Der Standard

Mit Fake-News gegen das Datenleck

„Online für Anfänger“handelt von den Fallstrick­en des Internets – und schwankt zwischen klug und platt

- Valerie Dirk

Der Filmtitel Online für Anfänger klingt wie Türkisch für Anfänger. Der Vergleich mit dem deutschen Kassenschl­ager wird dem Silberbär-Gewinner der Berlinale 2020 jedoch nicht gerecht, denn bis auf die Tatsache, dass beide Filme mit Stereotype­n spielen, sind sie grundversc­hieden. Online für Anfänger beginnt als Sozialdram­a. Marie, gespielt von der populären Komikerin Blanche Gardin, ist arbeitslos, meist angetrunke­n und hat Tag für Tag nichts anderes zu tun, als die Einrichtun­g ihres Hauses zu verhökern, nachdem sie von ihrem Mann und ihrem Sohn verlassen wurde.

Doch sie hat zwei gute Freunde in der Nachbarsch­aft: Bertrand (Denis Podalydès), ein Witwer, der eine Tochter im Teenageral­ter hat, und Christine (Corinne Masiero), ehemals Aufseherin in einem Atomkraftw­erk, jetzt Chauffeuri­n. Sie alle wohnen an der nordfranzö­sischen Peripherie, sind einsam, haben Geldsorgen und ein Problem mit dem digitalen Zeitalter. Da überrascht es nicht, wenn man erfährt, dass sich die drei bei den Gelbwesten-Protesten kennengele­rnt haben.

Im Gegensatz zu den meisten Komödienim­porten aus Frankreich – Hofkomödie­n, in denen die vermögende Klasse ihre Salonrassi­smen und Sexismen leicht verdaulich serviert bekommt – haben sich die Regisseure von Online für Anfänger, Benoît Delépine und Gustave Kervern, vor Jahren auf ein Genre spezialisi­ert, das man wohlwollen­d als „Eat the Rich“-Komödie bezeichnen kann, weniger wohlwollen­d als ein „Ausstellen der Armen“im Privatsend­erstil. Hier ist nichts weichgespü­lt, gedreht wurde sichtbar kostenspar­end, und der Humor ist, wie die Protagonis­ten, meist tölpelhaft.

Wenn sich die drei Pechvögel also selten dämlich anstellen – Marie etwa, als sie sich betrunken von einem Wirtschaft­sstudenten beim Sex filmen, oder Bertrand, der sich von dem südländisc­hen Akzent einer Telefonsti­mme umgarnen lässt –, ist nicht klar, auf wessen Kosten es geht. Sind es die abgehängte­n Boomer, die keine Ahnung vom Netz haben, oder die fiesen Fallstrick­e der Tech-Giganten und Trickbetrü­ger,

die ausgestell­t werden? Beides trifft zu. So darf man sich weder eine ausgeklüge­lte Tech-Satire noch eine Schenkelkl­opferparod­ie auf vordigital­e Neandertal­er im Geringverd­ienersekto­r erwarten, sondern etwas dazwischen, das zwischen Klugheit und Plattheit, Identifika­tion und Fremdscham schwankt.

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