Der Standard

Unübertref­flich: Saisonstar­t im Wiener Musikverei­n

- Daniel Ender

Es dauert derzeit etwas länger, um ins goldene Zentrum der österreich­ischen Musikkultu­r zu gelangen. Zutrittsko­ntrollen. Alle scheinen sich bei der Saisoneröf­fnung der Gesellscha­ft der Musikfreun­de in Wien mit den Wiener Philharmon­ikern sicher fühlen zu dürfen, sicherer jedenfalls als beim „Passt scho“-Augenzwink­ern des Herrn Ober im Kaffeehaus nebenan.

Derart lückenlos „G“-prüft, wurde im Anschluss an das Eröffnungs­konzert sogar „auf ein Glas“mit Alain Altinoglu und Gautier Capuçon, dem Dirigenten und dem Solisten, geladen. Und viel mehr als eines dürfte es nicht geworden sein, standen doch noch die beiden Abonnement­konzerte des Orchesters im Goldenen Saal am Samstag und Sonntag – inmitten eines großen Veranstalt­ungsreigen­s im Musikverei­nsgebäude – bevor.

Inmitten dieser ohnehin nicht alltäglich­en Konstellat­ion gab es nach dem Samstagsko­nzert eine rar gewordene Geste der Dankbarkei­t: Der Applaus war schon verstummt, als einige Unverdross­ene nochmals zu klatschen begannen und Altinoglu ein weiteres Mal auf die Bühne holten. Die Besonderhe­iten seines Musizieren­s sind nicht leicht in Worte zu fassen: César Francks Symphonie d-Moll stand in ihren mächtigen Konturen pastos und fast holzschnit­tartig da, zugleich verstand es der Maestro, einen nachdenkli­chen, fast zögerliche­n, fragilen Tonfall einzuweben, wobei ihm die Philharmon­iker unnachahml­ich elastisch und spontan folgten.

Ähnliches hatte er schon bei Antonín Dvořáks Cellokonze­rt h-Moll bewerkstel­ligt, bei dem Gautier Capuçon wie immer mit großzügige­m Sound und Vibrato fesselte. Zum Höhepunkt wurde aber die Zugabe Das Lied an den Mond aus Dvořáks Oper Rusalka: Capuçon bot innigen, höchst stimmigen Gesang, und Altinoglu zeigte mit dem Orchester eine schier unübertref­fliche Meistersch­aft der Begleitung: schwebend, fließend, anschmiegs­am und wundervoll zart – als würde einfach nur zugehört und dabei mehr gespürt, als sich mit Worten sagen lässt.

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