FDP als umworbene Kanzlermacherin
Unter Christian Lindner wird das solide Ergebnis von 2017 noch einmal leicht ausgebaut. Die Liberalen sind bei den kommenden Koalitionsverhandlungen nun gefragte Partner.
Christian Lindner kann zufrieden mit sich sein: Nach ersten Hochrechnungen vom Sonntagabend erreicht die FDP, der er seit 2013 vorsitzt, rund elf Prozent der Wählerstimmen. Damit baut die Partei ihr Ergebnis von 10,7 Prozent bei den Bundestagswahlen 2017 womöglich leicht aus. Die meisten Demoskopen hatten der wirtschaftsliberalen Partei im Vorfeld eben jene elf Prozent vorausgesagt, der Chef der Liberalen kann also zufrieden sein.
Schon vor den Wahlen am Sonntag war der 42-jährige Wuppertaler in einer komfortablen Position. Denn abgesehen von den eigentlichen Stimmenergebnissen deuteten Umfragen schon lange darauf hin, dass fast jede realistische Koalitionsrechnung nicht ohne die Liberalen zu machen sein wird, egal, ob nun SPD oder Union die Nase vorn haben würden.
Die FDP als Königsmacherin – fast kein Medium in Deutschland oder Österreich, das nicht über die einzigartige Rolle der Gelben bei den kommenden Koalitionsverhandlungen spekulierte.
Nachdem keine der zwei Großparteien über 30 Prozent hinauskommt – darüber waren sich schon die Meinungsforscher im Vorfeld der Wahlen einig – stand zum Schluss nicht nur die Frage „Scholz oder Laschet?“, sondern vor allem auch „Ampel oder Jamaika-Koalition?“im Zentrum.
An dem bürgerlichen Schreckgespenst Rot-Grün-Rot – also SPD, Grüne, Linke, das es zu vermeiden gelte – bastelte Lindner in den vergangenen Wochen selbst eifrig mit. Mit der FDP würde es keinen Linksruck geben, machte er immer wieder klar. Der Partei komme vielmehr die Verantwortung zu, „eine Politik der Mitte zu organisieren“.
Ob diese nun mehr nach links tendiert (Ampel) oder nach rechts (Jamaika), das bleibt offen. Was dem FDP-Chef lieber wäre, daraus machte er kein Hehl: Er möchte CDUMann Laschet als Kanzler, er zieht Jamaika einer Ampel vor, und am liebsten würde er selbst Finanzmeister werden.
Von Anfang an war die Strategie der FDP auf Jamaika ausgerichtet, konnte man doch vor Monaten noch nicht wissen, dass der Höhenflug der Union und der Grünen nicht anhalten würde. So musste Lindner in den vergangenen Wochen etwas umschwenken: Ob die Partei mit den meisten Stimmen auch den Kanzler stellen sollte? „Es kommt nicht darauf an, wer die Nasenspitze vorn hat. Entscheidend ist, wer eine Koalition hat“, sagte er im Gespräch mit dem STANDARD und positionierte sich also klar pro Laschet, auch wenn dieser nicht Erster werde. Und noch am Freitag wiederholte er, dass eine Jamaika-Koalition „leichter zu erreichen“sei als eine Ampel-Allianz.
Vom Verhinderer zum Macher
Vor vier Jahren sah das anders aus: Damals verhinderte Lindner genau so eine Koalition nach wochenlangen Verhandlungen, mit den Worten: „Ich regiere lieber gar nicht als falsch.“Seither verfolgt ihn der Ruf des Koalitionsverhinderers. Während er den Schritt als Standhaftigkeit zu verkaufen versuchte, bringt ihn die Entscheidung von damals aber heute unter Druck, sich nicht schon wieder einer möglichen Koalition zu verschließen. Und das könnte, bei allen Stimmengewinnen, seinen Verhandlungsspielraum einschränken.
Wie der Spagat zu den Grünen zu schaffen ist, das ist noch offen. So ist das vielleicht auch der einzige Wermutstropfen für Christian Lindners Wahlparty, dass er nicht noch mehr auf die Grünen aufholen konnte. Zuletzt hat er das zum Ziel ausgerufen gehabt: den Grünen so nahe wie möglich an die Pelle zu rücken. Damit hätte er den FDP-Positionen in Koalitionsverhandlungen mehr Gewicht geben können: Klimapolitik durch „technologischen Fortschritt“, keine Steuererhöhungen. Da wird viel Kompromiss gefordert sein.
Und zu diesen ist die Lindner-FDP auch bereit, ließ der Chef zuletzt wissen. Ob er, und wenn ja, welchen Partner er findet, der aus dem „Königsmacher“einen Schatzmeister der Nation macht, ist offen.