„Raus aus den eigenen vier Wänden“
Die Verantwortlichen der Skifahrt denken über ihr Produkt nach. ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer sieht Handlungsbedarf, um wieder vermehrt eine jüngere Generation anzusprechen.
Sowohl im österreichischen als auch im internationalen Skiverband hat eine Wachablöse stattgefunden. Zur neuen Führungsriege zählt seit einem Jahr auch Christian Scherer. Der Osttiroler will „die Geschichte und die Tradition nicht komplett verstecken“, aber die jüngere Generation wieder vermehrt ansprechen und zur Bewegung in der Natur animieren.
STANDARD: Kommt der ehemalige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel eigentlich öfter in der Innsbrucker Zentrale auf einen Kaffee vorbei?
Scherer: Natürlich. Es gibt einen Austausch und Abstimmungen. Peter ist als Interessenvertreter für den ÖSV und als gewählter Vizepräsident bei der Fis tätig. Ein Wissenstransfer, speziell nach so langer Amtszeit, und ein harmonischer Übergang sind essenziell.
STANDARD: Was erwarten Sie vom neuen Fis-Präsidenten Johan Eliasch?
Scherer: Er will kommerzielle Akzente setzen, möchte neue Märkte erschließen und auch das Thema Governance und Gender Equality vorantreiben. Von dem her gibt es viel für ihn zu tun. Er macht sich wohl gerade ein Bild über die Struktur der Fis. Dann wird er im Austausch mit den Mitgliedsverbänden die nächsten Schritte setzen.
STANDARD: Eine seiner ersten Aktionen war, dem Nachwuchs den Zugang zu Material zu erleichtern.
Scherer: Es gibt ein Entwicklungsprogramm von Skifirmen. Personen und Ländern, die keinen optimalen Zugang zu Material haben, werden Skier bereitgestellt. Die Fis unterhält jetzt auch ein Büro in China, es gibt auch dort verstärkte Aktivitäten, um auch diesen Zukunftsmarkt zu erschließen. Es gibt hier schon einige Initiativen und Akzente.
STANDARD: Wie ist eigentlich Ihre Rolle als Generalsekretär im Skiverband definiert?
Scherer: Grundsätzlich ist der Generalsekretär laut Statut der höchste hauptamtliche Mitarbeiter des ÖSV und dementsprechend schlussendlich auch für alle Teilbereiche verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich. Corona, Marketing, Verkauf und Partnerschaften sind etwa ein Thema. Und schlussendlich als Zeichnungsberechtigter von mir zu verantworten.
STANDARD: Sie sind ein Jahr im Amt. Durch Corona war es eine sehr spezielle Zeit. Ihr Zwischenresümee?
Scherer: Natürlich war es herausfordernd, aber ich kann mich bei Fragen immer an meinen Vorgänger Klaus Leistner, der fast 50 Jahre im Verband und in Detailfragen stark involviert war, wenden. Positiv ist auch, dass wir viele langjährige Mitarbeiter in der Administration haben, die ihren Bereich sehr gut kennen und eigenständig arbeiten. Die Corona-Situation war eine neue Dimension, für alle Neuland. Aber ich kann sagen, dass wir sowohl wirtschaftlich und organisatorisch als auch sportlich eine sehr gute Saison hatten. Von dem her haben wir sicher viel richtig gemacht.
STANDARD: Konnten die durch fehlende Zuschauer ausgebliebenen Einnahmen durch die Übernahme zusätzlicher Rennen kompensiert werden?
Scherer: Wir konnten durch die Übernahme von Rennen zusätzliche TV-Gelder lukrieren und Einnahmenausfälle im Bereich des Ticketings kompensieren. Ausgaben vor Ort haben sich reduziert, weil keine temporäre Infrastruktur notwendig war und manche Serviceleistungen weggefallen sind. Wir haben ein moderates Preisniveau bei den Tickets, sie sind für den ÖSV als Veranstalter nie eine Haupteinnahmequelle. Die Verluste waren vor allem bei der Vierschanzentournee schmerzhaft, wo eine permanente Infrastruktur vor Ort ist. Über Unterstützungsfonds konnten jedoch auch hier Einnahmenausfälle zum Teil kompensiert werden.
STANDARD: Die Jugend verbringt viel Zeit mit dem Handy, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt zum Teil drastisch. Wohin muss sich der Skisport entwickeln, um attraktiv zu bleiben?
Scherer: Das ist ein gesellschaftspolitisches Thema, das uns alle fordert. Es gibt Schulterschlüsse im Bereich des organisierten Sports, aber auch im Zusammenspiel mit alpinen Vereinen. Die Grundidee von all diesen Organisationen ist dieselbe: Wir müssen junge und auch ältere Menschen raus aus den eigenen vier Wänden bringen, zu Bewegung in der Natur animieren. Es gab früher mehr Konkurrenzdenken im Sport, wenn die Sportart X erfolgreicher war, musste die Sportart Y darunter leiden. Dieses Denken gibt es nicht mehr. Der Stellenwert von Sport und Bewegung wird dann groß sein, wenn wir in vielen Sportarten erfolgreich sind.
„Das Produkt muss telegen sein und Amuse-Appeal haben.“
STANDARD: Sollte man nicht zudem auch versuchen, manche Formate knackiger zu gestalten?
Scherer: Auch das hat der neue FisPräsident angestoßen, er hat die Future Strategie Working Groups installiert, wo über das Produkt nachgedacht wird. Es muss telegen sein und Amuse-Appeal haben. Wir müssen die Geschichte und die Tradition nicht komplett verstecken, brauchen keine neuen Formate. Es braucht eine gewisse Authentizität, sicherlich sind auch Anpassungen nötig, um wieder vermehrt eine jüngere Generation anzusprechen.