ist ein Wettlauf gegen den Vulkan, um zu retten, was noch zu retten ist.

Der Hauptstrom hat an seiner Stirnseite eine Höhe von mehr als 20 Metern. 461 Immobilien und rund 212 Hektar Land waren bis zum Wochenende verloren gegangen. 7200 Menschen mussten bereits evakuiert werden. Die meisten werden wohl alles verlieren, was sie nicht schnell noch einpacken konnten. La Palma gehört zur Gruppe der spanischen Kanarische­n Inseln im Atlantik vor der Nordwestkü­ste Afrikas.

Der neue Vulkan wird – so schätzen die Experten vor Ort – noch ein bis drei Monate aktiv sein. Wenn die Lava tatsächlic­h dem vorhergesa­gten Weg zum Meer folgt, werden – so die Angaben des Bauernverb­andes COAG – 292 Hektar Bananensta­uden, 60 Weinberge und 92 Avocado-Plantagen sowie 18 Viehfarmen dem Erdboden gleichgema­cht. Weitere 1200 Hektar Anbaufläch­e werden durch Hitze und Asche schwere Schäden davontrage­n. Die Ernte wird auch dort verlorenge­hen.

Plantagen bald isoliert

Doch damit nicht genug. Die Lavaflüsse werden schon bald 400 Hektar Plantagen, auf denen jährlich 20.000 Tonnen Bananen geerntet werden, isolieren. Die Bauern haben dann keinen Weg mehr auf ihre Felder. Die Lava hat bereits jetzt mehrere Straßen unterbroch­en. Faktisch ist die Insel in zwei Teile geteilt. Die Gemeinden auf der anderen Seite der Lavazunge müssen nun über die Gipfelregi­on im Landesinne­ren die gesamte Insel durchquere­n, um die andere Seite zu erreichen, auf der viele arbeiten. Das sind mehr als zwei Stunden mit dem Auto.

„Das ist das Aus für die Landwirtsc­haft in diesem Gebiet“, erklärt Miguel Martín vom Landwirtsc­haftsund Viehzuchtv­erband auf La Palma (ASPA). Martin fürchtet um die hydraulisc­hen Infrastruk­turen der Insel, alte, zum Teil in den Fels gehauene Tunnel. Sollten der Vulkanausb­ruch und die Erdbeben diese beschädige­n, könnten viele Bauern ihre Plantagen nicht weiter bewässern. Bananensta­uden brauchen sehr viel Wasser.

La Palma ist die Bananenins­el der Kanaren schlechthi­n. 50 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s der Insel werden durch Bananen erwirtscha­fparks tet. 5300 Produzente­n zählt La Palma. Etwa 10.000 Familien sind direkt vom Bananenanb­au abhängig. Zu Erntezeite­n arbeiten auf den Plantagen mehr als 30 Prozent der Bevölkerun­g der umliegende­n Gemeinden. Die Hauptprodu­ktionszeit läuft gerade an. Laut Statistike­n der Inselunive­rsität La Laguna machen Bananen 41 Prozent der gesamten landwirtsc­haftlichen Produktion auf La Palma aus. Die Insel mit gerade einmal 80.000 Einwohnern produziert 150.000 Tonnen Bananen pro Jahr, das ist ein Drittel der Gesamtmeng­e der gesamten Kanarische­n Inseln.

Die Inselregie­rung geht bereits jetzt von einem Gesamtscha­den von mehr als 400 Millionen Euro aus. Der Westen der „schönen Insel“– so die Tourismusw­erbung für La Palma – ist ein Katastroph­engebiet. Ausgerechn­et hier, wo die Lava fließt, lud einer der Naturder Insel die Besucher zu langen Wanderunge­n durch üppig Vegetation der Berge, auch sie das Ergebnis einstiger vulkanisch­er Aktivität. Das Gebiet, durch das der Hauptstrom der Lava fließt, verfügte über mehr als hundert Landhäuser und kleine Komplexe mit Zimmern und Ferienwohn­ungen. Etwa 5000 Übernachtu­ngsplätze werden wohl verlorenge­hen.

Während Schäden an Häusern und Pkws im Falle eines Vulkanausb­ruchs von Versicheru­ngen abgedeckt sind, ist dies bei der Landwirtsc­haft nicht so, erklärt der Versicheru­ngsverband Agroseguro der spanischen Tageszeitu­ng El País. Sowohl die Regierung der Kanarische­n Inseln als auch jene in Madrid verspreche­n schnelle Hilfe. Die Regionalre­gierung will leerstehen­de Häuser und Wohnungen ankaufen, um diejenigen dort unterzubri­ngen, die alles verloren haben.

Immerhin eine Politikeri­n zeigt sich optimistis­ch: „Der Ausbruch von La Palma ist eine Touristena­ttraktion, die wir nutzen können“, erklärte die spanische Tourismusm­inisterin Reyes Maroto. Sie wolle dafür sorgen, dass „Informatio­nen bereitgest­ellt werden, damit Touristen auf die Insel reisen und etwas noch nie Dagewesene­s genießen können“. Sie stieß mit diesen Aussagen bei der Inselbevöl­kerung auf Unverständ­nis und musste sich entschuldi­gen.

Flughafen wieder offen

Bis der Tourismus für die geplagte Insel aber überhaupt wieder zum Thema wird, wird es dauern. Die Stärke der Eruptionen des Cumbre Vieja hatte zuletzt wieder zugenommen. Aufgrund der vielen Asche musste der Flughafen zeitweise gesperrt werden, am Sonntag konnte nach dem Einsatz von Reinigungs­teams der Betrieb wiederaufg­enommen werden, teilte die Betreiberg­esellschaf­t Aena mit. Die Nachbarins­eln Teneriffa und La Gomera können ebenfalls wieder angeflogen werden. Fähren von La Palma nach Teneriffa waren nicht betroffen.

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Foto: Reuters / Jon Nazca Der Ausbruch des Vulkans Cumbre Vieja auf La Palma bedroht das Leben auf der kanarische­n Insel.
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Foto: Reuters / Nacho Doce Vulkanasch­e bedroht die Ernte, viele Plantagen sind bald isoliert.

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