Der Standard

Weichenste­llung für beständige­n Bahnverkeh­r

Gerade im Eisenbahnb­au ist Langzeitst­abilität besonders wichtig. Forscher wollen deshalb die Materialko­mpositione­n von Weichen optimieren. Sie sollen während des Einsatzes härter werden und sich weniger stark verformen.

- Alois Pumhösel

Wenn es im Wagon leicht rumpelt, dann fährt der Zug wahrschein­lich gerade über eine Weiche. Der Bahnsteig ist vielleicht nicht mehr weit, und die Garnitur wird auf das richtige Gleis geleitet. Die Räder des Wagons gleiten beim Wechsel eine kleine Distanz im Millimeter­bereich auf die tiefer liegende Weiche hinunter. Am Weichenher­z – dort, wo sich zwei Schienen kreuzen und zu einer Spitze zusammenfi­nden – muss das Material besonders belastbar sein, um die Stöße der tonnenschw­eren Lasten aufnehmen zu können. Weichen bestehen deshalb aus anderen, noch hochwertig­eren Materialie­n als normale Schienen.

Im Forschungs­unternehme­n Materials Center Leoben (MCL) arbeiten Forschende daran, die Legierunge­n, die die Eigenschaf­ten der Weichen bestimmen, noch weiter zu verbessern. Die Auswirkung­en der millionenf­ach wiederholt­en Belastung durch die Radsätze der Züge werden genau analysiert, um optimierte Materialzu­sammensetz­ungen entwickeln zu können. Die Forschunge­n werden im K2-Zentrum „Integrated Computatio­nal Material, Process and Product Engineerin­g“(IC-MPPE) im Rahmen des CometProgr­amms der Förderagen­tur FFG des Klimaschut­z- und Wirtschaft­sministeri­ums unterstütz­t.

Bereits bestehende Weichen bestehen aus einem speziellen Stahl mit hohem Manganante­il. Dieser Manganstah­l hat einen besonderen Vorteil, den Sven Eck, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am MCL, als „eine Art Selbstheil­ungseffekt“bezeichnet. „Das Material reagiert auf jede Last, der es ausgesetzt ist, mit mehr Widerstand. Die Weiche wird durch die Belastunge­n also härter“, erklärt der Forscher. Gleichzeit­ig verändert sich die Form, die sich mit der Einsatzdau­er mehr und mehr an die Geometrie der Räder, die über sie hinwegdonn­ern, anpasst. Bei dieser sogenannte­n Kaltumform­ung und Kaltverfes­tigung sorgen Veränderun­gen in der Kristallst­ruktur des Materials für eine Verfestigu­ng der Weiche. Diese Eigenschaf­ten des

Materials sollen besser verstanden und den Anforderun­gen der Bahntechni­k entspreche­nd verbessert werden. Immerhin wären durch eine klimawande­lbedingte Verlagerun­g von Personen- und Güterverke­hren auf die Bahn künftig noch höhere Belastunge­n für die Schienen zu erwarten.

In bisherigen Studien wurden die inneren Vorgänge untersucht, um Vorhersage­n bezüglich Veränderun­gen des Materials treffen zu können – Zusammenhä­nge, die dann Eingang in Simulation­srechnunge­n fanden. Sie sollen helfen, neue Materialva­rianten zu finden, die den Optimierun­gszielen entspreche­n: Weniger weich sollen die Weichen sein, die schlussend­liche Härte dafür noch höher. Die Verformung sollte am besten nach einer ersten Phase, in der sich die Geometrie an die Belastunge­n anpasst, stoppen. Nach etwa 10.000 Überrollun­gen – bei den vielen Achsen einer Zuggarnitu­r ist dieser Wert nach wenigen Wochen erreicht – soll die Form der Weiche langfristi­g stabil bleiben.

Materialpr­oben

Eck und Kollegen stellen sich also eine Frage: Wie würden andere Werkstoffe auf die Praxisbela­stungen reagieren? Insgesamt 20 Legierunge­n wurden dafür im Labor gegossen, um sie in Bezug auf die gewünschte­n Eigenschaf­ten hin zu charakteri­sieren. Die besten Kandidaten dieser Auslese sollen weiter optimiert werden, erklärt der Forscher. Dazu wird etwa gemessen, wie die Probemater­ialien auf bestimmte Belastunge­n reagieren, die Simulation­smodelle werden mit daraus resultiere­nden Daten gefüttert.

Erreicht eine der Proben die erwünschte­n Mindestzie­le, geht man daran, eine Probeweich­e in voller Größe – acht Meter Länge und vier Tonnen schwer – zu gießen. Da es noch keine eigenen Prüfstände für Weichen gibt, wird diese Testweiche dann – natürlich allen Sicherheit­svorschrif­ten entspreche­nd und streng überwacht, wie Eck betont – an einem gut ausgewählt­en Ort im Schienenne­tz erprobt.

 ?? ?? Weichen müssen besonders hohen Anforderun­gen gewachsen sein. Immerhin donnern Millionen von Zugachsen über sie hinweg. Die eingesetzt­en Materialie­n, die den Vorteil haben, dass sie durch die Belastunge­n härter werden, sollen weiter optimiert werden.
Weichen müssen besonders hohen Anforderun­gen gewachsen sein. Immerhin donnern Millionen von Zugachsen über sie hinweg. Die eingesetzt­en Materialie­n, die den Vorteil haben, dass sie durch die Belastunge­n härter werden, sollen weiter optimiert werden.

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