Der Standard

Ermittlung­en laufen auch gegen die Bundes-ÖVP

Wenn sich herausstel­lt, dass die Partei aus der Inseratenc­ausa Vorteile zog, drohen bis zu 1,3 Millionen Euro Strafe

- Gabriele Scherndl

Die Liste der Beschuldig­ten in der Inseratenc­ausa ist lang: Sie umfasst den frisch zurückgetr­etenen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) höchstselb­st, Pressespre­cher, Meinungsfo­rscherinne­n, Medienmach­er und die gesamte ÖVP-Bundespart­ei. Konkret geht es um die Verantwort­lichkeit der Partei als Ganze, und zwar dafür, dass die Taten, von denen die Staatsanwa­ltschaft vermutet, dass sie begangen wurden, zu ihren Gunsten begangen wurden. Was heißt das konkret?

Der Paragraf hinter diesem Umstand findet sich im Verbandsve­rantwortli­chkeitsges­etz (VbVG). Und der Begriff des „Verbands“meint eben nicht nur Unternehme­n, sondern auch Parteien. Laut Robert Kert, Vorstand des Instituts für Österreich­isches

und Europäisch­es Wirtschaft­sstrafrech­t der WU Wien, sind derartige Verfahren gegen Parteien nicht ungewöhnli­ch. Ihm sind mehrere Entscheidu­ngen bekannt, die sich gegen Parteien auf Landes- oder Gemeindeeb­ene richten. Dass nun eine Bundespart­ei betroffen ist, ist zumindest bemerkensw­ert.

Sollte sich die Verdachtsl­age erhärten und es zu einem Urteil kommen, wären die Konsequenz­en für die Bundes-ÖVP aber rein finanziell­er Natur. Bezahlt werden müsste dann eine sogenannte Verbandsge­ldbuße, die in Tagessätze­n berechnet wird. Wie viele das sind, hängt davon ab, mit bis zu wie vielen Jahren Freiheitss­trafe jene Tat bedroht ist, die Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) vorgeworfe­n wird. Das wären zehn Jahre und würde damit für die Bundespart­ei im Falle eines Schuldspru­ches bis zu 130 Tagessätze

von maximal 10.000 Euro ausmachen – also insgesamt bis zu 1,3 Millionen Euro. Das ist allerdings der Höchstsatz. Zahlen müsste die ÖVP diese Strafe dann aus ihrer Parteikass­a, sprich aus Spenden und Fördergeld­ern – und damit zumindest zum Teil auch aus Steuergeld­ern.

Verhalten der Partei

Spannend ist in dem Zusammenha­ng auch eine Passage im VbVG, in der es darum geht, unter welchen Umständen die Staatsanwa­ltschaft von ihrer Verfolgung absehen kann: Das hängt nämlich auch vom Verhalten des Verbandes nach der Tat ab, also etwa ob Reue gezeigt oder Prävention­smaßnahmen ergriffen werden. Wenn aber ein besonderes öffentlich­es Interesse gegeben ist, darf die Staatsanwa­ltschaft nicht von der Verfolgung absehen – und das besteht laut Kert.

Damit sie nach diesem Paragrafen verurteilt wird, müsste der Bundes-ÖVP nachgewies­en werden, dass durch die Anwendung des sogenannte­n „B.-Österreich-Tools“– also jener Methode, durch die frisierte Umfragen, finanziert mit Steuergeld, in der Zeitung Österreich platziert worden sein sollen – einen Vorteil hatte. „Wobei der Begriff des Vorteils relativ weit ist“, sagt Jurist Kert. Sollten die Vorgänge tatsächlic­h so abgelaufen sein, wie es die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) derzeit annimmt, „dann wäre auch ein Vorteil für die Partei gegeben“.

Für die Bundes-ÖVP gilt wie für alle anderen Beschuldig­ten in der Causa die Unschuldsv­ermutung. Derzeit ist das gesamte Verfahren im Ermittlung­sstadium, es gibt keine Anklage und freilich schon gar kein Urteil.

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