Die Macht von Sebastian Kurz in der ÖVP bröckelt
Aus den Ländern kommt mittlerweile deutliche Kritik
E„Schallenberg wird die Regierung ohne Einflussnahme führen. Und selbst gestalten.“Günther Platter (ÖVP)
twas mehr als vier Jahre ist es her, dass Sebastian Kurz umfassende Vollmachten von seinen Parteikollegen übertragen bekommen hat. Am 1. Juli 2017 wurde er mit 98,7 Prozent zum Obmann der „neuen Volkspartei“gewählt. Türkis war das neue Schwarz – und Kurz der mächtigste Mann in der ÖVP.
Was Kurz kann, wird unter Paragraf 44 des ÖVP-Organisationsstatuts zusammengefasst. Etwa dass er als Parteiobmann berechtigt ist, „alle ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen zu treffen, um ein erfolgreiches Zusammenwirken aller in der ÖVP vereinten Kräfte zu sichern und die politische Wirksamkeit der Partei zu erhöhen“. Kurz bestellt als ÖVP-Chef die Generalsekretäre und kann auch den Bundesgeschäftsführer bestellen – und sie jederzeit abberufen. Der Bundesparteiobmann hat aber auch die Nominierungsrechte für die etwaige ÖVP-Regierungsmannschaft. Zusammengefasst trifft Kurz damit viele für den Bundesparteivorstand wesentliche Personalentscheidungen. Dieses Gremium, dem er selbst auch angehört, trifft wiederum wichtige Entscheidungen für die Partei.
Apropos Personalentscheidungen: Die trifft Kurz als ÖVP-Chef auch bei den Kandidatenlisten für Wahlen – bei jenen zum Europäischen Parlament sowie bei der Nationalratsliste auf Bundesebene. Sein Einfluss reicht dabei bis auf die Landesebene: Die Nationalratslisten auf Landesebene sollen nämlich im Einvernehmen mit dem Bundesparteiobmann erstellt werden – er hat hier sogar ein Vetorecht.
In der Realität bröckelt Kurz’ Macht jedoch, vor allem aus den Ländern kommt nun offener Widerstand. Der neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg werde „die Bundesregierung ohne Einflussnahme nach seinen Vorstellungen führen. Und selbst gestalten“, sagte am Dienstag der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter der Tiroler Tageszeitung. Auf das weitreichende Pouvoir von Kurz als Parteichef angesprochen sagte Platter: „Jetzt geht es vorrangig darum, dass Alexander Schallenberg die notwendigen Weichenstellungen trifft, um die Eigenständigkeit der Politik und seiner Regierung klar zu definieren.“
Auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer wurde auf die für Kurz geänderten Parteistatuten angesprochen. „Wenn man den Erfolg hat, braucht man die Statuten nicht. Wenn man keinen Erfolg hat, dann helfen die Statuten auch nichts“, so die klare Antwort aus Graz.
Missverständnis aus Vorarlberg
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner brachte sogar einen möglichen Parteiausschluss zur Sprache, es habe sich dabei aber um ein Missverständnis gehandelt, konkretisierte er später. Im Raum steht das Thema nun trotzdem. Möglich ist ein Ausschluss laut Parteistatuten bei parteischädigendem Verhalten, wenn Mitgliedsbeiträge über einen längeren Zeitraum und trotz mehrerer Mahnungen nicht bezahlt wurden oder wenn es eine „rechtskräftige Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung, die vom Wahlrecht zum Nationalrat ausschließt“, gibt. Beim Delikt der Bestechlichkeit, das Kurz unter anderem vorgeworfen wird, wäre die Voraussetzung mit einer Verurteilung wahrscheinlich gegeben. Die Entscheidung trifft schlussendlich der Bundesparteivorstand.
Der Machtkampf innerhalb der ÖVP hat mit den scharfen Tönen aus den Ländern begonnen. Schallenberg betont die Loyalität zu Kurz, dieser wurde am Montagabend einstimmig zum Klubobmann gewählt. Platter dazu: „Natürlich wird der ÖVP-Parlamentsklub eine Rolle spielen. Für uns Landeshauptleute ist allerdings der erste Ansprechpartner die Bundesregierung.“(lhag)