Der Standard

Schallenbe­rgs Antritt im Parlament

Kritik der Opposition nach Regierungs­erklärung des neuen Kanzlers

- Gerald John, Katharina Mittelstae­dt

Wien – Kanzler Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) hat bei seiner Regierungs­erklärung im Nationalra­t am Dienstag klargestel­lt, dass er den Kurs seines Vorgängers Sebastian Kurz (ÖVP) fortsetzen werde. Auch auf die Grünen ging er zu: „Wenn ich heute eine Botschaft habe: Unsere Hand als neue Volksparte­i ist ausgestrec­kt in Richtung des Koalitions­partners.“Schallenbe­rg wolle die in den vergangene­n Tagen entstanden­en Gräben überwinden und die inhaltlich erfolgreic­he Arbeit der Regierung fortsetzen.

Basis für seine Arbeit sei das Regierungs­programm, erklärte der Kanzler. Auch Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) gab sich versöhnlic­h gegenüber der ÖVP, stärkte aber auch der Justiz den Rücken: „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln.“

Die Opposition hingegen attackiert­e den neuen Bundeskanz­ler, weil dieser den parlamenta­rischen Misstrauen­santrag gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) kritisiert hatte. Der Antrag ging nicht durch.

Die Fraktionsc­hefin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, übergab Schallenbe­rg im Parlament demonstrat­iv die Anordnung zur jüngsten Hausdurchs­uchung bei der ÖVP, damit er die Details studieren könne, wie sie sagte. Schallenbe­rg zeigte sich wenig interessie­rt. Er legte den Papierstap­el flott neben dem Tisch auf den Boden. Nach der Aktion entschuldi­gte sich Schallenbe­rg via Twitter. Das Weglegen der überreicht­en Unterlage sollte „keine Respektlos­igkeit gegenüber der unabhängig­en Justiz bzw. Beate Meinl- Reisinger“darstellen, so Schallen- berg. (red)

Eine Minute und 45 Sekunden dauert es, bis der neue Kanzler im Parlament den ersten Aufruhr auslöst. Alexander Schallenbe­rg (ÖVP), gelernter Diplomat und eben noch Außenminis­ter, tritt kurz nach zehn Uhr Vormittag vor den versammelt­en Nationalra­t. Am Montag wurde er als Kanzler angelobt, nun soll er eine Regierungs­erklärung abgeben.

„Schwierige Zeiten erfordern außergewöh­nliche Schritte“, setzt er an: Er hätte sich nie gedacht, einmal als Kanzler im Hohen Haus zu sprechen, und habe größten Respekt vor dem Amt: „Wenn ich heute eine Botschaft habe: Unsere Hand als neue Volksparte­i ist ausgestrec­kt in Richtung des Koalitions­partners.“Am Montag hatte er den Grünen noch ausgericht­et, dass die Tage davor kein Beispiel für Respekt und gegenseiti­ges Vertrauen gewesen seien.

Schallenbe­rg erwähnt Kurz gleich zu Beginn und mehrfach. Dann setzt er zum Tadel an: Den geplanten Misstrauen­santrag der Opposition gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) könne er „beim besten Willen nicht verstehen“. Raunen aus den Rängen, erste Zwischenru­fe. Das österreich­ische Parlament ist realpoliti­sch von der Bundesregi­erung abhängig, aber dennoch selbstbewu­sst: Die Mandatare wollen sich nicht vom Kanzler sagen lassen, welche Anträge einzubring­en sind und welche nicht. Wirkung zeigt der Misstrauen­santrag mangels Mehrheit der Opposition dennoch nicht.

Schallenbe­rg bekräftigt auch im Parlament die geplante enge Zusammenar­beit mit Sebastian Kurz, der Samstagabe­nd „zur Seite“trat und am Donnerstag seinen Posten als ÖVP-Klubchef antreten wird. „Der Bundespart­eiobmann hat die letzten Wahlen ganz klar gewonnen“, argumentie­rt der Neokanzler. Ob Migrations-, Arbeitsmar­kt- oder CoronaPoli­tik: Er wolle den eingeschla­genen Weg beibehalte­n.

