Der Standard

Erste Festnahme in der Causa rund um Exkanzler Kurz

Beschuldig­te Demoskopin soll kurz vor Hausdurchs­uchung Daten gelöscht haben

- Renate Graber, Fabian Schmid

Wien – In der Causa Inserate- und Umfragenko­rruption kam es am Dienstag überrasche­nd zu einer Festnahme. Betroffen war Sabine B., also jene Meinungsfo­rscherin, die für Finanzmini­sterium und die Mediengrup­pe Österreich tätig gewesen ist. Ihr wird vorgeworfe­n, über Scheinrech­nungen Umfragen abgerechne­t zu haben. In Chats fragte sie etwa, ob sie Rechnungen für Umfragen, die in Österreich erschienen waren, bei den Abrechnung­en für das Finanzmini­sterium „hineinpack­en“soll.

B. wird nun zusätzlich vorgeworfe­n, kurz vor der Hausdurchs­uchung große Datenmenge­n gelöscht zu haben. Deshalb könnte sie wegen Verdunkelu­ngsgefahr in Untersuchu­ngshaft landen – darüber sollte möglichst bald ein Richter oder eine Richterin entscheide­n, hieß es am Dienstag. Für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung, B.s Anwältin wollte zunächst keine Stellungna­hme abgeben.

Ebenfalls noch nicht geäußert hat sich die ehemalige Familienmi­nisterin Sophie Karmasin. Sie soll zwischen dem Team Kurz und den Österreich-Herausgebe­rn Helmuth und Wolfgang Fellner vermittelt haben. B. arbeitete einst für Karmasin, bevor sie sich mit ihrer eigenen Firma selbststän­dig machte. In einem Podcast aus dem Jahr 2017 sprach sie vom „großen Glück“, regelmäßig in einer Tageszeitu­ng mit so hoher Auflage wie Österreich publiziere­n zu können. Ihr sei die „Qualität besonders wichtig“, führte B. weiter aus.

Laut Recherchen der Presse nahm Österreich vor drei Wochen Kontakt zu verschiede­nen IT-Sicherheit­sfirmen auf, um über Datenlösch­ungen zu sprechen. Laut Chefredakt­eur Niki Fellner sei es da um einen „schwerwieg­enden Fall von Cyberkrimi­nalität“gegangen.

Vorwürfe von Kern

Exbundeska­nzler Christian Kern (SPÖ) erhebt im Interview mit dem STANDARD schwere Vorwürfe gegen Kurz. Dieser habe vorsätzlic­h die Regierungs­arbeit sabotiert, um Nutzen daraus zu ziehen. Aus der Deckung habe sich Kurz nicht gewagt, er habe andere die Schmutzarb­eit machen lassen. „Bizarr“sei, dass Kurz auch jene Leute, die ihm zu Diensten gewesen seien, geopfert habe. Wolfgang Sobotka, damals Innenminis­ter, sei die „Abrissbirn­e“der Koalition gewesen. Kern wundert sich, dass dieser jetzt Nationalra­tspräsiden­t ist. Die Wahl 2017 sei nicht fair gewesen. (red)

Sie war aus Sicht der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) „ideal für die Umsetzung des Tatplans geeignet“: Meinungsfo­rscherin Sabine B. soll gemeinsam mit ihrer früheren Chefin, Ex-Familienmi­nisterin Sophie Karmasin, die zentrale Verbindung­sachse zwischen den Brüdern Fellner und dem Team Kurz gewesen sein. Am Dienstag, weniger als eine Woche nach den groß angelegten Hausdurchs­uchungen, wurde B. nun festgenomm­en. Ihr wird vorgeworfe­n, kurz vor der Hausdurchs­uchung Daten gelöscht zu haben. Die WKStA sieht offenbar Verdunkelu­ngsgefahr, was ein Grund für Untersuchu­ngshaft wäre. Darüber muss ein Haft- und Rechtsschu­tzrichter entscheide­n. Die ermittelnd­e WKStA gab am Dienstag keine Stellungna­hme ab; ebenso wenig tat dies B.s Anwältin. Die Mediengrup­pe Österreich soll Mitte September laut Recherchen der Presse versucht haben, bei IT-Firmen eine Datenlösch­ung zu beauftrage­n – laut Chefredakt­eur Niki Fellner ging es da um einen „schwerwieg­enden Fall von Cyberkrimi­nalität“.

Untreuever­dacht

Die Mediengrup­pe Österreich ist ein zentraler Akteur der Affäre gleichzeit­ig tätig. Knapp zusammenge­fasst geht es in der Causa Inseratenk­orruption um den Verdacht der gekauften Berichters­tattung, zum Teil auf Basis frisierter Umfragen, die den Türkisen gedient haben sollen – und all das soll an Österreich über Inseratens­chaltungen des Finanzmini­steriums bezahlt worden sein, also mit Geld der Steuerzahl­er. Beschuldig­t ist neben Ex-Kanzler Sebastian Kurz auch dessen engstes Umfeld, auch der Ex-Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid. Chats aus seinem Handy lieferten den Ermittlern wichtige Informatio­nen, die in der vorigen Woche in den aufsehener­regenden Hausdurchs­uchungen in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale mündeten.

