Schallenbergs Antritt im Parlament
Kritik der Opposition nach Regierungserklärung des neuen Kanzlers
Wien – Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat bei seiner Regierungserklärung im Nationalrat am Dienstag klargestellt, dass er den Kurs seines Vorgängers Sebastian Kurz (ÖVP) fortsetzen werde. Auch auf die Grünen ging er zu: „Wenn ich heute eine Botschaft habe: Unsere Hand als neue Volkspartei ist ausgestreckt in Richtung des Koalitionspartners.“Schallenberg wolle die in den vergangenen Tagen entstandenen Gräben überwinden und die inhaltlich erfolgreiche Arbeit der Regierung fortsetzen.
Basis für seine Arbeit sei das Regierungsprogramm, erklärte der Kanzler. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gab sich versöhnlich gegenüber der ÖVP, stärkte aber auch der Justiz den Rücken: „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln.“
Die Opposition hingegen attackierte den neuen Bundeskanzler, weil dieser den parlamentarischen Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kritisiert hatte. Der Antrag ging nicht durch.
Die Fraktionschefin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, übergab Schallenberg im Parlament demonstrativ die Anordnung zur jüngsten Hausdurchsuchung bei der ÖVP, damit er die Details studieren könne, wie sie sagte. Schallenberg zeigte sich wenig interessiert. Er legte den Papierstapel flott neben dem Tisch auf den Boden. Nach der Aktion entschuldigte sich Schallenberg via Twitter. Das Weglegen der überreichten Unterlage sollte „keine Respektlosigkeit gegenüber der unabhängigen Justiz bzw. Beate Meinl- Reisinger“darstellen, so Schallen- berg. (red)
Eine Minute und 45 Sekunden dauert es, bis der neue Kanzler im Parlament den ersten Aufruhr auslöst. Alexander Schallenberg (ÖVP), gelernter Diplomat und eben noch Außenminister, tritt kurz nach zehn Uhr Vormittag vor den versammelten Nationalrat. Am Montag wurde er als Kanzler angelobt, nun soll er eine Regierungserklärung abgeben.
„Schwierige Zeiten erfordern außergewöhnliche Schritte“, setzt er an: Er hätte sich nie gedacht, einmal als Kanzler im Hohen Haus zu sprechen, und habe größten Respekt vor dem Amt: „Wenn ich heute eine Botschaft habe: Unsere Hand als neue Volkspartei ist ausgestreckt in Richtung des Koalitionspartners.“Am Montag hatte er den Grünen noch ausgerichtet, dass die Tage davor kein Beispiel für Respekt und gegenseitiges Vertrauen gewesen seien.
Schallenberg erwähnt Kurz gleich zu Beginn und mehrfach. Dann setzt er zum Tadel an: Den geplanten Misstrauensantrag der Opposition gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) könne er „beim besten Willen nicht verstehen“. Raunen aus den Rängen, erste Zwischenrufe. Das österreichische Parlament ist realpolitisch von der Bundesregierung abhängig, aber dennoch selbstbewusst: Die Mandatare wollen sich nicht vom Kanzler sagen lassen, welche Anträge einzubringen sind und welche nicht. Wirkung zeigt der Misstrauensantrag mangels Mehrheit der Opposition dennoch nicht.
Schallenberg bekräftigt auch im Parlament die geplante enge Zusammenarbeit mit Sebastian Kurz, der Samstagabend „zur Seite“trat und am Donnerstag seinen Posten als ÖVP-Klubchef antreten wird. „Der Bundesparteiobmann hat die letzten Wahlen ganz klar gewonnen“, argumentiert der Neokanzler. Ob Migrations-, Arbeitsmarkt- oder CoronaPolitik: Er wolle den eingeschlagenen Weg beibehalten.
Grüne Kritik an ÖVP
Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen pflichtet manchem bei: „Wir stimmen überein, dass die Republik Österreich in dieser Situation Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung braucht.“Zuletzt habe man, „zugegeben, einige Bewährungsproben“hinter sich gebracht, setzt er fort, um schließlich die ÖVP zu maßregeln: „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln.“Kritik sei zwar zulässig. Wenn eine Anordnung zur Hausdurchsuchung von einem unabhängigen Richter genehmigt werde, sei das aber „nicht nichts“– und wenn einem das nicht passe, gebe es Rechtsmittel, dafür müsse man den Rechtsstaat nicht „attackieren“.
Die Opposition beschränkt ihre Kritik nicht auf diesen einen Aspekt. „Sie wurden als Bundeskanzler angelobt und nicht als Obmann der ÖVP“, richtet sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner an Schallenberg. Es stehe ihm nicht zu, das Parlament zu belehren und Misstrauensanträge zu tadeln, er solle dem Nationalrat Respekt zollen. „Es geht um schwerste Vorwürfe gegen Sebastian Kurz“, sagt Rendi-Wagner.
Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl beschwert sich darüber, dass Schallenberg das Parlament zu maßregeln versucht habe. Schon bei seiner ersten Rede am Montag habe der neue Kanzler „einen moralischen Absturz“geschafft: „Ein Begräbnis für eine millionenfache Erwartungshaltung.“Reue, Einsicht, Demut hätte es gebraucht, so der blaue Klubchef: „Nichts ist gekommen, weil Sie zutiefst verhabert sind. Sie sind einer von dieser Partie.“
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger urteilt kaum milder. „Sie haben es in der Hand, sich an das türkise System zu klammern und mit dem unterzugehen“, sagt sie, „aber dass Sie das Land mitreißen, werden wir nicht zulassen.“Während ihrer Rede übergibt sie dem Kanzler die Anordnung zur Hausdurchsuchung in der ÖVP-Zentrale, damit er die Details studieren könne. Schallenberg reagiert etwas trotzig – und legt den Papierstapel neben seinem Pult auf den Boden. Später stellt er auf Twitter klar: Die Geste sei keinesfalls als Respektlosigkeit gegenüber der unabhängigen Justiz gemeint gewesen. Sollte der Eindruck entstanden sein, tue es ihm leid.
An sich hatte die Opposition die Sondersitzung am Dienstag einberufen, um Sebastian Kurz per Misstrauensantrag aus dem Kanzleramt zu befördern. Weil Kurz der Abwahl mit seinem Rücktritt zuvorkam, war die Luft nun gewissermaßen draußen. Also hatte die Opposition einen neuen Adressaten auserkoren: Finanzminister Blümel.
Wie untadelig ist Blümel?
Die Sozialdemokraten beließen es nicht bei Kritik an der ÖVP. Was genau sei an Blümel „untadeliger“als an Kurz, fragt der Abgeordnete Christoph Matznetter die Grünen: Immerhin habe der Minister, Beschuldigter in der Casinos-Affäre, Ermittlungen wie den Untersuchungsausschuss behindert.
In den Akten zur Umfragenaffäre im Finanzministerium komme Blümel nur einmal vor, argumentiert die grüne Klubchefin Sigrid Mauerer, Beschuldigter sei er nicht. Wenn es aber in der Causa Casinos zu einer Anklage komme, „werden wir seinen Rücktritt fordern“.