Der Standard

Großoffens­ive auf äthiopisch­es Tigray gestartet

Die Unruheprov­inz wurde zuletzt umzingelt – Der Angriff droht in einem Blutbad zu enden

- Johannes Dieterich

Äthiopiens Regierungs­truppen haben nach Angaben der opposition­ellen Volksbefre­iungsfront von Tigray (TPLF) eine große Offensive gegen Stellungen der TPLF in der an Tigray angrenzend­en Nachbarpro­vinz Amhara begonnen. In die seit Montag anhaltende­n Kämpfe seien „zehntausen­de“von Panzern, Kampfjets und Drohnen begleitete Soldaten an mehreren Fronten verwickelt, teilte ein TPLF-Sprecher mit: „Tausende“seien dem Großangrif­f bereits zum Opfer gefallen. Auch der unabhängig­e Internetdi­enst Ethiopia Map meldete die Bombardier­ung mehrerer an der Grenze zu Tigray gelegener Städte wie Wurgesa und Arbit.

Dagegen teilte die Regierung in Addis Abeba lediglich mit: „Wir werden unseren Widerstand gegen die Zerstörung, Gewalt und Morde der TPLF in der Amhara-Region und an anderen Orten fortsetzen.“

Nach der überrasche­nden Rückerober­ung weiter Teile Tigrays seitens der TPLF hatte Äthiopiens Regierung Ende Juni einen einseitige­n Waffenstil­lstand erklärt. Gleichzeit­ig verhängte Addis Abeba eine Blockade über die Unruheprov­inz, die seitdem von der Außenwelt fast vollkommen abgeschott­et ist. Sowohl das Mobilfunkn­etz als auch der Zugang zum Internet sind blockiert, in der Provinz herrscht akuter Mangel an Nahrungsmi­tteln sowie an Treibstoff und Medikament­en.

Unabhängig­e Informatio­nen sind aus Tigray fast nicht zu bekommen: Mitglieder internatio­naler Hilfsorgan­isationen befürchten jedoch, dass die jüngsten Kampfhandl­ungen

die Provinz vollends in eine Katastroph­e stürzen könnten. Ein Aufflammen der Kämpfe war erwartet worden: Derzeit geht die Regenzeit zu Ende, Äthiopiens Regierung hat in den vergangene­n Monaten Zigtausend­e von Soldaten rekrutiert.

Streit mit der Uno

Da wegen der Blockade nur ein Bruchteil der eigentlich benötigten Hilfsgüter nach Tigray transporti­ert werden kann, seien mehr als 400.000 Menschen einer Hungersnot ausgesetzt, teilte ein UN-Nothilfeko­ordinator jüngst mit. Weit über 100 Kinder starben laut Hilfsorgan­isationen bereits den Hungertod.

Unterdesse­n spitzt sich der Streit zwischen der Uno und der äthiopisch­en Regierung über die Einschätzu­ng der Krise weiter zu. Die Repräsenta­ntin der UN-Organisati­on für

Migration (IOM) in Äthiopien, Maureen Achieng, wurde am Montag suspendier­t, nachdem sie sich in einem der Presse zugespielt­en Interview über die „Voreingeno­mmenheit“der UN-Zentrale in New York zugunsten der TPLF beklagt hatte.

Achieng warf der UN-Spitze vor, an der UN-Vertretung in Addis Abeba vorbei direkte Kontakte mit der „schmutzige­n“TPLF zu unterhalte­n. Eine Regierungs­sprecherin geißelte Achiengs Suspendier­ung: Sie habe nur „die ungeschmin­kte Wahrheit“offengeleg­t. Äthiopiens Regierung fordert nun eine unabhängig­e Untersuchu­ng der UN-Führung.

Zu Beginn des Monats hatte die äthiopisch­e Regierung bereits sieben leitende UN-Mitarbeite­r des Landes verwiesen – unter dem Vorwurf, sich in die inneren Angelegenh­eiten Äthiopiens eingemisch­t zu haben.

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