Die Meinungsfo­rscherin und Ex-Familienmi­nisterin

Sophie Karmasin soll Schmid und Co bei deren Tun unterstütz­t haben, für die Umfragen war Frau B. zuständig. Für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung.

Bei der inkriminie­rten „Medienkoop­eration“mit Österreich lief es offenbar einmal besser, einmal schlechter. „Gemeinsam sind wir richtig gut“, meinte Helmuth Fellner, der Kaufmann in der Mediengrup­pe Österreich, etwa nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Thomas Schmid. Dann gab es wieder Zoff, weil die von Schmid und Co erwünschte Berichters­tattung nicht erfolgte, was ihn „megasauer“machte – und sofort Themen vorschlage­n ließ, die er sich wünschte.

Nicht wunschgemä­ß fiel im Jänner 2017 eine von B. durchgefüh­rte Umfrage aus – doch auch da fanden die inzwischen Beschuldig­ten aus dem Finanzmini­sterium einen Ausweg. Schmid und Co entschiede­n, nicht die gesamte Umfrage in Österreich zu veröffentl­ichen. Das Umfrageerg­ebnis, laut dem der Ruf nach Neuwahlen lauter geworden sei, „bleibt unter Verschluss“, ordnete Schmid an. Dafür schrieb Frau B. einen Kommentar, den Text bekamen die Leute im Finanzmini­sterium vorab geschickt. Einer von ihnen hatte B. zuvor auch noch „gebrieft“, wie er schrieb.

Damit nicht genug. Die Umfrage selbst soll dann auch noch manipulier­t worden sein, wie ein Pressemann Schmid damals wissen ließ: „Und nur für dich: Zahlen sind in Schwankung­sbreite frisiert.“Schmid fand das „tüchtig“. Der Pressemann begründete sein Vorgehen übrigens so: „Wir schneiden schlechter ab als SPÖ. Da habe ich umgedreht.“

Bei der Abrechnung und Bezahlung der Umfragen soll es gemäß der WKStA sehr diskret zugegangen sein. Der Name von B., einer langjährig­en Mitarbeite­rin von Karmasin, sollte wie berichtet nicht aufscheine­n, wie Schmid der Meinungsfo­rscherin vorschrieb. Er wollte damit verhindern, dass dieser Konnex in parlamenta­rischen Anfragen aufgedeckt würde.

Wobei schon im September 2017 in der SPÖ das Gerücht herumgeist­erte, dass hinter vielen Umfragen von B.s Institut das Finanzmini­sterium als Auftraggeb­er stehe, heißt es in einem der insgesamt vier neu in den Akt genommenen Analyseber­ichten der WKStA. Der damalige Kanzler Christian Kern soll das Journalist­en erzählt haben, hatte ein mit Schmid eng befreundet­er Medienmann diesem gesteckt. Die Story „fliegt“aber nicht, interessie­re kaum wen, analysiert­e Schmid, sei „zu komplizier­t“.

Rechnung in Studien gepackt

Doch zurück zu der Abrechnung, bei der Schmid B. wie berichtet einmal angewiesen haben soll, ihre Kosten „in die Studie zur Betrugsbek­ämpfung“reinzupack­en, er wolle „alles über die Studie abrechnen“. Im Oktober 2017 drängte Frau B. Schmid bereits, sie habe selbst schon einen Stapel Rechnungen auf dem Tisch, die es zu begleichen gelte. Mit dem zuständige­n Pressespre­cher im Ministeriu­m hatte B. damals schon alles besprochen, nun brauche sie noch Schmids „finales OK wegen Verteilung der Summen“. Schmid, in diesem Fall vorsichtig: „Klar. Aber schick mir nix, bitte.“

Aus dieser Zeit ist auch ein interessan­ter Podcast mit Sabine B. erhalten, der vom mittlerwei­le stillgeleg­ten Demoskopie­blog Neuwal aufgenomme­n wurde.

Darin beschreibt B. ihr „sehr großes Glück“, als „junge Einzelunte­rnehmerin“regelmäßig in Österreich Umfragen veröffentl­ichen zu können. Ergeben habe sich das laut B. durch ihre Performanc­e im Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­f 2016. Ihr sei „Qualität besonders wichtig“, die Fragen stimme sie mit Österreich ab. Und warum begann sie als eine der Ersten, neben ÖVPChef Mitterlehn­er auch Sebastian Kurz als Spitzenkan­didat abzufragen? Es sei „interessan­t“gewesen, das Potenzial zu erheben. Ob B. den Ermittlern nun eine andere Geschichte erzählt als Neuwal, wird sich weisen.

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 ?? Foto: APA / Herbert Neubauer ?? Jahrelang hat die junge Demoskopin Sabine B. für Wolfgang Fellners „Österreich“gearbeitet. Nun wurde sie inhaftiert.
Foto: APA / Herbert Neubauer Jahrelang hat die junge Demoskopin Sabine B. für Wolfgang Fellners „Österreich“gearbeitet. Nun wurde sie inhaftiert.

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