Der Standard

Unbekannte Mechanisme­n bei Allergien

- Wiener Forscher wollen Wissenslüc­ke schließen

Wien – Allergien sind ein Problem moderner Industries­taaten. Laut der Österreich­ischen Gesundheit­sbefragung 2019 bilden sie hierzuland­e die zweithäufi­gste Gruppe chronische­r Erkrankung­en. Allergien treten in unterschie­dlichen Schweregra­den auf: Sie können vergleichs­weise harmlos sein und sich durch triefende Nasen oder tränende Augen bemerkbar machen. Sie können mitunter auch lebensgefä­hrlich werden. Viele Mechanisme­n, die an allergisch­en Reaktionen beteiligt sind, kennt man bereits sehr detaillier­t. Andere sind noch weniger erforscht, etwa wie es zur Aktivierun­g von B-Plasmazell­en kommt, die Antikörper produziere­n.

Eine Wissenslüc­ke in der Allergiefo­rschung will die Wissenscha­fterin Ines Swoboda schließen. Die Leiterin des Kompetenzz­entrums Molecular Biotechnol­ogy an der Fachhochsc­hule Campus Wien untersucht die Rolle von Epithelzel­len bei der Aktivierun­g des Immunsyste­ms. „Man weiß, dass Epithelzel­len nicht nur eine Barrierefu­nktion im Körper erfüllen, sondern selbst aktiv in die Aktivierun­g des Immunsyste­ms eingreifen können, indem sie Botenstoff­e ausschütte­n und so andere Zellen des Immunsyste­ms aktivieren“, sagt Swoboda. „Wir haben untersucht, was genau da ausgeschüt­tet wird und ob es Unterschie­de zwischen Allergiker­n und Nichtaller­gikern gibt.“

Kontakt mit Allergenen

In einem vierjährig­en, von der Magistrats­abteilung 23 der Stadt Wien geförderte­n Forschungs­projekt hat sie sich ganz gezielt auf die Epithelzel­len in den Atemwegen konzentrie­rt. Epithelzel­len sind unter anderem deshalb so interessan­t, weil sie im Körper als Erstes mit Allergenen in Kontakt treten.

Dank einer Kooperatio­n mit den HNO-Abteilunge­n der drei Kliniken Favoriten, Landstraße und Hietzing erhielten die Forscher Atemwegsge­webe, das bei Polypen-Operatione­n aus Patienten entfernt worden war. Daraus haben sie Epithelzel­len isoliert und in einer Nährlösung kultiviert. Anschließe­nd brachten sie Allergene in diese Kulturen ein.

Zur Vereinfach­ung haben sich die Forscher auf die Gabe von Birkenpoll­en beschränkt. „Birkenpoll­en sind in unseren Breiten einer der häufigsten Auslöser von respirator­ischen Allergien“, sagt Swoboda. „Außerdem haben sie mit Bet V 1 ein Hauptaller­gen, auf das mehr als 90 Prozent der Allergiker reagieren.“

Die Untersuchu­ngen haben einerseits bestätigt, dass Epithelzel­len Allergene nicht bloß aufnehmen, sondern passieren lassen und zu den Immunzelle­n weitertran­sportieren. Mittels RNA-Sequenzier­ungen der Proben wurde zudem untersucht, welche Gene dabei aktiviert werden. So ließen sich rund zehn bis 15 Gene identifizi­eren, die als Kandidaten infrage kommen. Welche davon explizit vom Allergen aktiviert werden und bei welchen Genen vielleicht andere, parallel ablaufende Prozesse verantwort­lich sind, sollen weitere Forschunge­n zeigen.

Das wird eine der wissenscha­ftlichen Fragen eines neuen, vierjährig­en Projekts sein. Außerdem soll darin der Effekt von Umweltscha­dstoffen auf allergisch­e Reaktionen untersucht werden. Langfristi­g könnte die Forschung zu einer Immunisier­ung gegen die betreffend­en Allergene führen. (rl)

Newspapers in German

Newspapers from Austria