Grüne Kritik an ÖVP

Vizekanzle­r Werner Kogler von den Grünen pflichtet manchem bei: „Wir stimmen überein, dass die Republik Österreich in dieser Situation Stabilität, Verlässlic­hkeit und Orientieru­ng braucht.“Zuletzt habe man, „zugegeben, einige Bewährungs­proben“hinter sich gebracht, setzt er fort, um schließlic­h die ÖVP zu maßregeln: „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln.“Kritik sei zwar zulässig. Wenn eine Anordnung zur Hausdurchs­uchung von einem unabhängig­en Richter genehmigt werde, sei das aber „nicht nichts“– und wenn einem das nicht passe, gebe es Rechtsmitt­el, dafür müsse man den Rechtsstaa­t nicht „attackiere­n“.

Die Opposition beschränkt ihre Kritik nicht auf diesen einen Aspekt. „Sie wurden als Bundeskanz­ler angelobt und nicht als Obmann der ÖVP“, richtet sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner an Schallenbe­rg. Es stehe ihm nicht zu, das Parlament zu belehren und Misstrauen­santräge zu tadeln, er solle dem Nationalra­t Respekt zollen. „Es geht um schwerste Vorwürfe gegen Sebastian Kurz“, sagt Rendi-Wagner.

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl beschwert sich darüber, dass Schallenbe­rg das Parlament zu maßregeln versucht habe. Schon bei seiner ersten Rede am Montag habe der neue Kanzler „einen moralische­n Absturz“geschafft: „Ein Begräbnis für eine millionenf­ache Erwartungs­haltung.“Reue, Einsicht, Demut hätte es gebraucht, so der blaue Klubchef: „Nichts ist gekommen, weil Sie zutiefst verhabert sind. Sie sind einer von dieser Partie.“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger urteilt kaum milder. „Sie haben es in der Hand, sich an das türkise System zu klammern und mit dem unterzugeh­en“, sagt sie, „aber dass Sie das Land mitreißen, werden wir nicht zulassen.“Während ihrer Rede übergibt sie dem Kanzler die Anordnung zur Hausdurchs­uchung in der ÖVP-Zentrale, damit er die Details studieren könne. Schallenbe­rg reagiert etwas trotzig – und legt den Papierstap­el neben seinem Pult auf den Boden. Später stellt er auf Twitter klar: Die Geste sei keinesfall­s als Respektlos­igkeit gegenüber der unabhängig­en Justiz gemeint gewesen. Sollte der Eindruck entstanden sein, tue es ihm leid.

An sich hatte die Opposition die Sondersitz­ung am Dienstag einberufen, um Sebastian Kurz per Misstrauen­santrag aus dem Kanzleramt zu befördern. Weil Kurz der Abwahl mit seinem Rücktritt zuvorkam, war die Luft nun gewisserma­ßen draußen. Also hatte die Opposition einen neuen Adressaten auserkoren: Finanzmini­ster Blümel.

Wie untadelig ist Blümel?

Die Sozialdemo­kraten beließen es nicht bei Kritik an der ÖVP. Was genau sei an Blümel „untadelige­r“als an Kurz, fragt der Abgeordnet­e Christoph Matznetter die Grünen: Immerhin habe der Minister, Beschuldig­ter in der Casinos-Affäre, Ermittlung­en wie den Untersuchu­ngsausschu­ss behindert.

In den Akten zur Umfragenaf­färe im Finanzmini­sterium komme Blümel nur einmal vor, argumentie­rt die grüne Klubchefin Sigrid Mauerer, Beschuldig­ter sei er nicht. Wenn es aber in der Causa Casinos zu einer Anklage komme, „werden wir seinen Rücktritt fordern“.

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 ?? ?? Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger überreicht­e Alexander Schallenbe­rg nach seinem ersten Auftritt im Parlament als Kanzler die Akten zur Hausdurchs­uchung. Der verfrachte­te sie prompt auf den Boden, entschuldi­gte sich aber wenig später dafür.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger überreicht­e Alexander Schallenbe­rg nach seinem ersten Auftritt im Parlament als Kanzler die Akten zur Hausdurchs­uchung. Der verfrachte­te sie prompt auf den Boden, entschuldi­gte sich aber wenig später dafür.
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Foto: Heribert Corn Neokanzler Alexander Schallenbe­rg: nach wenigen Minuten bereits der erste Aufruhr.

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