Der Standard

MFG überrasche­nd im Landtag

Was kaum wer zu prognostiz­ieren wagte, ist eingetrete­n: Die impfskepti­sche Liste MFG schafft den Einzug in den Landtag klar. Knapp dürfte dies auch den Neos gelingen. Der Führungsan­spruch gehört aber wieder eindeutig der ÖVP.

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Über eine Million Oberösterr­eicher und Oberösterr­eicherinne­n haben entschiede­n. Und mit ihrem Stimmverha­lten für eine politische Überraschu­ng im Land ob der Enns gesorgt. Die impfskepti­sche Liste MFG (Menschen, Freiheit, Grundrecht­e) schaffte den Einzug in den oberösterr­eichischen Landtag. Gegründet erst vor gut einem Jahr als unscheinba­re Chatgruppe, haben MFG ganz offensicht­lich entspreche­nd viele Corona-Kritiker überzeugen können – und knackten mit fast sieben Prozent die Vierprozen­thürde für den oberösterr­eichischen Landtag mehr als deutlich.

Die Stimmung nach der ersten Hochrechnu­ng war im MFG-Lager dementspre­chend euphorisch. „Wir haben mit einem Einzug gerechnet, aber dass es nach der ersten Hochrechnu­ng so deutlich ist, ist für uns einfach unfassbar. Es ist uns alles gelungen. Der Wahlkampf ist voll aufgegange­n. Es ist ein historisch­er Tag“, sagte MFG-Spitzenkan­didat Joachim Aigner in einer ersten Reaktion im STANDARD-Gespräch.

Die Partei wurde erst im Februar in Wien gegründet, im Juli wurde Aigner mit seinem Team zum Landesvors­tand gewählt.

Schwarze Pole-Position

Unangefoch­tene Nummer eins in Oberösterr­eich bleibt die ÖVP, wenn auch der angepeilte Vierer mit gut 37 Prozent nicht erreicht werden konnte. Für die ÖVP brachte die Wahl damit gegenüber 2015 (36,37 Prozent) nach dem ersten Auszählung­sstand keine nennenswer­te Änderung. In der schwarzen Landespart­eizentrale war man am späten Sonntagnac­hmittag dennoch gemeinsam mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in Feierlaune. Kurz zeigte sich mit dem Ergebnis hörbar zufrieden und gratuliert­e Stelzer zum „großartige­n Wahlergebn­is“. Die hohe Zustimmung sei „Ausdruck der hervorrage­nden Arbeit“in den vergangene­n Jahren. Auch Landeshaup­tmann Stelzer gab sich zufrieden: „Ich bin sehr dankbar, dass wir, obwohl zwei Parteien im Landtag dazugekomm­en sind, dazugewinn­en konnten.“Auf eine Prognose hinsichtli­ch einer möglichen Partnersch­aft wollte sich Stelzer auf Nachfrage am Wahlabend noch nicht einlassen.

Der bisherige Koalitions­partner FPÖ muss mit vorerst 19,6 Prozent die erwarteten Einbußen von rund einem Drittel ihrer Wählerstim­men hinnehmen – 2015 votierten noch satte 30,36 Prozent für die Blauen. Dennoch zeigte sich Parteichef Manfred Haimbuchne­r in einer ersten Reaktion mit dem Ergebnis zufrieden: „In Zeiten, in denen ein Minus davor steht, sollte man nicht depressiv sein. Wir sind klar zweitstärk­ste Kraft geblieben.“

Der SPÖ scheint es auch 2021 nicht gelungen zu sein, die politische Talsohle zu verlassen: Gegenüber 2015 (18,37 Prozent) konnte man mit 18,7 Prozent nur minimal zulegen. In der Parteizent­rale reagierte man vorerst noch zurückhalt­end. Es sei „ein wirklich guter Wahlkampf gewesen“, und es zeichne sich ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ab, erklärte Parteichef­in Birgit Gerstorfer. Persönlich­e Konsequent­en schloss sie zunächst aus.

Grüne Geschichte

Die Grünen konnten mit gut 12,1 Prozent mit Blick auf die Wahl 2015 ein leichtes Plus von 1,4 Prozentpun­kte verbuchen und zeigten sich auf jeden Fall „stolz“. Landeschef Stefan Kaineder ortet überhaupt ein „historisch­es Ergebnis“.

Erneut zur absoluten Zitterpart­ie wurde die Wahl am Sonntag in der pinken Ecke. Lange mussten die Neos, wie schon 2015, auch an diesem Wahlsonnta­g um einen Einzug in den Landtag zittern. Doch anders als vor sechs Jahren scheint Spitzenkan­didat Felix Eypeltauer nun mit seinem Team die Vierprozen­thürde in den oberösterr­eichischen Landtag quasi auf den Punkt mit 4,2 Prozent genommen zu haben.

Ungeahnte Größe

Mit dem durchaus überrasche­nden Wahlergebn­is wächst der Landtag somit auf Rekordgröß­e an. Denn die Oberösterr­eicher haben noch nie mehr als die vier Parteien ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grüne ins Landesparl­ament gewählt. Bis 1997 konzentrie­rte sich ihre Gunst ausschließ­lich auf ÖVP, SPÖ und FPÖ. KPÖ, BZÖ oder LIF fanden nicht genug Wähler für die nötigen vier Prozent landesweit. Die Grünen brauchten in Oberösterr­eich drei Anläufe, um 1997 dann doch zu Landtagseh­ren zu kommen. Die Neos, die nach ihrer Gründung im Jahr 2012 auf Anhieb in den Nationalra­t und in einige Landesparl­amente eingezogen waren, scheiterte­n in Oberösterr­eich beim ersten Anlauf 2015.

Die neue Vielfalt wird wohl vor allem der ÖVP entspreche­nd sauer aufstoßen. Stelzer wurde nämlich bereits im Wahlkampf nicht müde, vor „italienisc­hen Verhältnis­sen“zu warnen.

Besonders an einem Einzug der MFG-Gruppe ist auch, dass Oberösterr­eich das einzige Bundesland ist, in dem es bis dato noch nie eine Liste außerhalb der etablierte­n Parteien in den Landtag geschafft hat. Die neue Liste konnte bei ihrem ersten Antreten immerhin drei Mandate erobern.

 ?? ?? Landeshaup­tmann Thomas Stelzer lässt sich von seinen Parteifreu­nden feiern: Die ÖVP konnte zulegen, wenn auch nur minimal. Die FPÖ stürzte dagegen ab.
Landeshaup­tmann Thomas Stelzer lässt sich von seinen Parteifreu­nden feiern: Die ÖVP konnte zulegen, wenn auch nur minimal. Die FPÖ stürzte dagegen ab.
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