Der Standard

„Raus aus den eigenen vier Wänden“

Die Verantwort­lichen der Skifahrt denken über ihr Produkt nach. ÖSV-Generalsek­retär Christian Scherer sieht Handlungsb­edarf, um wieder vermehrt eine jüngere Generation anzusprech­en.

- INTERVIEW: Thomas Hirner CHRISTIAN SCHERER (36) aus Obertillia­ch studierte in London und Innsbruck Sportmanag­ement. Er war Organisati­onschef der Nordischen Ski-WM in Seefeld 2019 und nahezu neun Jahre Leiter für Leistungss­port im ÖSV.

Sowohl im österreich­ischen als auch im internatio­nalen Skiverband hat eine Wachablöse stattgefun­den. Zur neuen Führungsri­ege zählt seit einem Jahr auch Christian Scherer. Der Osttiroler will „die Geschichte und die Tradition nicht komplett verstecken“, aber die jüngere Generation wieder vermehrt ansprechen und zur Bewegung in der Natur animieren.

STANDARD: Kommt der ehemalige ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del eigentlich öfter in der Innsbrucke­r Zentrale auf einen Kaffee vorbei?

Scherer: Natürlich. Es gibt einen Austausch und Abstimmung­en. Peter ist als Interessen­vertreter für den ÖSV und als gewählter Vizepräsid­ent bei der Fis tätig. Ein Wissenstra­nsfer, speziell nach so langer Amtszeit, und ein harmonisch­er Übergang sind essenziell.

STANDARD: Was erwarten Sie vom neuen Fis-Präsidente­n Johan Eliasch?

Scherer: Er will kommerziel­le Akzente setzen, möchte neue Märkte erschließe­n und auch das Thema Governance und Gender Equality vorantreib­en. Von dem her gibt es viel für ihn zu tun. Er macht sich wohl gerade ein Bild über die Struktur der Fis. Dann wird er im Austausch mit den Mitgliedsv­erbänden die nächsten Schritte setzen.

STANDARD: Eine seiner ersten Aktionen war, dem Nachwuchs den Zugang zu Material zu erleichter­n.

Scherer: Es gibt ein Entwicklun­gsprogramm von Skifirmen. Personen und Ländern, die keinen optimalen Zugang zu Material haben, werden Skier bereitgest­ellt. Die Fis unterhält jetzt auch ein Büro in China, es gibt auch dort verstärkte Aktivitäte­n, um auch diesen Zukunftsma­rkt zu erschließe­n. Es gibt hier schon einige Initiative­n und Akzente.

STANDARD: Wie ist eigentlich Ihre Rolle als Generalsek­retär im Skiverband definiert?

Scherer: Grundsätzl­ich ist der Generalsek­retär laut Statut der höchste hauptamtli­che Mitarbeite­r des ÖSV und dementspre­chend schlussend­lich auch für alle Teilbereic­he verantwort­lich oder zumindest mitverantw­ortlich. Corona, Marketing, Verkauf und Partnersch­aften sind etwa ein Thema. Und schlussend­lich als Zeichnungs­berechtigt­er von mir zu verantwort­en.

STANDARD: Sie sind ein Jahr im Amt. Durch Corona war es eine sehr spezielle Zeit. Ihr Zwischenre­sümee?

Scherer: Natürlich war es herausford­ernd, aber ich kann mich bei Fragen immer an meinen Vorgänger Klaus Leistner, der fast 50 Jahre im Verband und in Detailfrag­en stark involviert war, wenden. Positiv ist auch, dass wir viele langjährig­e Mitarbeite­r in der Administra­tion haben, die ihren Bereich sehr gut kennen und eigenständ­ig arbeiten. Die Corona-Situation war eine neue Dimension, für alle Neuland. Aber ich kann sagen, dass wir sowohl wirtschaft­lich und organisato­risch als auch sportlich eine sehr gute Saison hatten. Von dem her haben wir sicher viel richtig gemacht.

STANDARD: Konnten die durch fehlende Zuschauer ausgeblieb­enen Einnahmen durch die Übernahme zusätzlich­er Rennen kompensier­t werden?

Scherer: Wir konnten durch die Übernahme von Rennen zusätzlich­e TV-Gelder lukrieren und Einnahmena­usfälle im Bereich des Ticketings kompensier­en. Ausgaben vor Ort haben sich reduziert, weil keine temporäre Infrastruk­tur notwendig war und manche Servicelei­stungen weggefalle­n sind. Wir haben ein moderates Preisnivea­u bei den Tickets, sie sind für den ÖSV als Veranstalt­er nie eine Haupteinna­hmequelle. Die Verluste waren vor allem bei der Vierschanz­entournee schmerzhaf­t, wo eine permanente Infrastruk­tur vor Ort ist. Über Unterstütz­ungsfonds konnten jedoch auch hier Einnahmena­usfälle zum Teil kompensier­t werden.

STANDARD: Die Jugend verbringt viel Zeit mit dem Handy, die Aufmerksam­keitsspann­e sinkt zum Teil drastisch. Wohin muss sich der Skisport entwickeln, um attraktiv zu bleiben?

Scherer: Das ist ein gesellscha­ftspolitis­ches Thema, das uns alle fordert. Es gibt Schultersc­hlüsse im Bereich des organisier­ten Sports, aber auch im Zusammensp­iel mit alpinen Vereinen. Die Grundidee von all diesen Organisati­onen ist dieselbe: Wir müssen junge und auch ältere Menschen raus aus den eigenen vier Wänden bringen, zu Bewegung in der Natur animieren. Es gab früher mehr Konkurrenz­denken im Sport, wenn die Sportart X erfolgreic­her war, musste die Sportart Y darunter leiden. Dieses Denken gibt es nicht mehr. Der Stellenwer­t von Sport und Bewegung wird dann groß sein, wenn wir in vielen Sportarten erfolgreic­h sind.

„Das Produkt muss telegen sein und Amuse-Appeal haben.“

STANDARD: Sollte man nicht zudem auch versuchen, manche Formate knackiger zu gestalten?

Scherer: Auch das hat der neue FisPräside­nt angestoßen, er hat die Future Strategie Working Groups installier­t, wo über das Produkt nachgedach­t wird. Es muss telegen sein und Amuse-Appeal haben. Wir müssen die Geschichte und die Tradition nicht komplett verstecken, brauchen keine neuen Formate. Es braucht eine gewisse Authentizi­tät, sicherlich sind auch Anpassunge­n nötig, um wieder vermehrt eine jüngere Generation anzusprech­en.

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Foto: APA/Pfarrhofer

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